
Sie nennen sich "Freiheitsboten Bad Kissingen " oder "WiderstandPLZ97" - Chatgruppen auf dem telegram-Kanal. Hier versammeln sich meist Menschen, die mit der Corona-Politik nicht einverstanden sind. Neben Anleitungen zur Banner-Herstellung teilen sie dort ihre Skepsis gegenüber Wissenschaftlern, Ärzten und Politikern - und jetzt auch nahezu im Stundentakt neue Termine, auf denen sie sich zum "Spaziergang" treffen. Angeblich spontane Zusammenkünfte, hinter denen nichts anderes steckt als organisierte Demonstrationen gegen die aktuelle Corona-Politik. Auch der Landkreis Bad Kissingen wird derzeit mit solchen Spaziergängen überschwemmt.
Wenn es nicht darum geht, sich zum Spazierengehen zu verabreden, feiern die Chat-Teilnehmer sich selbst. Kurze Filmchen künden von ihren Erfolgen, wenn sie in großen und kleineren Gruppen durch Ortschaften laufen, lauthals "Friede, Freiheit" skandieren oder mit gedankenvollem Gesicht Kerzen durch die Nacht tragen.
Vergleich mit Juden
Aber es stehen auch andere Beiträge im Chat. Tobias Hans (CDU),Ministerpräsident des Saarlands, wird hier im Ausschnitt aus einer Fernsehsendung gezeigt. Sein Zitat, die Forderung nach einer "klare Botschaft, ihr seid jetzt raus aus dem gesellschaftlichen Leben, deshalb machen wir jetzt konsequent 2G oder 2Gplus" kommentiert einer so: "2G ist das gleiche wie Juden sind hier unerwünscht".
Falsche Informationen
Verlässliche und sichere Quellen sind selten zu finden wie auch bei einem Eintrag, bei dem der Verfasser behauptet, in Deutschland sei "kein einziges gesundes Kind zwischen 5 und 18 Jahren" an Covid verstorben. Dazu das Robert-Koch-Institut in seinem wöchentlichen Lagebericht vom 4. November 2021: " Bislang sind dem RKI 29 validierte COVID-19-Todesfälle bei unter 20-Jährigen übermittelt worden. Diese Kinder und Jugendlichen waren zwischen 0 und 19 Jahre alt. Bei 19 Fällen lagen Angaben zu bekannten Vorerkrankungen vor."
Nicht nur, aber eben auch Faktenfälschung, Schwurbelei und Schauermärchen - und im Fall von "WiderstandPLZ97" könnten sie jeden Tag 188 Menschen erreichen, so viele Mitglieder hat die Gruppe. Die "Freiheitsboten Bad Kissingen " haben 220. Auch auf diesen Kanälen verabreden sich gerade in den letzten Tagen viele Menschen, um an einem der geplanten Spaziergänge teilzunehmen. Spaziert wurde jetzt in Hammelburg, Bad Kissingen , Bad Brückenau, Bad Neustadt, für die nächsten Tage sind die nächsten "Spaziergänge" angekündigt. So zum Beispiel am 16. Dezember 2021 in Bad Kissingen . Einer der jüngsten Einträge auf "WiderstandPLZ97" lautet, dass künftig jeden Donnerstag in Bad Kissingen , jeden Montag in Hammelburg oder Bad Neustadt und jeden Sonntag in Schweinfurt demonstriert werden soll. "Wir bleiben friedlich, es wird keinerlei Vandalismus , Gewalt o.ä. toleriert", heißt es in dem Eintrag auch.
Macht die Polizei ihren Job?
Am vergangenen Mittwoch zogen rund 350 Menschen durch die Bad Kissinger Innenstadt . Beobachter wunderten sich: Kaum einer trug Maske, oft war der Mindestabstand von 1,50 Metern unterschritten. Außer, dass die Polizei die Demonstrierenden dazu aufrief, den Abstand einzuhalten, passierte nicht viel. Friedlich liefen die Menschen dicht an dicht, flankiert von der Polizei quer durch die Altstadt . Hätte die Polizei eingreifen müssen? Fragen an den Leiter der Polizeidirektion Bad Kissingen , Stefan Haschke .
Herr Haschke, hat die Polizei hier ihren Job nicht gemacht?
Kaum einer trug Maske, kaum einer war mit Abstand unterwegs.
Aber Abstand hat doch kaum einer eingehalten.
Apropos eng: Die Menschen, die gerade gefühlt im Tagesrhythmus auf die Straßen des Landkreises gehen, dürften der Polizei einen engen Terminkalender bescheren.
Aber auch die Manpower der Polizei ist begrenzt. Sie können nicht überall gleichzeitig sein.
Von wie vielen Demonstrationen wissen Sie für die nächsten Tage?
Aber in den Sozialen Netzwerken wird zu "Spaziergängen" gegen die Corona-Politik in vielen Städten und Gemeinden im Landkreis eingeladen.
Was für ein Gedanke.