Noch nie war es so leicht, Hausaufgaben zu machen. Das Tool ChatGPT antwortet in Sekundenschnelle auf Fragen aller Art. Künstlicher Intelligenz sei Dank. Die Mathe-Aufgabe ist zu knifflig, der Französisch-Text unverständlich und für den Aufsatz fehlt noch das richtige Argument? ChatGPT kann's. "Das ist so viel schneller und leichter als in Google", der Neuntklässer ist fasziniert. Zwei Wochen ist es her, dass der Gymnasiast aus Rhön-Grabfeld ChatGPT für sich entdeckt hat.
Ein Freund hat ihm von dem Tool erzählt. Inzwischen nutzt der Jugendliche die Software täglich. Auch für Schularbeiten. Ob und inwieweit das zulässig ist, weiß er nicht. Im Gespräch mit dieser Redaktion will er deshalb anonym bleiben.
Umgang mit ChatGPT: Noch warten die Schulen auf Handreichungen des Kultusministeriums
Würde er offiziell bei seinen Lehrern anfragen, er bekäme wohl auch von ihnen dieser Tage keine einfache Antwort. KI-Tools wie ChatGPT werden Schule und Lernen verändern – das ist allen befragten Rhön-Grabfelder Schulleitern bewusst. "Aber noch befinden wir uns in einer sehr frühen Phase", sagt Oliver Süssner, stellvertretender Schulleiter des Bad Neustädter Rhön-Gymnasiums.
Konkrete Handreichungen zum Umgang mit dem Tool gibt es bislang nicht. Man warte noch auf eine Verlautbarung dazu aus dem Kultusministerium, sagt Schulleiter Wolfgang Klose vom Gymnasium in Bad Königshofen.
ChatGPT: Wie viele Schüler nutzen den Chatbot bereits?
Schwierigkeiten oder Probleme rund um das Tool, zeigt die Kurz-Umfrage an den Rhön-Grabfelder Bildungseinrichtungen, seien aber derzeit noch nirgends aufgetreten. "Bislang ist noch kein Handlungsbedarf angezeigt", so Klose.
Die Einschätzung der Schulleiter, ob und wie viele ihrer Schüler den Chatbot inzwischen schon nutzen, variiert stark. Auch wenn Uneinigkeit über den Ist-Zustand herrscht, perspektivisch sind sich alle einig. "Das wird ein Riesen-Thema", formuliert es Schulleiter Robert Jäger vom Martin-Pollich-Gymnasium in Mellrichstadt.
Wofür nutzen Jugendliche ChatGPT dieser Tage?
Besagter Neuntklässer ist überzeugt: Die große Ausnahme, gar ein Exot, sei er nicht. Er weiß mindestens von fünf weiteren Jugendliche aus seiner Klasse, die derzeit schon ChatGPT im Einsatz haben. Und es seien nicht nur jene, die digital besonders affin sind.
Wofür er ChatGPT nutzt? Als Übersetzungshilfe, um einen Aufsatz zu schreiben oder fürs Finden von Argumenten in Vorbereitung auf eine Debatte. "Ich nutze es auch außerhalb der Schule." Etwa, wenn er ein Gericht kochen möchte und ein entsprechendes Rezept sucht.
Sind ChatGPT-Texte für Lehrer erkennbar?
Ob er sich sorgt, dass seine Lehrerinnen und Lehrer bemerken könnten, dass ein Text nicht von ihm, sondern aus der Feder der künstlichen Intelligenz stammt? Der Jugendliche schmunzelt: "Eigentlich nicht." Die Antwort, "ich habe einfach viel gelernt", müsse die Lehrkraft erst einmal widerlegen. Zumal man den Chatbot gezielt bitten könne, etwa einen Aufsatz auf Durchschnitts-Niveau eines Neuntklässlers zu verfassen. Das Ergebnis findet der Jugendliche erstaunlich überzeugend.
Offizielle Diskussionrunden oder Gespräche zwischen Lehrern und Schülern zu ChatGPT gab es in der Klasse des Neuntklässers bislang nur vereinzelt. Ein Lehrer, berichtet der Neuntklässer, habe erzählt, dass er eine Software nutzt, die erkennen könne, ob ein Text von ChatGPT generiert wurde. Doch auch dafür kennt der Neuntklässer bereits ein Gegenmittel: QuillBot, ein Online-Paraphrasierungs-Tool, könne die von ChatGPT generierten Texte umschreiben und damit den Ursprung unkenntlich machen.
Welche Handhabe haben Lehrer, wenn sie den Text-Urheber anzweifeln?
Schulleiter Wolfgang Klose vom Bad Königshöfer Gymnasium zweifelt nicht daran, dass Kolleginnen und Kollegen, die mit ihren Schützlingen und deren Arbeiten vertraut sind, den Unterschied sehen: "Die werden wahrscheinlich stutzig werden und Auffälligkeiten bemerken", glaubt er.
