Ehrenamt. Das Wort geistert durch Sonntagsreden, springt aus vielen Artikeln der Lokalpresse. Ehrenamtspreise winken, die Ehrenamtskarte hierzulande gibt es aber nicht. Das Ehrenamt erfüllt. Und es zermürbt.
Manche sind mit ihrem Ehrenamt fast allein gelassen, während woanders Lorbeerkränze umgehängt werden. Der Landkreis Rhön-Grabfeld will seine Ehrenamtlichen nicht alleine lassen. Deshalb wurde im vergangenen Jahr die Stelle einer Ehrenamtskoordinatorin geschaffen. Linda Denner kümmert sich seitdem um die Unterstützung und Vernetzung der Ehrenamtlichen.
Mehrfachtäter
Hilfe und Unterstützung tut ihnen gut. Das zeigte auch eine Auftaktveranstaltung zur Ehrenamtskoordination im Landratsamt. Der durchschnittliche Ehrenamtliche ist nämlich gerne „Mehrfachtäter“. Womöglich in der Flüchtlingshilfe tätig, aber gleichzeitig auch in einer Selbsthilfegruppe für Erkrankte oder Betroffene. Sich selbst eine Grenze zu setzen, damit einen die Hilfe für andere nicht zerfrisst, das muss man erst lernen. Und das war auch ein wichtiger Rat, den Ursula Erb den etwa 40 Ehrenamtlichen mitgab. Die Niederbayerin ist in der Bundesarbeitsgemeinschaft für das Ehrenamt (bagfa) tätig.
„Grenzen sind etwas ganz Wichtiges. Man muss sich selbst Grenzen setzen, aber auch dem Gegenüber, für das man eintritt“, meinte die Referentin. Nur so bleibe Kraft, um das anspruchsvolle Amt auch weiter zu bekleiden. Oft genug sind die Ehrenamtlichen in Bereichen tätig, wo es auch seelisch an die eigenen Grenzen geht. In der Flüchtlingsarbeit zum Beispiel, wenn man mit schwierigen Lebensschicksalen konfrontiert wird. Oder in der Hospizarbeit mit Schwerkranken und Sterbenden. „Grenzen setzen ist nicht umsonst das erste Thema in der Hospiz-Arbeit“, so Erb.
Fast jeder Zweite im Ehrenamt
Aus der Hospiz-Arbeit im Landkreis waren ebenso Ehrenamtliche vertreten wie aus den Bereichen Sport, Flüchtlingshilfe, Rotes-Kreuz, der Senioren- oder Jugendarbeit. Immerhin sind 42 Prozent der Bayern im Ehrenamt engagiert, fast jeder Zweite auch in Rhön-Grabfeld engagiert sich unentgeltlich für die Gemeinschaft. „Wobei unentgeltlich nicht heißt, dass den Ehrenamtlichen ihre Auslagen nicht erstattet werden sollen, das muss klar sein!“, so die Referentin.
Für Erb ist klar, dass sich mit dem Ehrenamt der Generationenvertrag neu formiert. „Der Staat kann das offenbar nicht mehr leisten“, die Generationen werden sich auch über das Ehrenamt unterstützen, sagt die Fachfrau. Somit schlägt das Ehrenamt ein neues Kapitel seiner Geschichte auf, das mit den ersten Männer-Erenämtern unter Napoleon begann, nach dem Krieg um weibliche Ehrenamtliche erweitert wurde und heute so etwas wie gesellschaftsverändernde Kraft besitzt.
Die innere Haltung
Wer freiwillig ein Ehrenamt antritt, tut dies zuerst aus einer inneren Haltung heraus. Die ändert sich auch nicht, wenn den Ehrenamtlichen immer wieder Steine in den Weg gelegt werden. „Wer backt noch freiwillig einen Kuchen für das Kindergartenfest, wenn der Gesetzgeber Kennzeichnungspflichten verlangt?“, hieß es aus der Runde. Und selbst beim Absingen von Kinderliedern kommt plötzlich die GEMA hinzu und bringt einen Kindergartenvorstand möglicherweise in ie Bredouille.
Tückische EU-Gesetzgebung
Noch brisanter: Die neue europäische Datenschutzgrundverordnung bringt Ehrenamtliche ungewollt, aber schnell in Konflikt mit dem Gesetz. Zum Beispiel die offene, nicht vereinsmäßig organisierte Flüchtlingshilfe. „Wir haben uns einmal die Namen der von uns betreuten Flüchtlinge aufgeschrieben, damit wir eine Übersicht haben“, sagt zum Beispiel die Vertreterin eines Helferkreises.
Gemäß der neuen Verordnung müsste von jedem der Flüchtlinge eine Einverständniserklärung zur Datenspeicherung eingeholt werden. Ein kaum zu leistender Aufwand, der eine ganze Reihe von Vereinen und Organisationen trifft. Die bagfa bietet in dieser aktuellen Frage ihre Unterstützung an, auch Linda Denner verweist auf rechtliche Hilfe aus dem Landratsamt.
Einwirken auf die Politik
Es wird also nicht unbedingt leichter, das Ehrenamt. „Wirken Sie auf Ihre Abgeordneten ein, damit diese die Gesetzgebung beeinflussen“, forderte Erb auf. So wird zum Beispiel erreicht, dass nicht nur Vereine, sondern auch Selbsthilfegruppen ab drei Personen in den Genuss von Förderungen kommen können.
Vielleicht gelingt es, die Öffentlichkeit dazu zu bewegen, noch öfter das wichtige Wörtchen „Danke“ in den Mund zu nehmen. Linda Denner und ihr Team wollen dabei helfen, wenn sie im nächsten Jahr eine Ehrenamtsmesse mit dem Fokus Soziales veranstalten, bei der sich die Vielfalt des Rhön-Grabfelder Ehrenamts vorstellen soll.
„Hier wird den sozialen Einrichtungen die Möglichkeit zur Vorstellung ihrer Arbeit gegeben. So können sich Bürgerinnen und Bürger informieren und sich zu einem Ehrenamt aussprechen. Gleichzeitig soll den aktiven Ehrenamtlichen die Möglichkeit gegeben werden, einmal gesehen zu werden“, so Denner. Das Ehrenamt wird also weiter Kitt der Gesellschaft sein.