Dr. Helmut Klum kann jetzt ein wenig durchatmen. Während der Anfangszeit der Corona-Pandemie war dies anders. "Wochenenden und Ostern fielen während der Zeit des Katastrophenfalls weitgehend aus", erinnert er sich zurück. Eigentlich ist er Orthopäde und Vorsitzender des ärztlichen Kreisverbands Bad Neustadt. Während der ersten Welle von Corona wurde er von Landrat Thomas Habermann zum Versorgungsarzt für den Landkreis Rhön-Grabfeld berufen. Diese Position gab es vorher noch nicht.
"Allerdings hatten wir auch noch nie einen landesweiten Katastrophenfall. Darauf waren wir nicht vorbereitet, so etwas kann man allerdings auch nicht vorher praktisch üben", sagt der Mediziner. Mit einer solchen Pandemie hatte man keine Erfahrung. Zwar wurde 2012 vor dem Hintergrund der SARS-Infektionen 2003 in einer Risikoanalyse "Pandemie durch Virus Modi-SARS" das Szenario einer Pandemie durchgespielt (Bundestagsdrucksache 17/12051). Mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von einmal in einem Zeitraum "von 100 bis 1000 Jahren". "Das darin beschriebene Szenario war dann allerdings schon sehr realistisch", so Klum.
Etwas Großes zieht herauf
Bei der aktuellen Pandemie spürte er aber schon, dass hier etwas Größeres am Horizont aufzieht. Bereits am 2. März traf sich der spätere Krisenstab im Landratsamt. An dieser Sitzung nahm Klum als Vertreter der Ärzteschaft teil. "Damals ahnten wir schon, dass sich eine Bedrohungslage entwickelte, auf die wir vorbereitet sein wollten", erinnert er sich zurück.
Nachdem der Katastrophenfall festgestellt worden war, wurde in jedem Landkreis und in jeder kreisfreien Stadt je ein Versorgungsarzt eingesetzt. "Für den Landkreis Rhön-Grabfeld wurde ich am 30. März von Herrn Landrat Habermann zum Versorgungsarzt ernannt", so Klum. In dieser Position hatte er die Aufgabe, eine ausreichende Versorgung mit ärztlichen Leistungen und entsprechender Schutzausrüstung zu planen und zu koordinieren. Dem Versorgungsarzt wurden dabei weitgehende Vollmachten eingeräumt, jeweils natürlich in Absprache mit dem Landrat. Dr. Klum war für den gesamten ärztlichen Bereich, einschließlich der Zahnärzte, zuständig: "Besonders wichtig war, gerade in dieser Ausnahmesituation, dass die ärztliche Grundversorgung gewährleistet ist."
Schwerpunktpraxen als wichtige Aufgabe
Eine seiner Aufgaben war die Einrichtung von Schwerpunktpraxen für die Untersuchung und Behandlung von Covid-19-Patienten. Dies habe Dank des vorbildlichen Einsatzes seiner Arztkollegen auch wunderbar funktioniert, erzählt Dr. Klum. "Die Praxen Dres. Günther und Kollegen in Mellrichstadt, Dres. Wünsch und Kollegen in Bischofsheim und Dres. Fröhling in Hohenroth haben sich bereit erklärt, als dezentrale Schwerpunktpraxen zur Verfügung zu stehen. Dafür danken der Landrat und ich ihnen sehr herzlich", erläutert der Mediziner. "Es war uns wichtig, mehrere dezentrale statt einer zentralen Schwerpunktpraxis zu haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass alle drei gleichzeitig ausfallen, war damit minimiert", so Klum. Tatsächlich fiel aber keine der drei Praxen aus.
