zurück
Bad Neustadt
Wenn künstliche Intelligenz die Hausaufgaben erledigt: ChatGPT erreicht Rhön-Grabfelds Schulen. Das sagen Lehrer.
Aufsätze, Referate, Hausaufgaben – erste Schüler in Rhön-Grabfeld nutzen ChatGPT bereits. So reagieren Schulleiter im Landkreis auf die Software.
Werden Hausaufgaben künftig zum Kinderspiel? Die KI-Software ChatGPT hat Rhön-Grabfelds Schulen erreicht. Sie wird das Lernen verändern.
Foto: dpa-infografik GmbH | Werden Hausaufgaben künftig zum Kinderspiel? Die KI-Software ChatGPT hat Rhön-Grabfelds Schulen erreicht. Sie wird das Lernen verändern.
Ines Renninger
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:42 Uhr

Noch nie war es so leicht, Hausaufgaben zu machen. Das Tool ChatGPT antwortet in Sekundenschnelle auf Fragen aller Art. Künstlicher Intelligenz sei Dank. Die Mathe-Aufgabe ist zu knifflig, der Französisch-Text unverständlich und für den Aufsatz fehlt noch das richtige Argument? ChatGPT kann's. "Das ist so viel schneller und leichter als in Google", der Neuntklässer ist fasziniert. Zwei Wochen ist es her, dass der Gymnasiast aus Rhön-Grabfeld ChatGPT für sich entdeckt hat.

Ein Freund hat ihm von dem Tool erzählt.  Inzwischen nutzt der Jugendliche die Software täglich. Auch für Schularbeiten. Ob und inwieweit das zulässig ist, weiß er nicht. Im Gespräch mit dieser Redaktion will er deshalb anonym bleiben.

Umgang mit ChatGPT: Noch warten die Schulen auf Handreichungen des Kultusministeriums

Würde er offiziell bei seinen Lehrern anfragen, er bekäme wohl auch von ihnen dieser Tage keine einfache Antwort. KI-Tools wie ChatGPT werden Schule und Lernen verändern – das ist allen befragten Rhön-Grabfelder Schulleitern bewusst. "Aber noch befinden wir uns in einer sehr frühen Phase", sagt Oliver Süssner, stellvertretender Schulleiter des Bad Neustädter Rhön-Gymnasiums.

Konkrete Handreichungen zum Umgang mit dem Tool gibt es bislang nicht. Man warte noch auf eine Verlautbarung dazu aus dem Kultusministerium, sagt Schulleiter Wolfgang Klose vom Gymnasium in Bad Königshofen.

ChatGPT: Wie viele Schüler nutzen den Chatbot bereits?

Schwierigkeiten oder Probleme rund um das Tool, zeigt die Kurz-Umfrage an den Rhön-Grabfelder Bildungseinrichtungen, seien aber derzeit noch nirgends aufgetreten. "Bislang ist noch kein Handlungsbedarf angezeigt", so Klose.

Die Einschätzung der Schulleiter, ob und wie viele ihrer Schüler den Chatbot inzwischen schon nutzen, variiert stark. Auch wenn Uneinigkeit über den Ist-Zustand herrscht, perspektivisch sind sich alle einig. "Das wird ein Riesen-Thema", formuliert es Schulleiter Robert Jäger vom Martin-Pollich-Gymnasium in Mellrichstadt.

Wofür nutzen Jugendliche ChatGPT dieser Tage?

Besagter Neuntklässer ist überzeugt: Die große Ausnahme, gar ein Exot, sei er nicht. Er weiß mindestens von fünf weiteren Jugendliche aus seiner Klasse, die derzeit schon ChatGPT im Einsatz haben. Und es seien nicht nur jene, die digital besonders affin sind.

ChatGPT kann sekundenschnell Texte schreiben, die kaum von denen eines Menschen zu unterscheiden sind. Wie Schulleiter aus dem Landkreis das finden.
Foto: dpa / Frank Rumpenhorst | ChatGPT kann sekundenschnell Texte schreiben, die kaum von denen eines Menschen zu unterscheiden sind. Wie Schulleiter aus dem Landkreis das finden.

Wofür er ChatGPT nutzt? Als Übersetzungshilfe, um einen Aufsatz zu schreiben oder fürs Finden von Argumenten in Vorbereitung auf eine Debatte. "Ich nutze es auch außerhalb der Schule." Etwa, wenn er ein Gericht kochen möchte und ein entsprechendes Rezept sucht.

Sind ChatGPT-Texte für Lehrer erkennbar?

