Ein froher Blick und ein gutes Wort: für viele Menschen ist das ein Geschenk. Für Meinrada Böhnlein und Eberharda Schramm ist es gelebte Nächstenliebe. Die Schwestern von der Kongregation der Schwestern von der Schmerzhaften Mutter setzen sich seit Jahrzehnten für Kranke, Hilfsbedürftige und die Kirche vor Ort ein und sind aus Mellrichstadt kaum wegzudenken. Und doch heißt es im Herbst Abschied nehmen: Die Ordensfrauen, die in der Stadt liebevoll Streitel-Schwestern genannt werden, ziehen um in das Ruhestandshaus des Ordens nach Abenberg in Mittelfranken. In Mellrichstadt geht damit eine Ära zu Ende, die mit schönen und auch bleibenden Erinnerungen verbunden ist.
Nach 66 Jahren wird es in der Stadt, in der die Ordensgründerin Franziska Streitel geboren wurde, kein Ordenshaus mehr geben. Das bedauern auch Schwester Meinrada und Schwester Eberharda. Doch ihr Domizil in der Bauerngasse 12 ist nicht seniorengerecht, eine Vielzahl an Stufen macht die Wege im Haus, in den Garten und auch in die benachbarte Kirche St. Kilian beschwerlich. "An manchen Tagen steige ich gut und gerne 150 Stufen auf und ab", zählt Schwester Meinrada auf. Noch kann sie das bewältigen. "Aber ich werde ja nicht jünger." Mit 80 Jahren wünscht sie sich ein barrierefreies Zuhause, ebenso wie Schwester Eberharda, die sich gerade von einer Operation erholt. Die 83-Jährige hat 44 Jahre in Mellrichstadt gelebt und sich aufopferungsvoll für kranke Menschen eingesetzt. Dafür wurde sie 2019 von der damaligen bayerischen Gesundheitsministerin Melanie Huml mit dem "Weißen Engel" ausgezeichnet. Jetzt ist es an der Zeit, an die eigene Gesundheit zu denken.
Das Patrozinium noch einmal gemeinsam feiern
Im Gottesdienst am Pfingstsonntag hat Pfarrer Thomas Menzel die Mitglieder der Kirchengemeinde darüber informiert. Am 12. September wollen die Streitel-Schwestern noch mit der Gemeinde das Patrozinium der Pfarreiengemeinschaft Franziska Streitel feiern, das auch das Patrozinium des Ordens ist. Dann heißt es Abschied nehmen. "Das wird uns schwerfallen", sagen Schwester Meinrada und Schwester Eberharda. Doch der Schritt sei ein Gebot der Vernunft. "Im Seniorenheim der Schwestern in Abenberg sind wir gut aufgehoben", sagen sie. Auch wenn sie Sehnsucht nach "ihrem" Mellrichstadt haben werden. Den Menschen hier werden sie sicher fehlen: Im Stadtbild hatten die Ordensschwestern ihren festen Platz, und ihr Einsatz für Hilfsbedürftige und Kranke wurde stets hochgeschätzt.
Schwester Eberharda hat eine besonders lange und innige Beziehung zu Mellrichstadt und den Menschen in der Region. Mit 23 Jahren, gleich nach dem Noviziat, kam die gelernte Krankenschwester 1961 voller Vorfreude auf ihre neuen Aufgaben im Streustädtchen an. "Ich habe mich hier sofort wohlgefühlt. Die Krankenstation war wie ein Familienbetrieb, in dem ich gut aufgenommen wurde", sagt sie rückblickend. Sie erinnert sich gern an diese Zeit zurück, als es in Mellrichstadt noch zwei Konvente der Streitel-Schwestern gab. Sie arbeiteten damals im Senioren- und Bedürftigenheim im Spital, der heutigen Kreisgalerie, und im alten Krankenhaus in der Friedenstraße (heutige Realschule). Mit dem Neubau des Kreiskrankenhauses und des Franziska-Streitel-Altenheims erfolgte der Umzug an den Hainberg. Ende der 1960er-Jahre wurden die Schwestern von Spital und Krankenhaus zu einem Konvent zusammengefasst und wohnten fortan im Ober- und Dachgeschoss des Kreiskrankenhauses.
Als Schwester Eberharda 1979 nach Bad Windsheim berufen wurde, um die dortige Sozialstation aufzubauen, fiel ihr der Abschied sehr schwer. "Mein Herz hing an Mellrichstadt und der Rhön." 1995 kehrte sie zurück und widmete sich mit ganzer Kraft der Arbeit in der Sozialstation St. Kilian und im Hospizverein. Auch in der Altenheimseelsorge und in Trauergruppen half Schwester Eberharda vielen Menschen, hatte stets ein tröstendes Wort und eine helfende Hand für Leidende und Bedürftige. "Die Nähe zu den Menschen war mir immer wichtig", sagt sie. Und die Freude der Menschen, denen sie dadurch helfen konnte, bleibt ihr in guter Erinnerung. "Schwester, es wird alles gut, wenn nur der liebe Gott gesund bleibt", hat ein Kranker einmal zu ihr gesagt. Ein Satz, der sie bis heute begleitet.