Seine Aufgabe war es auch, die Einrichtung von örtlichen Testzentren zu unterstützen. "Langsam bildete sich eine Struktur heraus. Die Situation war ungewöhnlich, und so lernten wir jeden Tag hinzu", erinnert sich Dr. Klum. Eine der Ängste war auch, dass es in Altersheimen zu Coronafällen kommen könnte. "Eine Situation wie in zwei Heimen in Würzburg musste unbedingt vermieden werden", sagt er. Das Hauptproblem in den Altersheimen war, dass die Kontakte beschränkt werden mussten. Dies bedeutete im Gegenzug aber auch, dass pro Altersheim jeweils ein Arzt bestimmt werden sollte, der sich um die Bewohner kümmert, ohne in das Recht auf freie Arztwahl einzugreifen.
Kontakte zwischen Hausarzt und Patient waren jederzeit telefonisch und elektronisch möglich. "Kollege A betreute auch die Patienten von Kollege B und es galt, einrichtungsbetreuende Ärzte zu ernennen", erläutert Klum. In Gesprächen gelang es, mit den Betroffenen die Maßnahmen umzusetzen. "Wir schafften es im Landkreis, keine einzige Maßnahme anordnen oder gegen den Willen der Betroffenen durchsetzen zu müssen", ist Dr. Klum stolz. Dabei dankt er allen Kollegen und auch den Heimen, die hier alle an einem Strang gezogen hätten.
Eklatanter Mangel an Schutzausrüstung
Als eklatant bezeichnet Dr. Klum den anfänglichen Mangel an persönlicher Schutzausrüstung. Die Mitarbeiter der Führungsgruppe Katastrophenschutz hätten zwar ihr Möglichstes getan. "Der notwendige Bedarf überstieg die zur Verteilung stehenden Schutzmittel aber um ein Vielfaches. Er war nicht einmal eine Verwaltung des Mangels: Es gab am Anfang praktisch nichts", macht er deutlich. In den Praxen selbst waren so gut wie keine Vorräte über den normalen Bedarf hinaus an Schutzausrüstung vorhanden.
"Unsere Gesellschaft und unser Wirtschaftssystem ist eben keine Vorratshaltung mehr gewohnt, alles ist und hat 'just in time' verfügbar zu sein. Und die Produktion dieser Güter wurde im Zuge der Globalisierung in Billiglohnländer verlagert", so Dr. Klum. Ein großes Problem war auch, dass nicht nur die Arztpraxen, sondern auch die Altenheime, Behinderteneinrichtungen und Pflegedienste mit Schutzausrüstung versorgt werden mussten.
Ein wahrer Segen sei gewesen, dass Eugen Münch auf eigene Kosten für 200 000 Euro Schutzausrüstung für Altenheime und zusätzlich noch für jeden Bewohner des Landkreises je eine Schutzmaske nicht nur spendete, sondern auch selbst besorgte. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Rhön Klinikum AG habe dem Landkreis damit aus großer Not geholfen und einen unschätzbaren Dienst erwiesen.
Kommt die zweite Welle?
Ob eine zweite Corona-Welle auf den Landkreis zukommt, kann natürlich auch Dr. Klum nicht sagen. Aber man habe einiges hinzugelernt und Strukturen etabliert, die man bei Bedarf leichter wieder reaktivieren könne. "Aber wir müssen alle an einem Strang ziehen. Ich habe den Eindruck, dass die Bürger wieder sorgloser geworden sind. Wir dürfen nicht leichtsinnig werden, sonst kann die Pandemie wieder von vorne losgehen", warnt er. Kein Verständnis habe er für Leute, die verschwörungstheoretisch vorsätzlich oder aus ideologischen Gründen Abstands- und Hygieneregeln missachten und damit nicht nur sich selbst, sondern auch andere gefährden.
Für ihn heißt es jetzt aber erst einmal durchatmen und vor allem die Wochenenden wieder mehr genießen. Auch wenn es anstrengend war: "Es ist selbstverständlich, dass man in diesen Zeiten mithilft, wo man kann. Auch wenn es Zeit und Mühen kostet", sagt der Versorgungsarzt.