
Dicht gedrängt steigt eine Gruppe in die Untiefen der Bad Königshöfer Kasematten hinab. Es ist stockduster. Nur eine kleine Taschenlampe beleuchtet den Weg in den Untergrund. Ein modriger Kellergeruch schwappt der Gruppe entgegen. Es ist kurz nach Mitternacht. Die Männer und Frauen nehmen teil an einer der wohl ungewöhnlichsten Stadtrundfahrten, die im Grabfeld aktuell geboten werden: dem Geisterbus.
Der Bus gehört zum Gruseltheater Geister-Meister aus Fulda. Kaum einer in der Gruppe weiß, was ihm gleich im Kellergewölbe blüht: Geister, Foltergeschichten oder gar paranormale Aktivitäten? Die Teilnehmer der Tour sind gekommen, um die schauerlichsten Mythen, Sagen und Legenden der Region im Grabfeld hautnah zu erfahren.

Knapp 50 Horror-Fans nahmen an der Geisterbus-Tour teil
Doch kommen wir zum Anfang: Knapp 50 Personen unterschiedlichen Alters warten auf dem menschenleeren Omnibusbahnhof in Bad Königshofen. Einige rauchen noch entspannt eine Zigarette, andere halten bereits ihre Jacke nah am Körper. Pünktlich um 20 Uhr fährt der Geisterbus an die Haltekante.

Von außen erscheint der Bus recht gewöhnlich. Nur zwei abgehackte blutige Köpfe mit schmerzverzerrtem Gesicht lassen erahnen, dass dies keine Kaffeefahrt ist. Im Inneren zeigt sich das ganze Ausmaß: Spinnenweben, zerrissene Fischernetze und abgehackte Arm und Füße baumeln von der Decke. Die Gruselfans freut es. Die Hälse werden gereckt und es werden eifrig Selfies gemacht.
Mit durchdringendem Blick betritt der Veranstalter die Szene des rollenden Theaters: der Fuldaer Oliver A. Trunk alias "Der Professor". Trunks Verkleidung erinnert an einen englischen Gentleman zu Beginn des 19. Jahrhunderts: eine Weste mit Kette, darüber ein Mantel mit goldenen Knöpfen und ein eleganter Zylinder. Sein Gesicht ist blutverschmiert. Seit knapp neun Jahren veranstaltet Trunk Touren im Schauer und Horror-Genre. Seit diesem Jahr auch in Bad Königshofen.
Bad Königshofen und Umgebung fasziniert durch Mythen, Legenden und Sagenreichtum
Der Bus setzt sich in Bewegung. An der Skate- und Basketballanlage, wo gerade ein paar Jugendliche Körbe werfen, stand vor ein paar Hundert Jahren ein sogenannter "Triller". Dieser Drehkäfig diente zur Bestrafung bei kleinen Vergehen. Weiter geht es zum heutigen Wahrzeichen von Bad Königshofen: dem Rathaus. Dort stand einmal ein Pranger. Auch dort wurden Verbrecher öffentlich vorgeführt. Am Hochgericht, wo heute Einfamilienhäuser stehen, stand sogar ein Galgen.
Als es dämmert, nimmt der Bus Kurs in Richtung Spitalwald. Dort berichtet Trunk, dass hier damals ein gewisser Schultheis den Wald ans Kloster verkauft haben soll, um für seine Familie etwas Brot zu bekommen. Damit stürzte er jedoch die Bürgerinnen und Bürger der Umgebung in den sicheren Tod. Denn der Wald diente ihnen als Nahrungsgrundlage. Noch heute soll sein Geist in Wäldern spuken. Dies erfährt die Reisegruppe am eigenen Leib.
Trunk lotst seine Gäste in den dunklen Wald. Die Blätter raschelten, der Boden knarzt, urplötzlich hört man Schreie. Aus dem Dickicht kommt eine sonderbare Person. Es ist wohl der verfluchte Schultheis. Doch der Professor weiß, wie man mit verfluchten Geistern umgeht: "Nicht bewegen." Der Rat funktioniert, der Geist zieht von dannen.

"Fragt nach solchen Geschichten, bevor es zu spät ist", appeliert Oliver A. Trunk, der Veranstalter des Gruseltheaters
Wieder im Bus geht es nach Herbstadt zum "Vollwertsfräle", wo sonderbare Lichter noch immer die Fantasie der Bewohnerinnen und Bewohner anregen. In einem Wald in Aubstadt an der "Blößeiche", die knapp 500 Jahre auf dem Buckel haben soll, soll eine Kräuterhexe ihr Unwesen treiben. Die Büsche rascheln, doch diesmal, versichert Trunk, ist es der Wald.
Doch so ganz durchschauen kann man den Professor und sein Team, das aus Ramona Beyer alias Fräulein Siegesmund, dem Ehepaar Schmitt und dem Busfahrer Horst Menzel besteht, nie. Zu sehr lieben sie das Katz-und-Maus-Spiel mit den Gästen.
Tief unten in den kühlen Kasematten unterhalb der Festungsanlage ist der Höhepunkt der knapp fünfstündige Tour. Auch unten schlägt der Puls der Horrorfans vermutlich höher, denn auch dort warten Wesen aus der Geisterwelt auf sie.
Am Ende der ungewöhnlichen Stadtrundfahrt wird es doch noch ein bisschen ernster. Trunk verweist auf den Geschichtenreichtum der älteren Generationen. "Das ist der Grund, warum wir es machen". Diese Geschichten sind der Ursprung des Gruseltheaters. "Fragt nach solchen Geschichten, bevor es zu spät ist", fordert Trunk seine Gäste zum Schluss auf, bevor er sie wieder in deren Alltag, ganz ohne Geister, entlässt.