Ob er sich sorgt, dass seine Lehrerinnen und Lehrer bemerken könnten, dass ein Text nicht von ihm, sondern aus der Feder der künstlichen Intelligenz stammt? Der Jugendliche schmunzelt: "Eigentlich nicht." Die Antwort, "ich habe einfach viel gelernt", müsse die Lehrkraft erst einmal widerlegen. Zumal man den Chatbot gezielt bitten könne, etwa einen Aufsatz auf Durchschnitts-Niveau eines Neuntklässlers zu verfassen. Das Ergebnis findet der Jugendliche erstaunlich überzeugend.

Offizielle Diskussionrunden oder Gespräche zwischen Lehrern und Schülern zu ChatGPT gab es in der Klasse des Neuntklässers bislang nur vereinzelt. Ein Lehrer, berichtet der Neuntklässer, habe erzählt, dass er eine Software nutzt, die erkennen könne, ob ein Text von ChatGPT generiert wurde. Doch auch dafür kennt der Neuntklässer bereits ein Gegenmittel: QuillBot, ein Online-Paraphrasierungs-Tool, könne die von ChatGPT generierten Texte umschreiben und damit den Ursprung unkenntlich machen.

Welche Handhabe haben Lehrer, wenn sie den Text-Urheber anzweifeln?

Schulleiter Wolfgang Klose vom Bad Königshöfer Gymnasium zweifelt nicht daran, dass Kolleginnen und Kollegen, die mit ihren Schützlingen und deren Arbeiten vertraut sind, den Unterschied sehen: "Die werden wahrscheinlich stutzig werden und Auffälligkeiten bemerken", glaubt er.

Umfrage
Ted wird geladen, bitte warten...

Doch was dann? Natürlich, so Klose, könne man sagen: "Das stammt nicht von dir." Das Problem, dass Unterschleif aber eigentlich im Prozess des Entstehens erkannt werden muss, bleibt bestehen. Könne kein Betrug nachgewiesen werden, müsse das Produzierte als Eigenleistung gewertet werden. Am Ende bleibe nur ein offenes Gespräch mit den Betroffenen und deren Eltern. "Und der Hinweis, dass man sich am Ende selbst belügt und betrügt und im Ernstfall nackt dastehen könnte." 

ChatGPT: Inwiefern Schulen künftig Anforderungen umformulieren müssen

Jürgen Seidenzahl, Leiter der Grabfeld-Mittelschule in Bad Königshofen, hat sich vor einigen Tagen selbst bei ChatGTP angemeldet. Seither ist er überzeugt: Das wird gar nicht so einfach, da von offizieller Seite Vorgaben zu machen: "Denn die müssen hieb- und stichfest sein."

In der Mittelschule, glaubt er, werden Schüler das Tool in erster Linie zu Hause nutzen, etwa um an Informationen für ihre Referate zu kommen. Schule werde deshalb nicht umhinkommen, "Anforderungen umzuformulieren". Nicht das Liefern von Informationen, ist Seidenzahl überzeugt, sondern das Verstehen von Sachverhalten muss künftig noch stärker als bisher bewertet werden. 

Annehmen statt verteufeln: So reagieren Schulleiter auf ChatGPT

Das sieht Schulleiter Robert Jäger vom Martin-Pollich-Gymnasium in Mellrichstadt ähnlich: Eine Lösung sieht er darin, Referate etwas anders zu stellen und vor allem Seminararbeiten in der Oberstufe noch enger im Entstehungsprozess zu begleiten, über Quellen zu disktuieren. Da dürfe nicht nur am Ende aufs Ergebnis gesehen werden. 

Auch Jäger nutzt ChatGPT seit einigen Wochen. Seine Devise: Annehmen und nicht verteufeln oder sich sträuben. Vielmehr denkt er an das Leben seiner Schülerinnen und Schüler in den Jahren 2050/2060. "Das ist ihr Leben!" Darauf müsse Schule sie vorbereiten.

ChatGPT: Wird sich die Software positiv auf die Kritikfähigkeit Jugendlicher auswirken?

Viele Aspekte in Auseinandersetzung mit dem Thema Künstliche Intelligenz sieht er als bereichernd: "Es zwingt uns, stärker auf moderne Kompetenzen Wert zu legen." Etwa, dass man mit anderen über Ergebnisse kommuniziert und sich mit Informationen kritisch auseinandersetzt. 

