
Die Schanz bei Eußenhausen war einmal ein Furcht erregender Ort, ein waffenstarrender Grenzübergang im zerrissenen Deutschland. Dann kam die Deutsche Einheit und der Berliner Bauingenieur und Künstler Jimmy Fell, gebürtig aus Niederlauer (Lkr. Rhön-Grabfeld), errichtete dort den bunt schimmernden Skulpturenpark Deutsche Einheit, beginnend 1996 mit der Goldenen Brücke. Seither besuchten Tausende das Areal in Blicknähe zur ehemaligen Grenze, das sich sowohl auf bayerischer wie thüringischer Seite erstreckt.
Heute geht dort oben wieder die Furcht um. Die Furcht vor einem Ende des Skulpturenparks. Und die Waffen starren wieder zwischen Ost und West. Die Waffe aus dem Osten: Ein Betretungsverbot für den Unterfranken Jimmy Fell durch Peggy Greiser, Landrätin des Kreises Schmalkalden-Meiningen in Thüringen. Die Waffe aus dem Westen: Zornige Worte über Weltkunst auf geschichtsträchtigem Boden und rot-rot-grüne Willkür unter dem Vorwand des Naturschutzes, so Fells Vorwurf.
Dauerthema Wiedervereinigung
Was ist geschehen, dass die Schanz eher an unrühmliche Zeiten der Teilung erinnert denn an die Segnungen der Deutschen Einheit? Der Skulpturenpark geht auf eine Idee von Jimmy Fell zurück. Mit der imposanten Goldenen Brücke begann die Sache. Nach und nach gesellten sich weitere Objekte hinzu. "Der Junge mit der Fahne", eine Stahl-Buntglas-Konstruktion, auch eine Barbarossa-Figur, ein "Feld der Fahnen", ein Kunstwerk zum Thema der Vertreibung oder eines, das der Toten der Mauer gedenkt. So entstand Jimmy Fells Skulpturenpark, eine große künstlerische Spielwiese.

Die genoss stets das Wohlwollen der Politik. Ralf Luther, CDU-Landrat im Thüringischen Schmalkalden-Meiningen bis 2012, war ein großer Freund des kunstbeladenen Geländes. Es gab Begegnungen, Wiedervereinigungsfeiern, Gedenkstunden am Skulpturenpark. Und auf fränkischer Seite wusste Jimmy Fell stets Thomas Habermann (CSU) hinter sich, den Landrat aus Rhön-Grabfeld. Der hat in seinem Büro gar ein Werk seines alten Schulkollegen Jimmy Fell hängen. Man kann es also die Ägide der CDU/CSU nennen, worunter der Park mit seiner explizit politischen Aussage gediehen ist.
Kritische Stimmen aus dem Osten
Wer in den vergangenen Jahren ab und an auch in den Osten gelauscht hat, der konnte aber auch kritische Stimmen zur Fellschen Aktionskunst auf der Schanz hören. Dort wurde lauter als in Rhön-Grabfeld der künstlerische Wert Fellscher Werke in Zweifel gezogen. Vor allem aber konnte man eine Befindlichkeit wahrnehmen, die an alte Ost-West-Ängste erinnert. "Warum beansprucht ein West-Künstler Thüringer Boden für sich allein, um die Einheit zu thematisieren?" "Warum ist das kein gemeinsamer Ort der künstlerischen Auseinandersetzung mit Vertretern aus West und auch aus Ost?" Derlei Fragen wurden getuschelt, während Jimmy Fell beinahe schon monomanisch auf der Schanz seiner Arbeit nachging. Einzig eine Kreuz-Skulptur von Gernot Ehrsam aus Schmalkalden-Meiningen ergänzt etwas abseits das Areal.

Nach einem SPD-Mann steht seit 2018 Peggy Greiser dem Landkreis Schmalkalden-Meiningen vor. Sie war als Parteilose gemeinsam von SPD und der Linken nominiert worden. Der Landkreis Schmalkalden-Meiningen hat die Fläche für den Skulpturenpark gepachtet und pflegt das Areal. Gleich nebenan liegen Grundstücke des Grünen Bandes, die wiederum von der Stiftung Naturschutz Thüringen gepachtet sind.
Landrätin Greiser droht mit Strafantrag
An dieser Stelle kommen sich Kunst und Gesetz in die Quere. Fell hat nämlich auch den Holocaust zum Thema gemacht und mit der Lehmfigur "Golem" den künstlerischen Bogen von den Schandtaten der Deutschen Teilung zu den Konzentrationslagern der Nazis gespannt. In den Augen mancher vielleicht überspannt. Ganz banal kommt hinzu, dass dieser Golem aus Lehm auf Flächen des Grünen Bandes errichtet wurde.
Und das gefällt der Stiftung Naturschutz Thüringen ebenso wenig wie der Meininger Landrätin Peggy Greiser. Die hat nun für Jimmy Fell ein Betretungsverbot ausgesprochen. Mehrfach seien ohne Absprache neue Kunstwerke installiert worden, die sich abseits der gepachteten Skulpturenpark-Fläche befänden. Sollte Fell weitere Kunstwerke auf dem Areal errichten wollen, droht Greiser mit einem Strafantrag. "Sofern Sie Ihre Kunstwerke aufgrund des Betretungsverbotes entfernen möchten, ist dies (...) sehr wohl möglich", heißt es im Schreiben der Landrätin weiter.
