
"Wir müssen das Virus aushungern, und der Nahrungsentzug erfolgt durch das Impfen!" So beschreibt Dr. Helmut Klum den Weg, die Corona-Pandemie erfolgreich zu bekämpfen. Und unter diesem Motto sieht er auch seine Arbeit als medizinischer Leiter des Bad Neustädter Impfzentrums. In der ehemaligen Kreisklinik, wo es im Herbst 2020 eingerichtet wurde, wurden Mitte Januar 2021 und damit genau vor einem Jahr die ersten Corona-Impfungen verabreicht.
Altes Krankenhaus als Glücksfall
Die Bilanz nach einem Jahr Impfzentrum in Bad Neustadt fällt jedoch etwas gemischt aus. Das liegt jedoch weder an den Räumlichkeiten oder der Organisation, noch an der technischen Ausstattung oder gar dem Engagement des Personals. Was für Unzufriedenheit bei den Verantwortlichen sorgt, sind allein die Impfzahlen, die bislang erreicht beziehungsweise eben nicht wurden.

Dabei spricht Landrat Thomas Habermann in seinem Rückblick zunächst von einem Glücksfall, dass das dafür bestens geeignete frühere Krankenhaus als Impfzentrum zur Verfügung stand. Der Landkreis habe sich da mit der räumlichen Organisation leicht getan und keine Parkplätze, Zelte oder Hallen mieten oder das gesamte Projekt gar an externe Auftragnehmer vergeben müssen, wie das andernorts erforderlich war. Aus diesem Grund habe es der Krisenstab im Sommer auch abgelehnt, das Impfzentrum zu schließen. Stattdessen sei durchgeimpft worden. Eine Beurteilung der Lage, die sich im Rückblick als durchaus richtig erwiesen habe.
Keine Sicherheitsprobleme
Dass in diesem Jahr bei einer solch neuen Problematik natürlich nicht alles sofort zur allgemeinen Zufriedenheit geklappt hat und manches nachjustiert werden musste, lassen die Verantwortlichen des Impfzentrums mit Verwaltungsleiter Thorsten Seufert in ihrem Rückblick nicht unerwähnt. Als ein Beispiel wird da die Computersoftware für das Anmeldeportal genannt. Dennoch sei die Zahl der Beschwerden übersichtlich gewesen, bilanziert Verwaltungschef Seufert. Das galt auch, wenn statt des gewünschten nur ein anderer Impfstoff zu Verfügung stand. Bis auf Schmierereien an den Hinweisschildern vor der Eröffnung des Impfzentrums habe es auch keine Störungen oder Sicherheitsprobleme gegeben, auch wenn vor einigen Wochen Demonstranten gegen die Corona-Politik am ehemaligen Krankenhaus vorbeigezogen seien.

Ohne Einschränkungen fällt das Lob des Landrats für die vielen Helfer und Mitarbeiter aus, deren Engagement Voraussetzung für die erfolgreiche Arbeit des Impfzentrums gewesen sei. Habermann führt da neben den Kollegen aus dem eigenen Haus unter anderem die Mitarbeiter des Roten Kreuzes, Bundeswehrsoldaten oder Mitarbeiter anderen Behörden an. Wie Thorsten Seufert auflistet, sind derzeit im Impfzentrum drei Personen in der Verwaltungsleitung, 16 Verwaltungsangestellte und 17 medizinische Fachangestellte, viele davon in Teilzeit, beschäftigt. Dazu kommen rund 15 Mediziner, die abwechselnd als Impfärzte tätig werden.
150 000 Impfungen und keine schweren Nebenwirkungen
Was ebenfalls hervorragend geklappt habe, sei die Organisation und Verwertung des Impfstoffs vor Ort. Solang das Vakzin knapp war, habe keine einzige Dosis weggeworfen worden müssen, darauf legen Seufert und Klum großen Wert. Man sei dazu mit Arztpraxen, dem Campus oder Nachbarlandkreisen in ständigem Kontakt gewesen und habe bei Bedarf Impfstoff erhalten oder geliefert. Erst dieser Tage könnte es erstmals nötig werden, etwa 1200 Dosen entsorgen zu müssen. Grund sei, dass Impfstoff geliefert wurde, dessen Verfallsdatum unmittelbar bevorstehe.

Und auf noch einen Fakt, den Impfgegner sehr häufig mit Verweis auf eine ihnen bekannte Krankenschwester oder ähnliches bestreiten, legen die Verantwortlichen des Impfzentrums, einschließlich des Landrats, größten Wert. Es sei bei den bislang rund 150 000 Impfungen im Landkreis kein einziger Fall von schweren Nebenwirkungen und allergischen Reaktionen bekannt geworden. Ein schwereres medizinisches Problem sei im Impfzentrum aufgetreten, allerdings vor der Impfung des Betroffenen. Und es habe einen einzigen Fall einer neurologischen Erkrankung gegeben, bei dem man einen Zusammenhang mit der Impfung nicht ganz ausschließen könne. Daneben sei höchstens mal eine Nachfrage vorgekommen, was man seinem Arbeitgeber erzählen müsse, damit es glaubhaft sei, dass man nach der Impfung nicht zur Arbeit komme, so Thorsten Seufert.
75 Prozent Impfquote im Landkreis
Wie lange das Impfzentrum noch in Betrieb sein wird, weiß Habermann nicht. Er spekuliert allerdings, dass die bisher von Bund und Land vorgesehene Laufzeit bis Ende April nicht ausreichen wird. Es sei davon auszugehen, dass auch weiterhin Auffrischungsimpfungen erfolgen müssen. In der Übergangszeit, bis die niedergelassenen Ärzte das übernehmen könnten, werde man das Zentrum noch benötigen.

Während das Impfzentrum nach den Angaben der Verantwortlichen gut läuft, fehlt es bekanntlich an Impfwilligen. Ließen sich in Spitzenzeit 700 Landkreisbewohner am Tag den Piks mit dem Corona-Impfstoff verpassen, sind es aktuell gerade 350. Von den knapp 150 000 Impfungen im Landkreis insgesamt (siehe nebenstehende Grafik) erfolgte knapp die Hälfte im ehemaligen Krankenhaus beziehungsweise bei ambulanten oder den bislang 43 Sonderimpfaktionen. Die bisher erfolgten knapp 57 000 Zweitimpfungen bedeuten eine Quote von 71,39 Prozent vollständig Geimpfter im Kreis.
Landrat fordert Impfpflicht
Rechne man die in der Statistik nicht erfassten Impfungen durch Betriebsärzte dazu, beträgt diese Quote nach "wohlwollenden" Schätzungen von Dr. Klum 75 Prozent. Der Anteil von Landkreisbewohnern mit Auffrischungsimpfungen dürfte demnach bei etwa 50 Prozent liegen. "Wir werden Corona aber nur los, wenn wir 90 bis 95 Prozent Geimpfte haben", ist Landrat Habermann überzeugt. Sein Appell lautet daher zum wiederholten Mal ganz klar: "Lasst Euch impfen! Lasst Euch boostern!" und das so schnell es gehe. Andernfalls, so befürchtet Habermann, würden die Zahlen im Frühjahr abflauen und "im Herbst beginnt der Zirkus wieder".

Damit das nicht passiert, fordert der Landrat in Übereinstimmung mit allen unterfränkischen Landräten, wie er betont, die schnelle Einführung der Impfpflicht etwa ab einem Alter von 18 Jahren, die dann auch konsequent umgesetzt werden müsse.