Früher war das selbstverständlich: Ein Dorf hatte sein Wirtshaus, Bäcker, Metzger und einen Tante-Emma-Laden. Davon kann heutzutage keine Rede mehr sein. Nur hier und da wird versucht, einen Dorfladen wieder in Gang zu bringen. Doch damit solch ein zartes Pflänzchen gedeihen kann, braucht es viel Idealismus. Aber vor allem benötigt es Kundschaft – und daran hapert es in Willmars. Deshalb hat Betreiber Werner Palancares einen Brandbrief verfasst, um den Teil der Bevölkerung aufzurütteln, der nicht im Dorfladen einkauft.
„Ein Drittel des Dorfes ist Stammkundschaft, die ihren Grundbedarf im Laden deckt, ein Drittel kommt nur im Notfall für Kleinigkeiten, und ein Drittel betritt nie das Geschäft“, schätzt Palancares. „Das kann auf Dauer nicht gutgehen.“ Deshalb hat er jetzt in einem offenen Brief einen Appell an seine Mitbürger gerichtet, das Angebot zu nutzen, das durch einen Dorfladen besteht.
Ein Stück dörfliches Leben
Der Betreiber betrachtet die Einrichtung ohnehin weniger unter einem wirtschaftlichen Aspekt. Er erinnert vielmehr daran, dass er nicht nur die Grundversorgung, sondern ein Stück dörflichen Lebens sichert. "Ein Dorfladen ist mehr als eine Einkaufsstätte und stiftet sozialen Zusammenhalt und Identität", sagt Palancares.
Das hat er vor allem zu Beginn gespürt, als er im Februar 2016 den Laden übernommen hat und er große Unterstützung aus der Bevölkerung erfuhr, um die Räumlichkeiten herzurichten. Dabei wurden Räume für ein Sortiment von 1600 Artikeln geschaffen, in denen sogar ein kleines Café Platz hat.
Absatz zu gering für regionale Produkte
Gern würde Palancares das Angebot auf noch mehr frische Artikel ausweiten, vor allem auf regionale Produkte, doch für die sei der Absatz bisher zu gering. Dazu müssten seine Mitbürger ihr Konsumverhalten ändern.
Der Verkauf solcher hochwertiger Waren würde den Umsatz steigern, weil dabei die Gewinnspanne größer ist. Bisher werden eher die Waren eingekauft, die wenig abwerfen, und die kann er nicht einfach verteuern, weil dann Kundschaft verloren gehen würde. „Höhere Kosten als beim Discounter werden nur bis zu einem gewissen Grad toleriert.“
Fünf Arbeitsplätze sichern
Wirtschaftlich sei der Dorfladen ohnehin nicht lukrativ, versichert Palancares, der vor acht Jahren aus dem Rhein-Main-Gebiet nach Willmars gezogen ist und nach wie vor in der Marktforschung tätig ist. Er denkt aber auch an die fünf Arbeitsplätze, die der Laden sichert, die aber erst einmal finanziert werden müssen. Aber so kann er nicht einmal Investitionen vornehmen, die eigentlich notwendig wären.
Aus diesem Grund trägt er sich auch mit dem Gedanken, die Einrichtung in einen Bürgerladen oder eine Genossenschaft umzuwandeln. In solch einem Fall würden Fördergelder fließen, was den Betrieb erheblich erleichtern würde.
Bürgersprechstunde in der Kaffee-Ecke
Die Unterstützung von Bürgermeister Reimund Voß ist ihm so oder so sicher. „Ich bin überaus froh, dass wir einen Dorfladen haben“, beteuert das Willmarser Ortsoberhaupt. Die Einkäufe erledige zwar seine Frau, dafür trinke er regelmäßig samstags seinen Kaffee im „Dreierlei“ im Laden. Das habe sich inzwischen zu einer „Bürgersprechstunde“ entwickelt, erzählt Voß schmunzelnd. „Die Leute kommen dazu, setzen sich mit an den Tisch und erzählen dann auch mal, wo der Schuh drückt.“
Genau in diesem Sinne versteht Palancares die Bedeutung eines Dorfladens. „Die Leute kommen auch her, um sich auszutauschen – und das ist unerlässlich für eine Gemeinschaft“.