Fell: "Der Skulpturenpark ist tot"
Jimmy Fell ist außer sich. "Der Skulpturenpark Deutsche Einheit ist tot", verkündet er – und erteilt ein "Betretungsverbot für rot-rot-grüne Politiker" für den Skulpturenpark. Niemand habe das Recht, dort irgendetwas zu ändern, schießt der Niederläurer zurück. Seine Golem-Arbeit bezeichnet er unbescheiden als "Weltkunst". Deren Bedeutung stehe über den Belangen der Küchenschelle.
Jimmy Fell fühlt sich aus seinem "Wohnzimmer" vertrieben und "enteignet". Deutliche Worte in einem heftigen Schlagabtausch. Ein Vorgeplänkel dazu gab es bereits 2014, als Fell aus Protest gegen den Linken Bodo Ramelow als Ministerpräsident eine seiner Skulpturen kurzzeitig entfernte.
Landrat Thomas Habermann, selbst ein langjähriger Freund Jimmy Fells, macht die Angelegenheit etwas Sorge. Er betont aber: "Wir sind im engen Austausch mit dem Nachbarlandkreis. Es gibt zum Konzept des Skulpturenparks keine Differenzen." Auch Habermann sieht es kritisch, dass Fell offensichtlich auf Flächen des Grünen Bandes ohne Absprache sein jüngstes Kunstprojekt realisiert hat. "Das gute Verhältnis beider Landkreise ist aber davon nicht infiziert", betont der fränkische Landrat.
Peggy Greiser: "Wichtiger Ort für beide Landkreise"
"Das Betretungsverbot ist nicht politisch motiviert", weist Landrätin Peggy Greiser jeglichen ideologischen Hintergrund von sich. "Ich bin nicht rot, ich bin nicht grün, ich bin parteilos", sagt Greiser." Der Skulpturenpark ist ein wichtiger Ort für unsere beiden Landkreise, der eine nachhaltige Wirkung hat auch auf jüngere Generationen, denen Geschichte vermittelt wird", so Greiser gegenüber dieser Redaktion. Sie erinnert an Treffen wie zum 30. Bestehen der Deutschen Einheit und wertvolle, landkreisübergreifende Schulprojekte.
Allerdings bewege man sich auf gepachtetem Boden, der zum Grünen Band gehöre. "Wir sind Pächter der Fläche und haben gewisse Auflagen zu erfüllen", so Greiser. Jimmy Fell sei mit immer neuen Ideen gekommen, ohne sie mit den Bau- und Umweltbehörden abgesprochen zu haben. Unzählige Male habe es Kontaktversuche gegeben, die erfolglos blieben. Die jüngste Kunstaktion mit den Golem-Figuren sei "auf höchst schützenswerten FFH-Flächen" erfolgt, ihr Haus habe deshalb handeln müssen. "Wir stehen weiter zum Skulpturenpark und seinem Inhalt, aber wir wollen auch eine einheitliche Thematik erhalten", sagt Greiser.
25 Jahre Goldene Brücke
Rhön-Grabfelds Landrat Habermann hat schon mehrfach die Kontaktaufnahme mit Jimmy Fell versucht. Vergeblich. "Was soll ich da mit ihm reden? Ich hab darauf keinen Bock mehr. Er steht auf gleicher Linie wie Peggy Greiser", zeigt sich Fell gegenüber dieser Redaktion wenig gesprächsbereit. 27 Jahre habe er den Skulpturenpark am Leben erhalten, aber seit 2012 spüre er kein Interesse der Politik mehr an dem Kunstareal. Aber jetzt gelte offensichtlich das Motto: "Wer bezahlt, schafft an!" Dem wolle er sich nicht beugen. Er möchte das Betretungsverbot nun gerichtlich klären lassen. "Für mich ist das Projekt tot", teilt Fell aus dem fernen Berlin mit. Unversöhnliche Worte ausgerechnet in dem Jahr, in dem die Goldene Brücke 25. Geburtstag feiert.
Ob der Streit beigelegt werden kann und der Skulpturenpark wiederersteht wie ein typisches Fellsches Verbrennungskunstwerk mit Phönix-aus-der-Asche-Effekt? Womöglich hilft in der verfahrenen Lage nur ein Wunder. Zu einem persönlichen Madonnen-Wunder hatte Fell 2020 ja ein Gnadenbild erstellt. Bleibt die Frage, ob solche Wunderdinge im protestantischen Thüringen greifen. Oder doch schlicht die Buchstaben des Gesetzes.
Hier gibt es nicht nur eine fränkische Seite - der Landreis Schmalkalden-Meiningen zählt bekanntlich ebenso zu Franken. Franken reicht an den Rennsteig!
Den Herrn Fell kann ich künstlerisch nicht nachvollziehen. Die Brücke vielleicht noch, aber seine restlichen Werke strahlen sehr oft Überheblichkeit, Arroganz und Besserwissertum aus. Alles weg bis auf die Brücke, die wenigstens etwas von der Einheit symbolisiert. Es muss nicht immer mehr werden. Manchmal ist weniger einfach mehr.
Die Werke von Fell sind mitunter seltsam. Ob nun der Skulpturenpark oder am Turm in Niederlauer.
Ost und West sind nach wie vor nicht wirklich vereint, und daran sind aus meiner Sicht ganz erheblich die Wessis schuld.
Schreibe ich als Wessi!