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Unterweißenbrunn
Das Reinheitsgebot ist manchen Bierbrauern ein Dorn im Auge: Warum Wasser, Hopfen, Hefe und Malz nicht reichen
Beim Treffen der deutschen Kreativbrauer in der Rhön ging es um die Wiederbelebung einer längst vergessenen Biersorte, dem Grutbier. Was kommt da rein?
Norbert Krines beim Blick in die Sudpfanne. In der Pfanne wird das Bier eingemaischt. Dieser Prozess ist notwendig, damit die Bierhefe später arbeiten kann.
Foto: Kai Kunzmann | Norbert Krines beim Blick in die Sudpfanne. In der Pfanne wird das Bier eingemaischt. Dieser Prozess ist notwendig, damit die Bierhefe später arbeiten kann.
Kai Kunzmann
 |  aktualisiert: 28.04.2024 02:38 Uhr

Hopfen, (Gersten-)Malz, Hefe und Wasser – aus diesen Zutaten wird Bier gebraut. Im Biergesetz ist dies sogar lebensmittelrechtlich vorgeschrieben. Umgangssprachlich ist dieses Gesetz den meisten als sogenanntes "Reinheitsgebot" bekannt.

Seinen Ursprung hat das Gebot im 16. Jahrhundert. Um genau zu sein, am 23. April 1516. Es soll gewährleisten, dass Bier ein reines Naturprodukt bleibt und die Tradition des althergebrachten Brauens bewahrt wird.

Das Reinheitsgebot hat einen Haken

Einen Haken hat die Sache. Es schränkt die Kreativität von Brauerinnen und Brauern ein. Denn: Wer mit weiteren Zutaten brauen möchte, muss aufwendig eine Ausnahmegenehmigung beantragen. Ändern will das der Bundesverband Deutscher Kreativbrauer, der sich am vergangenen Sonntag zum gemeinsamen Brauen in Unterweißenbrunn getroffen haben. Was sind ihre Ziele und welche Biersorte haben sie dort gebraut?

Kreativbrauer bei der Arbeit.
Foto: Kai Kunzmann | Kreativbrauer bei der Arbeit.

Bierbrauen nach altem Rezept

"Kreativsud 2024" – so lautete der Titel der Zusammenkunft. Eingefunden dafür hatten sich knapp 10 Vereinsmitglieder aus ganz Deutschland. Unter anderem aus Hannover, Zwickau und Bamberg. Der Grund für ihr Treffen im historischen Dorfbrauhaus in Unterweißenbrunn war die Wiederbelebung einer längst vergessenen Biersorte, dem sogenannten Grutbier. Seinen Ursprung hat das Grutbier im Mittelalter.

Dem Reinheitsgebot entspricht diese Biersorte jedoch nicht. Und zwar aus einem Grund: "In Süddeutschland wächst Hopfen gut, deshalb gab es dort relativ früh Hopfenbiere. Man hat den Hopfen zum Würzen von Bier und zum anderen auch zum Haltbarmachen genutzt. In Mittel- und Norddeutschland war Hopfen damals knapp. Deshalb hat man dort auch andere Pflanzen genutzt, wie zum Beispiel Kräuter. Zu Grutbieren könnte man heute Kräuterbiere sagen", erklärt Norbert Krines, der Geschäftsführer des Vereins.

Die Arbeit auf der historischen Bieranlage erfordert viel Fingerspitzengefühl und vor allem Geduld.
Foto: Kai Kunzmann | Die Arbeit auf der historischen Bieranlage erfordert viel Fingerspitzengefühl und vor allem Geduld.

Ein Bier mit mehr als vier Zutaten

Er selbst ist aktiver Hobbybrauer und hat schon zwei Bücher über Bier geschrieben. Durch die Versteifung auf die vier Grundzutaten sei die große und breite Vielfalt, die die deutsche Biertradition mal ausgemacht hatte, in Vergessenheit geraten. Kräuterbiere, Gewürzbiere, Biere mit Früchten und viele mehr sind deshalb heute nicht mehr bekannt.

