Kreisheimat- und Archivpfleger Reinhold Albert aus Sternberg ist von Kindesbeinen an mit der deutsch-deutschen Teilung eng verbunden. Lag sein Heimatort ja nur wenige Kilometer von der Grenze entfernt. In all den Jahren hat er zum Thema Grenze zahlreiches Bild- und Textmaterial zusammengetragen und in seinen Büchern veröffentlicht. Dass er sich nach der Grenzöffnung weiterhin, vor allem im thüringischen Grabfeld, engagierte, zeigen seine Chroniken. Aber auch ein Blick in sein Archiv. Dort findet man unter anderem das "Feindobjekt Thüringer Blick", den Bayernturm bei Zimmerau.
In der Akte liest man als erstes einen Vorschlag von Oberleutnant Blaufuß vom 10. Juli 1984. Darin heißt es: "Es wird vorgeschlagen, die im westlichen Grenzvorfeld des Kreises Hildburghausen Informationsstellen Breitensee und Dürrenried sowie den Aussichtsturm Sternberg/Zimmerau in einer Feindobjektakte zu bearbeiten." Begründung: Die Einrichtungen der BRD-Landkreise Königshofen und Ebern seien fest in das System der Besichtigungspunkte im bayerischen Zonengrenzgebiet eingegliedert. Sie dienten im Auftrag der bayerischen Staatsregierung der Verbreitung revanchistischen Gedankengutes und seien gegen die Souveränität der DDR gerichtet.
"Leuchtturm" hinüber in die sowjetisch besetzte Zone
Die Grenzlandfahrten werden angesprochen und man vertritt die Meinung, dass "bei den BRD-Bürgern Gefühle der Solidarität mit den DDR-Bürgern und Hass gegen die DDR-Staatsorgane erzeugt werden soll." Es sei nicht auszuschließen, dass diese Einrichtungen als Ausgangspunkte subversiver Handlungen gegen die Staatsgrenze genutzt werden. Der Aussichtsturm Sternberg/Zimmerau war erstmals am 17. Juni 1966 im Rahmen einer Gedenkveranstaltung des Kuratoriums Unteilbares Deutschland eingebunden.
An der offiziellen Eröffnungsveranstaltung im August 1966 nahmen rund 1000 Personen teil. Die Redner bezeichneten den Turm als "Leuchtturm" hinüber in die sowjetisch besetzte Zone und Anziehungspunkt für alle, die ihre Verbundenheit mit den Menschen drüben bekunden wollen. Der Bevölkerung im nahen Thüringen, das einst in enger wirtschaftlicher Verbindung mit dem Grabfeld stand, sollte der Turm zeigen, dass sie nicht vergessen ist, schreibt der Kreisheimatpfleger. In dem Stasi-Bericht folgt nun eine Beschreibung zum Aufbaus des Bayernturms. Von der Plattform des Turmes aus bestünden sehr gute Sichtmöglichkeiten in das Territorium der DDR.
Stasi-Akte: Aussichtsturm für militärische Beobachtung genutzt
Inoffiziell wurde bekannt, so die Stasi-Akte, dass der Aussichtsturm für die militärische Beobachtung des Gebietes der DDR, hauptsächlich von Angehörigen des Bundesgrenzschutzes, der Grenzpolizei und des Zolls genutzt wurde. Wörtlich ist nachzulesen: "Im Mittelpunkt steht die Verbreitung revanchistischen Gedankengutes, das auf die Beseitigung der bestehenden Grenzen und auf die Wiedervereinigung ausgerichtet ist."
Im Zeitraum des Bestehens des Aussichtsturms sei es, entsprechend der jeweiligen Klassenkampfsituation, im Bereich des Objektes zu provokatorischen Handlungen gegen die Staatsgrenze" gekommen. Niedergelegt ist auch, dass 1984 ein inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit nach Zimmerau geschickt wurde, um Gespräche in der Gaststätte mit zunotierte. Dabei sei die Rede von einem geheimen Durchlass am Grenztor bei Rieth gewesen. Außerdem mache die Bevölkerung im Gebiet um Zimmerau einen sehr neugierigen Eindruck.
Interessierte sich die Stasi für Belangloses?
Die DDR-Staatssicherheit interessierte sich offensichtlich für scheinbar völlig belanglose Dinge. So wurde am 4.12.1985 in der Stasi-Kreisdienststelle Hildburghausen notiert, eine Rentnerin, die im Westen weilte, hätte erfahren, dass der Vorsitzende der Turmgemeinschaft Sternberg/Zimmerau Otto Bauer ist. Bauer sei bis zur Eingemeindung Bürgermeister von Zimmerau gewesen und wäre nun Gemeinderat in Sulzdorf. Er sei zuständig für das Auf- und Abschließen des Turmes, die Finanzabrechnung sowie für die Durchführung kleinerer Reparaturarbeiten.
1987 wurde eine Konzeption zur weiteren Bearbeitung der Feindobjektakte "Thüringenblick" erarbeitet. Man kam aber offensichtlich bei der DDR-Staatssicherheit nicht recht voran. Außerdem erschienen die gegen die DDR gerichteten Aktivitäten so gering, dass der betriebene Aufwand nicht im Verhältnis zum Ertrag zu stehen schien. Aus diesem Grund wurde am 1. Februar 1989 ein Einstellungsbericht zur Feindobjektakte "Thüringenblick" verfasst. Mit dem Satz: "Es besteht keine operative Erfordernis zur Weiterbearbeitung", schließt die Feindobjektakte "Thüringerblick".