Die Hiobsbotschaften um die Wälder in der Region rissen zuletzt einfach nicht ab. Gerade im Grabfeld, der regenärmsten Region Bayerns, bereiteten in den vergangenen Jahren fehlender Niederschlag, Hitzestress und der extreme Borkenkäferbefall den Waldbesitzern, Försterinnen und Förstern große Sorgen.
Der diesjährige Juni war – global – der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Wenngleich es sich in der Rhön und im Grabfeld in diesem Jahr bisher anders verhielt. Denn 2024 war der Frühling und der bisherige Sommer ungewöhnlich kühl, regenreich und feucht. Kann der Wald also getrost aufatmen?
Julia Bischof aus Leinach, Forstoberinspektorin und Revierförsterin im Stadtwald von Bad Königshofen, und der Saaler Forstsachverständige Rupert Wolf geben einen Einblick in den derzeitigen Zustand des Waldes und erklären, welchen Einfluss der Regen der letzten Wochen auf die hiesigen Forstbestände hat und warum ein weiteres Problem den beiden Sorgen bereitet.
Wenn es Fichtennadeln regnet, ist das kein gutes Zeichen
Der Himmel ist klar und sonnig über dem Sulzfelder Gemeindewald. Trotzdem "regnet" es. Immer wieder rieseln einzelne, auch grüne, Fichtennadeln auf den Boden. Ein Indiz dafür, dass einige Bäume geschwächt sind und die zahlreichen Angriffe des Borkenkäfers schon nicht mehr abwehren konnten.
Mit einem kurzen, geschulten Blick bekommt Julia Bischof Gewissheit. Sie findet Bohrmehl am Stammfuß des Baumes. "Wir suchen immer das Bohrmehl, um möglichst frühzeitig den Borkenkäfer zu erkennen. Findet man das erste Bohrmehl, weiß man: Der Borkenkäfer ist in diesem Baum. Dann hat man vier Wochen Zeit, um diese Fichte zu eliminieren. Sonst entwickelt sich eine neue Brut, schwärmt aus und erhöht den Befallsdruck in diesem Waldbereich erneut und exponentiell. Denn aus einem Käfer werden 100.000 neue Käfer."
Warum die Suche nach "Käfer-Fichten" bei Regen schwer ist
Die Suche nach "Käfer-Fichten" war aufgrund der vielen Niederschlägen in den vergangenen Wochen nicht so einfach möglich. "Der stetige Regen wäscht immer wieder das Bohrmehl ab. Das erschwert unsere Arbeit bei der Identifikation, weil wir nicht schnell und einfach bestimmen können, ob ein Baum nun befallen ist oder nicht."
Schließlich müssen in regelmäßigen Abständen, idealerweise – aber keinesfalls umsetzbar – wöchentlich die Baumbestände auf Borkenkäfer untersucht werden. Nur so kann man frühzeitig einen Befall entdecken und eine weitere Ausbreitung verhindern.
Welche Herausforderungen mit dem Regen verbunden sind
Bischof und Wolf sind sich einig, dass der Regen der letzten Wochen und Monate ganz klar ein Segen für den Wald und dessen Vegetation war. Jedoch brachte der Regen noch ganz andere, praktische Herausforderungen mit sich: "Durch die Vernässung und den vielen Niederschlag konnte man viele Flächen nicht befahren. Gerade Gebiete, die am Hang liegen, waren nicht zugänglich. Die vom Borkenkäfer befallenen Bäumen konnten somit zum einen nicht gefällt und später auch nicht aus dem Wald befördert werden. Der Boden war zu feucht für die Harvester und Rücke-Maschinen. Das bringt uns wieder in zeitlichen Rückstand bei der Borkenkäferbekämpfung." "Für die Vegetation ist der Regen ein absoluter Traum. Für die Bewirtschaftung hingegen nicht", fasst Wolf zusammen.
