
Fast überall sieht man rot. Und die Farbe Rot bedeutet auf der Karte des bayerischen Borkenkäfer-Monitorings: Es wimmelt nur so vor den Käfern, die Waldbesitzern im ganzen Land Sorgenfalten auf die Stirn treiben. Vor allem im Norden des Freistaats ist die Lage angespannt, etwa rund um Schweinfurt oder Ansbach. Aber auch in Teilen Schwabens und Oberbayerns oder im Bayerischen Wald ist dem Monitoring zufolge eine Gefährdungsstufe erreicht.
Es geht vor allem um den Buchdrucker. Diese Borkenkäfer-Art greift hauptsächlich Fichten an. Die Tiere bohren sich in die Bäume und legen unter der Rinde ihre Eier ab. Nach dem Schlüpfen ernähren sich die Larven dann von der Bastschicht des Baums. Diese dünne Schicht unter der Rinde ist für den Baum aber lebenswichtig, denn darin werden Nährstoffe transportiert. Wenn die Schicht zerstört wird, stirbt der Baum. Seit Jahren schon setzt der Borkenkäfer den deutschen Fichtenwäldern zu. In einigen Regionen, etwa dem Harz, der sich über den Süden Niedersachsens und Teile von Sachsen-Anhalt und Thüringen erstreckt, stehen kaum noch gesunde Bäume. Auch in Bayern ist man derzeit angespannt.
Borkenkäfer-Experte Hahn: "Die Sorge ist groß"
Andreas Hahn, Leiter der Abteilung Waldschutz bei der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, sagt: "Die Sorge ist groß. Aber das ist nichts, was uns erst seit zwei Wochen umtreibt. Wir haben seit mindestens 2018 eine Massenvermehrung des Buchdruckers." In diesem Jahr gebe es, anders als gedacht, keine Anzeichen für Entspannung, fährt der Waldexperte fort. "Manche mögen die Hoffnung gehabt haben, dass es wegen des feuchten und kühleren Frühlings weniger Borkenkäfer geben könnte. Das können wir nicht bestätigen." An 120 Standorten in Bayern seien zu Monitoring-Zwecken Borkenkäfer-Fallen aufgestellt. "Das Niveau der gefangenen Käfer liegt im Moment an vielen Orten über dem des Jahres 2022", sagt Hahn.
Bis vor kurzem waren ausschließlich Altkäfer aus dem vergangenen Jahr unterwegs, also Käfer, die in und unter der Borke von Fichten überwintert haben. "Nicht einmal der Frost kann ihnen da etwas anhaben", sagt Hahn. Lediglich ein Pilzbefall könne ihnen schaden – und natürlich der Mensch, der größte Feind der Käfer. "Es geht darum, zwischen Herbst und Frühling diese Überwinterungsbäume aus dem Wald zu holen." Das sei sicher auch passiert, aber man habe nicht genügend erwischt, die Bäume vermutlich oft gar nicht erkannt, erklärt Hahn.
Es reichen 1000 Käfer, um einen Baum zu töten
Derzeit schwärme in tieferen Lagen schon die erste Jungkäfergeneration aus – und dann in den kommenden Tagen auch in höheren Lagen, wenn das Wetter warm und trocken bleibt. "Im vergangenen Jahr gab es einen Rekord: Von der Eiablage bis zur fertigen Entwicklung der Käfer hat es im Sommer nur sechs Wochen gedauert", sagt Hahn. Ob es in diesem Jahr auch so schnell geht und wie viele Käfergenerationen insgesamt ausfliegen, das hänge entscheidend von der Witterung ab. "Heiß und trocken ist gut für die Käfer. Zugleich werden die Bäume durch so ein Wetter geschwächt, was die Situation insgesamt zuspitzt." Um eine ausgewachsene Fichte erfolgreich zu besiedeln und zum Absterben zu bringen, erklärt der Experte, brauche es in ganz normalen Jahren nur um die 1000 Buchdrucker.
Um die Käfer in Schach zu halten, kommt es vor allem auf Schnelligkeit an. Als Waldbesitzer sei man verpflichtet, seinen Wald auf einen möglichen Befall hin zu kontrollieren, sagt Hahn. "Befallenes Holz muss umgehend raus aus dem Wald. Die Entfernung muss mindestens 500 Meter betragen." Denn wenn das Holz direkt am Waldrand abgelegt würde, würden die Käfer wieder hineinfliegen. Jetzt könne man noch viel erreichen, indem man eine zweite Generation, deren Geschwisterbrut und die mögliche dritte Generation verhindert und so Wälder erhält und das Ausgangsniveau für 2024 senkt.
Borkenkäfer verbreiten sich nun auch vermehrt im Süden Bayerns
Seit dem vergangenen Spätsommer sieht man in der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft übrigens eine zunehmende Gefährdung im Süden Bayerns. Zuvor war vor allem der Norden Bayerns betroffen. "Im letzten Herbst hat sich dann der Befall über die Donau nach Süden ausgebreitet."
Das zeigt auch die Karte des Borkenkäfer-Monitorings, die fast überall rot ist. Südlich von München indes ist sie noch gelb eingefärbt – aber das heißt nicht, dass die Lage dort entspannt ist. Denn die Farbe Gelb bedeutet immerhin: Warnstufe. Lediglich in einem kleinen Gebiet ganz im Süden des Freistaats, rund um Lenggries im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen und im Süden des Nachbarlandkreises Miesbach ist die Käfer-Karte noch grün. Hier gibt es keinen Hinweis auf eine erhöhte Populationsdichte, zumindest noch nicht.