Das erste Licht anzünden und ein Gebet in St. Kilian
Schwester Meinrada kam 2001 nach Mellrichstadt und zog in das neue Schwesternhaus in der Bauerngasse, das 1994 eingeweiht worden war. Die gelernte Erzieherin hatte zuvor lange Jahre in einem Kindergarten in Wolframs-Eschenbach im Bistum Eichstätt gearbeitet, eine Zeit, an die sie auch gern zurückdenkt. In Mellrichstadt war sie als Sakristanin zuständig für den Unterhalt und die Pflege der Kirche. "Bei damals noch drei Messen am Tag war das ein Fulltime-Job", erzählt sie lachend. Dazu sorgte sie für den Kirchenputz, den Blumenschmuck, kümmerte sich um die Gewänder der Ministranten und schloss tagtäglich die Kirche auf und zu. Das tut sie übrigens heute noch. Das erste Licht anzünden und ein Gebet in St. Kilian gehören fest zu Schwester Meinradas Alltag.
Das gute Miteinander mit den Ministranten hat ihre Zeit in Mellrichstadt stark geprägt. Die Arbeit mit den jungen Leuten war ihr stets eine große Freude. Noch heute schauen viele einstige Schützlinge, die längst in andere Gefilde aufgebrochen sind, beim Heimatbesuch bei Schwester Meinrada vorbei oder suchen am Telefon ihren Rat. Nach ihrem 75. Geburtstag hat sie das Amt abgegeben, der gute Kontakt zu den Mesnern und den Ministranten ist geblieben, freut sich die 80-Jährige. "Schwester Meinrada hat eine ganze Generation von Ministranten und Ministrantinnen geprägt", bestätigt Pfarrer Thomas Menzel.
Die Tür im Schwesternhaus stand stets für Hilfesuchende offen
Besuchsdienste im Altenheim und auch Geburtstagsbesuche bei alten und einsamen Menschen ergänzten für die Schwestern die ausgefüllten Tage. "Die Lücke, die sie hier hinterlassen, wird kaum zu füllen sein", weiß auch Pfarrer Menzel. Bedauerlicherweise hat die Corona-Pandemie die Besuchsdienste im vergangenen Jahr stark eingeschränkt beziehungsweise unmöglich gemacht. "Diese Begegnungen fehlen uns sehr", sagen die Schwestern. Ihre Tür stand zudem stets für Hilfesuchende offen, für Pilger auf dem Jakobusweg ebenso wie für Bedürftige, die für die Nacht ein Dach über dem Kopf gesucht haben. "Wir haben für alle Menschen in Not ein Mut machendes Wort und ein frohes Lächeln, wir wollen ihnen zeigen, dass sie so angenommen werden, wie sie sind", schildern die Streitel-Schwestern ihre Berufung, die auf dem Auftrag der Ordensgründerin beruht und bis heute ihrem Wirken zugrunde liegt.
Dass sie die letzten beiden Streitel-Schwestern in Mellrichstadt sind und mit ihrem Weggang eine Ära zu Ende geht, hätten sie sich vor ein paar Jahren noch nicht vorstellen können. Als Thomas Menzel 2012 als Pfarrer und Leiter der Pfarreiengemeinschaft Franziska Streitel nach Mellrichstadt kam, lebten mit Eberharda, Meinrada, Stilla, Stanisla und Klara noch fünf Schwestern im Ordenshaus. Doch der Nachwuchs fehlt, bedauern die Ordensfrauen, und das schon seit Jahrzehnten. Während es in Italien noch eine starke Ordensgemeinschaft gibt, ist der Eintritt junger Frauen in ein Kloster in Deutschland eine Seltenheit geworden. Nicht nur, aber eben auch in der Kongregation der Schwestern von der Schmerzhaften Mutter.
Ab Mitte September wird das Schwesternhaus in der Bauerngasse 12 leer stehen. Das Haus gehört der Kirchenstiftung St. Kilian, so Thomas Menzel, nach einer Lösung, wie es künftig genutzt werden kann, wird gesucht. Die Schwestern, die ihren Lebensabend im Seniorenwohnheim verbringen, wollen indes an ihrem strukturierten Tagesauflauf festhalten, der sie bis ins hohe Alter gut getragen hat. "Die täglichen Anbetungen in unserer Hauskapelle sind bislang fester Bestandteil unseres Tages, hier beten wir viel für die Pfarrei. Ab Herbst beten wir dann an einem anderen Ort, in Abenberg", sagen Schwester Meinrada und Schwester Eberharda. Dass sie beide im Geiste fit und jung geblieben sind, ist für sie vor allem auf das Gebet zurückzuführen: "Beten erhält den Geist."