Doch was dann? Natürlich, so Klose, könne man sagen: "Das stammt nicht von dir." Das Problem, dass Unterschleif aber eigentlich im Prozess des Entstehens erkannt werden muss, bleibt bestehen. Könne kein Betrug nachgewiesen werden, müsse das Produzierte als Eigenleistung gewertet werden. Am Ende bleibe nur ein offenes Gespräch mit den Betroffenen und deren Eltern. "Und der Hinweis, dass man sich am Ende selbst belügt und betrügt und im Ernstfall nackt dastehen könnte."
ChatGPT: Inwiefern Schulen künftig Anforderungen umformulieren müssen
Jürgen Seidenzahl, Leiter der Grabfeld-Mittelschule in Bad Königshofen, hat sich vor einigen Tagen selbst bei ChatGTP angemeldet. Seither ist er überzeugt: Das wird gar nicht so einfach, da von offizieller Seite Vorgaben zu machen: "Denn die müssen hieb- und stichfest sein."
In der Mittelschule, glaubt er, werden Schüler das Tool in erster Linie zu Hause nutzen, etwa um an Informationen für ihre Referate zu kommen. Schule werde deshalb nicht umhinkommen, "Anforderungen umzuformulieren". Nicht das Liefern von Informationen, ist Seidenzahl überzeugt, sondern das Verstehen von Sachverhalten muss künftig noch stärker als bisher bewertet werden.
Annehmen statt verteufeln: So reagieren Schulleiter auf ChatGPT
Das sieht Schulleiter Robert Jäger vom Martin-Pollich-Gymnasium in Mellrichstadt ähnlich: Eine Lösung sieht er darin, Referate etwas anders zu stellen und vor allem Seminararbeiten in der Oberstufe noch enger im Entstehungsprozess zu begleiten, über Quellen zu disktuieren. Da dürfe nicht nur am Ende aufs Ergebnis gesehen werden.
Auch Jäger nutzt ChatGPT seit einigen Wochen. Seine Devise: Annehmen und nicht verteufeln oder sich sträuben. Vielmehr denkt er an das Leben seiner Schülerinnen und Schüler in den Jahren 2050/2060. "Das ist ihr Leben!" Darauf müsse Schule sie vorbereiten.
ChatGPT: Wird sich die Software positiv auf die Kritikfähigkeit Jugendlicher auswirken?
Viele Aspekte in Auseinandersetzung mit dem Thema Künstliche Intelligenz sieht er als bereichernd: "Es zwingt uns, stärker auf moderne Kompetenzen Wert zu legen." Etwa, dass man mit anderen über Ergebnisse kommuniziert und sich mit Informationen kritisch auseinandersetzt.
Eine Garantie, dass die Antworten von ChatGPT den Fakten entsprechen, gibt es nicht. Das weiß natürlich auch der Neuntklässler aus Rhön-Grabfeld. "Noch ist es nicht 100 Prozent perfekt." Spannend findet er aber, wie das Tool dazu lernt. "Alle Infos, die wir eingeben, tragen dazu bei, dass es sich verbessert."
Er ist sich sicher, dass der Zugriff eines Tages nicht mehr kostenlos möglich sein wird. Ob er dann bereit sei zu zahlen? Sicher ist er sich da noch nicht. Auch, wenn er die Software inzwischen mehrmals täglich im Einsatz hat.
Gratis sei der Einsatz ja auch derzeit nur bedingt, weiß der Jugendliche. "ChatGPT sammelt deine Daten. Die haben deinen Namen, deine Telefonnummer und deine E-Mail-Adresse. Du bist das Produkt." Unkritisch klingt zumindest diese Antwort schon einmal nicht.
Die Geister die ich rief...
Es wird nicht mehr lange dauern und die Lehrer und Professoren werden KIs einsetzen um zu erkennen, ob die Arbeiten der Schüler und Studenten von KIs erstellt wurden.
Aber leider wird wieder niemand darüber nachdenken, ob und wie unser Schulsystem und unsere Lehrpläne reformiert werden müssen, um die vermittelten Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten an die digitale Gegenwart anzupassen.
So viel verschwendete Zeit, so viel verschwendetes Potenzial … nur weil man unser Bildungssystem bräsig in epischer Rückständigkeit verweilen lässt …
Aber andererseits scheint es uns ja auch (noch) gut genug zu gehen, dass wir seelig verschnorcht an einem über 200 Jahre alten Bildungskonzept festhalten können … die Frage ist nur: Wie lange noch? Die Welt um uns herum schläft halt nicht mit!
Ja, die KI ist ein Entwicklungssprung – und ich will die damit verbundenen Gefahren keinesfalls beiseite wischen oder kleinreden ...
Aber letztendlich ist es auch nur eine technische Entwicklung – die wir versuchen müssen, sinnvoll zu nutzen und zu kontrollieren. Das Internet hat auch die gesamte Welt umgekrempelt – aber war es deswegen zwangsläufig ein „Desaster“? Ich denke nicht …
Die Schulen wären jetzt gefordert, die nächste Generation auf diesen technologischen Evolutionssprung vorzubereiten … die Frage ist, wie bringt man diese fleischgewordenen Fortschrittsverweigerer unseres Bildungssystems nur dazu?