Bei der Auswahl der Zutaten setzt der Verein auf natürliche Rohstoffe. In ihr Grutbier kommen neben Hopfen auch verschiedene Kräuter wie wilder Rosmarin, Anis, Kümmel, Wacholderbeeren, Schafgarbe, Salbei und Koriander.

"Wenn wir abseits vom Reinheitsgebot brauen, legen wir Wert darauf, dass wir nur mit natürlichen Zutaten brauen. Das heißt, wenn da was nach Vanille schmeckt, dann weil Vanille drin ist. Konzentrate und künstliche Hilfsstoffe lehnen wir komplett ab", so Krines.

Anders als bei modernen Brauanlagen, müssen sich die Brauerinnen und Brauer bei alten Anlagen auf ihr Gefühl verlassen.
Foto: Kai Kunzmann | Anders als bei modernen Brauanlagen, müssen sich die Brauerinnen und Brauer bei alten Anlagen auf ihr Gefühl verlassen.

Bierbrauen auf einer alten Anlage ist Gefühlssache

Doch bevor überhaupt mit dem Brauen begonnen werden konnte, mussten im historischen Brauhaus einige Vorbereitungen getroffen werden. "Die alte Anlage musste geputzt, die Rostpartikel aus der Sudpfanne, in der eingemaischt wird, entfernt und der Holzofen ordentlich vorgeheizt werden", so Tino Viernickel, der aktuelle Pächter des Dorfbrauhauses.

Anders als bei modernen Brauanlagen, die mit zahlreichen technischen Systemen ausgestattet sind, müssen sich die Brauerinnen und Brauer hier auf ihr Gefühl verlassen. Besonders, weil auf der alten Anlage noch über offenem Feuer gebraut wird. "Man tastet sich ran. Schaut, was geht und was nicht geht. Man drückt nicht einfach nur drei, vier Knöpfe, sondern das ist tatsächlich noch echtes Handwerk", so Krines.

Sie haben sich im Verein der Deutschen Kreativbrauer zusammengeschlossen.
Foto: Kai Kunzmann | Sie haben sich im Verein der Deutschen Kreativbrauer zusammengeschlossen.

Vergärung und Reifung in den eigenen Kellern

Wie viel Bier am Ende des Brauprozesses übrig bleibt, ist schwer abzuschätzen: "Geplant sind so Pi mal Daumen 13 Hektoliter. Wobei, mit so einer Anlage ist es natürlich nochmal besonders. Hinterher wird sich zeigen, wie viel tatsächlich herauskommt", so der Geschäftsführer des Vereins. Bis zum ersten Schluck der Eigenkreation braucht es aber noch etwas Geduld. Denn im Brauhaus wird lediglich die Bierwürze hergestellt. "

Vergärung und Reifung geschahen früher im jeweiligen Keller des Kommun-Brauers, der das fertige Bier dann in seiner Gaststube oder Buschenschänke anbot. "In Sinne dieser Tradition nehmen auch unsere Kreativbrauer die Würze zum Vergären und Lagern mit in ihre jeweilige Brauerei", erklärt Krines.

Auch im nächsten Jahr wird sich der Verein wieder treffen. Wo und welche Biersorte sie brauen werden, ist allerdings noch nicht klar. Eines ist aber sicher. Getreu ihres Mottos "Natürlich geht mehr" wird es mehr als die traditionellen Zutaten enthalten.

Im Läuterbottich werden die Feststoffe abgesiebt und die Flüssigkeit abgezogen.
Foto: Kai Kunzmann | Im Läuterbottich werden die Feststoffe abgesiebt und die Flüssigkeit abgezogen.
 
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  • Claus Lurz
    Man darf das Reinheitsgebot ruhig auch mal grundsätzlich in Frage stellen und sich fragen, ob da nicht einfach viel Marketing-Strategie dahinter steckt. Der Name "Reinheitsgebot" ist eine Erfindung des 20. Jahrhunderts.
    Nach der als Reinheitsgebot bezeichneten Passage der bayerischen Landesordnung von 1516 ist Wasser, Gerste und Wasser erlaubt. Keine Rede von vermälztem Getreide und auch nicht von Weizen. Das hat sich im Laufe der Jahrhunderte gewandelt, sodass heute auch ein Weizenbier dem RHG entspricht. Gleichzeitig sind nach dem Gebot heute u.a. die Verwendung von Hopfenextrakten oder Poly­vinylpyrrolidon zum Filtern erlaubt. Lecker.
    Das RHG dient vor allem einer Sache, die wir in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland gut beobachten konnten: Einer Vereinheitlichung. Bier muss immer gleich schmecken und gut ausschauen.
    Das einzig positive, was ich dem (R)Einheitsgebot abgewinnen kann, ist, dass dazu beiträgt, den heimischen Markt zu schützen. Leider behindert es Vielfalt.
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  • Wolfgang Sobtzick
    "... und sich fragen, ob da nicht einfach viel Marketing-Strategie dahinter steckt." Da muss man gar nicht fragen, das ist so.
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  • Wolfgang Sobtzick
    "Seinen Ursprung hat das Gebot im 16. Jahrhundert. Um genau zu sein, am 23. April 1516."
    Um noch genauer zu sein: Das Reinheitsgebot hat seine Ursprünge weit vor dem 16. Jahrhundert. Und zwar nicht in Bayern, sondern in Augsburg, Bamberg, Nürnberg, u.a., weit bevor diese Orte okkupiert wurden...
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  • Michael Gebert
    Ich raten Ihnen, Ihren Horizont dahingehend einmal zu erweitern. Nur weil es nicht wie die Masse nach dem RHG gebraut wurde, heißt das bei Weitem noch nicht, dass es nicht schmeckt und keine Daseinsberechtigung hat.
    Es gibt in diesem Bereich extrem viele sehr gute Biere!
    RHG ja, aber auch für Brauspezialitäten abseits davon, sollte der Begriff Bier verwendet werden dürfen. Es ist nunmal auch eines.
    NICHT nach RHG als Hinweis wäre völlig ausreichend. Die Entscheidung über den Kauf liegt dann alleine beim Kunden.
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  • Peter Koch
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  • Gerhard Zwierlein
    dem alten Sokrates haben sie damals Schierling mit rein....oder war das gar kein Bier ? (Ironie) ... die jedenfalls ists Bier wenn es nach den Reinheitsgebot gebraut wird. Wer Kreativ sudeln will soll das tun . Aber er sollte es nicht Bier nennen. Aber unter dem Deckmäntelchen des Biers wird so Zeugs gebraut...ne nennt s halt Sudl oder Kreativl. Aber Bier mit Chilli, Rosmarin, Anis, Kümmel, Wacholderbeeren, Schafgarbe, Salbei, Koriander ? Oder doch mit Tollkirsche und Schierling.... Also meins is das nicht. Und Bier ists, wenn es nach dem Reinheitsgebot gebraut ist. Kümmel-Anis?
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  • Peter Koch
    Vom Pax Bräu gibt es immer wieder solche Spässe, die heißen dann z.B. "Brauspezialität mit Basilikum" und ausdrücklich nicht Bier. So ist das OK.
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  • Peter Koch
    Die Altvorderen taten auch Bilsenkraut, Tollkirsche und im Orient Hanf oder Mohn in das Bier damit es ordentlich knallte.
    Deshalb gab es seit Hammurapi von Babylon diverse Reinheitsgebote und das ist gut so und soll so bleiben.
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  • Johannes Metzger
    ABER Hanf im Bier ist nichts neues. Die Dischinger Härtsfeldbrauerei hat schon Ärger ein Hanfbier im Angebot. Da Hopfen ja auch ein Hanfgewächs ist, sollte Cannabis im Bier kein Problem darstellen.
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  • Peter Koch
    Hanf Beer-Mix, nicht Bier; nennt sich das und enthält ausser 5% Alkohol keine Droge.
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