
Sie versammeln sich spontan, sagen sie. Sie laufen friedlich mit Lichtern und Kerzen durch die Straßen der Städte, um ihre Sichtweise zur Corona-Politik kundzutun. In Bad Neustadt, Bad Kissingen, Hammelburg und Schweinfurt war das in der vergangenen Woche der Fall. Und auch in der kommenden Woche soll es zu diesen Spaziergängen kommen, auch wieder in Bad Neustadt. Das ist einer Liste im Messengerdienst Telegram zu entnehmen.
Versammlungsleiter nicht auszumachen
Nach dem ersten größeren Menschenauflauf am Montag haben sich Behördenvertreter nun in Bad Neustadt getroffen, um sich für weitere Aktionen abzustimmen. Erste Fazit: Eine Versammlung für den Montag ist offiziell nicht angezeigt, ein konkreter Versammlungsleiter nicht auszumachen - trotz behördlicher Bemühungen.
Wolfgang Harich, Sachgebietsleiter für öffentliche Sicherheit und Ordnung im Landratsamt Rhön-Grabfeld, hatte eine Person angerufen, die offenkundig am Spaziergang am vergangenen Montag teilgenommen hatte. "Wie zu erwarten war, hat sich diese Person zwar als normaler Teilnehmer zu erkennen gegeben, aber ohne jedwede Organisationsbefugnis."
Spontanversammlung oder nicht - was sagt das Grundgesetz?
Harich kennt die gesetzlichen Grundlagen. Demnach habe jeder Deutsche das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Allerdings könne dieses Recht für Versammlungen unter freiem Himmel eingeschränkt werden. Denn § 14 des Versammlungsgesetzes schreibe klar vor, dass der Veranstalter verpflichtet ist, eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel spätestens 48 Stunden vor Bekanntgabe bei der Versammlungsbehörde anzumelden. Und diese Behörde ist das Landratsamt.
Anders verhält es sich bei sogenannten Spontanversammlungen, wenn sie sich "aus aktuellem Anlass augenblicklich bilden". Da entfalle die Anmeldepflicht, heißt es im Grundgesetz. Nach den verschiedenen Corona-Demos hat Bayerns Innenminister jüngst vermutet, dass bei diesen Spaziergängen "eine gezielte Strategie der Organisatoren dahintersteckt, die Behörden auszutricksen."
Seufert: Klare Organisationsstrukur zu erkennen
Diese Vermutung teilt Bad Neustadts Ordnungsamtschef Oliver Seufert. "Es ist eine klare Organisationsstruktur zu erkennen. Wir gehen davon aus, dass sich die Spaziergänge in Bad Neustadt fest etablieren sollen." Die Behörden würden gerne eine geordnete Zusammenkunft mit den Organisatoren auf den Weg bringen. "Wir wollen den Verkehr sichern und Ruhestörungen, vor allem am Altenheim, im Vorhinein abwenden", sagt Anton Schlereth, stellvertretender Leiter der Bad Neustädter Polizeiinspektion. "Schade, dass keiner aus der Gruppe Verantwortung übernimmt", findet er.
Dazu heißt es in verschiedenen Social-Media-Chats wörtlich: " Liebe Polizei falls in dieser Gruppe irgendwelche rechtsradikale oder reichsbürger oder sonst irgendwelche unruhestifter sind werden wir Sie sofort von der Polizei festnehmen lassen ... und es gibt in dieser Gruppe keinen Anführer niemanden."
Oliver Seufert hat dazu eine klare Sicht der Dinge. Als Gesellschaft müsse man schwierige Themen aushalten, auch wenn man anderer Meinung sei. Die Versammlungsfreiheit stuft er als hohes Gut der Demokratie ein. "Wenn die Teilnehmenden einerseits auf dieses Grundrecht pochen, dürfen sie andererseits ihre Pflichten nicht mit Füßen treten. Schließlich sind das unsere Straßen und Plätze, auf denen wir für Sicherheit sorgen müssen!" Denn das subjektive Sicherheitsempfinden sei bei einigen Bürgerinnen und Bürgern durch die Ansammlung am Montag schon gestört gewesen, so Seufert.
An diesem Montag werden die Ordnungshüter die Spaziergänger genau im Blick haben, nicht auf Konfrontation gehen, aber bei groben Verstöße nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingreifen, kündigt Anton Schlereth an.
Demokratie ist keine Einbahnstraße, der Rechtsstaat sollte im Sinne der grossen Mehrheit durchgesetzt werden !!