Forstsachverständiger aus Saal
Die Waldböden sind in einem guten Zustand
Lange Trockenperioden und Hitzewellen blieben in diesem Jahr bisher aus. Immer wieder kamen und kommen ergiebige Regenfälle herunter und versorgen die Wälder und Felder in der Region mit reichlich Wasser. Die Böden sind in einem guten Zustand. "Bis zu einer Tiefe von 1,75 Metern ist der Boden, laut den Waldklimastationen, gut mit Wasser versorgt. Und auch die Baumkronen sind, im Gegensatz zu den vergangenen Jahren, grün statt bräunlich gelb", sagt Julia Bischof.
Also alles wieder im Lot? Ganz so rosig geht es dem Wald dann doch nicht. "Die letzten Trockenjahre seit 2003 kann man mit einem Regenjahr nicht wieder aufholen. Die Bäume sind vorgeschädigt und können nicht in einem Jahr so schnell reagieren, wieder völlig gesund und total vital zu werden. Für viele Bäume kommt der diesjährige Regen einfach zu spät", weiß Julia Bischof.
Stirbt der Wald also gänzlich und langfristig aus?
"Ich denke, der Wald wird und muss sich immer wieder wandeln und anpassen. Neue, hoffentlich resistentere Baumarten werden dann die nächsten Jahrzehnte unsere Wälder prägen. Fichtenbestände, wie wir sie heute kennen und in der Vergangenheit gewohnt waren, wird es in zehn Jahren aber in vielen Gebieten bestimmt nicht mehr geben. Und auch an größere, durch den Borkenkäfer entstandene Kahlflächen, die erst wieder aufgeforstet werden, müssen wir uns gewöhnen", schätzt Julia Bischof die Lage ein.
"Der Eichenprachtkäfer bereitet uns zunehmend Sorgen"
Nur wenige hundert Meter weiter hat der Wald ein völlig anderes Erscheinungsbild. Alte Eichenbestände prägen diese Flächen. Doch manche Bäume dort sind mit einem roten X markiert. Kein gutes Zeichen. Weißes Bohrmehl an der Baumrinde zeigt: Die eigentlich starke, vermeintlich gegen den Klimawandel resistente Eiche, ist von einem anderen Käfer befallen.
"Der Eichenprachtkäfer bereitet uns zunehmend Sorgen. Denn die letzten heißen, viel zu trockenen Jahre haben auch bei den Eichen ihren Tribut gefordert und sie nachhaltig und langfristig geschwächt." Das hat Konsequenzen. Ökologische und ökonomische. "Diese schöne Eiche hier hätte prinzipiell einen Holzverkaufswert von etwa 300 bis 400 Euro. Mit dem Käferbefall rauscht der Preis in die Tiefe und man kann eigentlich nur noch Brennholz daraus machen. Mehr als 80 oder 90 Euro bekommt man dafür nicht mehr", so Wolf.
Es gleicht einer Sisyphusarbeit. Ist eine Fläche käferfrei, entdeckt man schon die nächste. Hat man den einen Bestand oder eine Baumart wieder einigermaßen im Griff, kommt die nächste Herausforderung. Mit einem Hauch von Galgenhumor und einem Augenzwinkern sagt Wolf: "Wir haben bald sowieso keine bestandsbildenden Fichtenflächen mehr. So können wir uns in Zukunft voll und ganz auf die Eichen konzentrieren."
Vielleicht sollte man davon wegkommen den Wald so intensiv wie derzeit als Wirtschaftsobjekt zu betrachten und den Fokus auf Wald als Lebensraum inkl. Wasserspeicher richten, denn ohne funktionierende Waldsysteme hat auch der Mensch langfristig keine Überlebenschance. Und die Vergangenheit und Gegenwart zeigt, überall wo der Mensch zu sehr eingreift funktionierten die Ökosysteme nicht mehr (gut). Die Natur selbst kann sich mit Sicherheit am besten wieder regulieren.