Eine Garantie, dass die Antworten von ChatGPT den Fakten entsprechen, gibt es nicht. Das weiß natürlich auch der Neuntklässler aus Rhön-Grabfeld. "Noch ist es nicht 100 Prozent perfekt." Spannend findet er aber, wie das Tool dazu lernt. "Alle Infos, die wir eingeben, tragen dazu bei, dass es sich verbessert."

Er ist sich sicher, dass der Zugriff eines Tages nicht mehr kostenlos möglich sein wird. Ob er dann bereit sei zu zahlen? Sicher ist er sich da noch nicht. Auch, wenn er die Software inzwischen mehrmals täglich im Einsatz hat.

Gratis sei der Einsatz ja auch derzeit nur bedingt, weiß der Jugendliche. "ChatGPT sammelt deine Daten. Die haben deinen Namen, deine Telefonnummer und deine E-Mail-Adresse. Du bist das Produkt." Unkritisch klingt zumindest diese Antwort schon einmal nicht.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Bad Neustadt
Mellrichstadt
Bad Königshofen
Ines Renninger
Google
Grabfeld-Mittelschule Bad Königshofen
Gymnasiasten
Gymnasium Bad Königshofen
Hausaufgaben
KI-Serie
Martin-Pollich-Gymnasium Mellrichstadt
Mittelschule Bad Bocklet
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • R2D2-001
    Vielleicht kann man ja mit ChatGPT sogar auch intelligentere Mainpost-Kommentare generieren, darauf freue ich mich grinsen
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • dbuettner0815@gmail.com
    @R2D2 : Die Hilfe können sie ja dann nutzen!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • dbuettner0815@gmail.com
    Da kann man sich bald den Weg in den Unterricht sparen. Warum lernen? - KI machts doch eigentlich unnötig! Auf die genialste Erfindung warte ich schon lang - eine Maschine bzw. Roboter, der mich am Arbeitsplatz vertritt! 🤣
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • oechler
    Nur gut dass die Digitalisierung in den Schulen weiter vorangetrieben wird *ironieoff*
    Die Geister die ich rief...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • FischersFritz
    Das sieht schwer danach aus, als böte sich hier nach den elektronischen Medien die nächste große Möglichkeit für das Kultusministerium und die Schulen, eine gesellschaftliche Umwälzung komplett zu ignorieren.

    Es wird nicht mehr lange dauern und die Lehrer und Professoren werden KIs einsetzen um zu erkennen, ob die Arbeiten der Schüler und Studenten von KIs erstellt wurden.

    Aber leider wird wieder niemand darüber nachdenken, ob und wie unser Schulsystem und unsere Lehrpläne reformiert werden müssen, um die vermittelten Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten an die digitale Gegenwart anzupassen.

    So viel verschwendete Zeit, so viel verschwendetes Potenzial … nur weil man unser Bildungssystem bräsig in epischer Rückständigkeit verweilen lässt …

    Aber andererseits scheint es uns ja auch (noch) gut genug zu gehen, dass wir seelig verschnorcht an einem über 200 Jahre alten Bildungskonzept festhalten können … die Frage ist nur: Wie lange noch? Die Welt um uns herum schläft halt nicht mit!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • ralfestenfeld@aol.com
    Dieses Angebot ist präsent. Und damit wird es genutzt. Die Folgen werden desaströs sein. Nicht nur für die Einzelnen, sondern für uns Alle. Künstliche Intelligenz kann keine individuelle Entwicklung fördern. Das schlicht sich qua Definition aus.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • FischersFritz
    Als die Eisenbahn erfunden wurde gab es Prognosen, dass die Passagiere bei der schnellen Fahrt „wahnsinnig“ werden würden … 😉

    Ja, die KI ist ein Entwicklungssprung – und ich will die damit verbundenen Gefahren keinesfalls beiseite wischen oder kleinreden ...

    Aber letztendlich ist es auch nur eine technische Entwicklung – die wir versuchen müssen, sinnvoll zu nutzen und zu kontrollieren. Das Internet hat auch die gesamte Welt umgekrempelt – aber war es deswegen zwangsläufig ein „Desaster“? Ich denke nicht …

    Die Schulen wären jetzt gefordert, die nächste Generation auf diesen technologischen Evolutionssprung vorzubereiten … die Frage ist, wie bringt man diese fleischgewordenen Fortschrittsverweigerer unseres Bildungssystems nur dazu?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • dietmar@eberth-privat.de
    Gruselig wird es, wenn sich im Klassenzimmer sowohl auf Schüler- als auch Lehrerseite nur noch ChatGPT-Bots gegenüberstehen
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten