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Bad Kissingen
Corona-Demos schwemmen den Landkreis Bad Kissingen
Alle paar Tage "spazieren" meist unangemeldet Menschen durch Städte, um gegen die Corona-Politik zu demonstrieren - eine Herausforderung für die Polizei Bad Kissingen.
Der jüngste Protest einiger Menschen, die sich gegen den Umgang der Politik und der Justiz mit Corona aussprechen: Sie stellten vor dem Bad Kissinger Amtsgericht Kerzen auf, legten Rosen aus - eine Art Grabdekoration. So drückten sie ihre 'Trauer' darüber aus, dass das Bundesverfassungsgericht die Maßnahmen gegen die Pandemie für rechtmäßig erachtet hat. Foto: Susanne Will       -  Der jüngste Protest einiger Menschen, die sich gegen den Umgang der Politik und der Justiz mit Corona aussprechen: Sie stellten vor dem Bad Kissinger Amtsgericht Kerzen auf, legten Rosen aus - eine Art Grabdekoration. So drückten sie ihre 'Trauer' darüber aus, dass das Bundesverfassungsgericht die Maßnahmen gegen die Pandemie für rechtmäßig erachtet hat. Foto: Susanne Will
| Der jüngste Protest einiger Menschen, die sich gegen den Umgang der Politik und der Justiz mit Corona aussprechen: Sie stellten vor dem Bad Kissinger Amtsgericht Kerzen auf, legten Rosen aus - eine Art Grabdekoration.
Susanne Will
 |  aktualisiert: 16.08.2022 23:55 Uhr

Sie nennen sich "Freiheitsboten Bad Kissingen " oder "WiderstandPLZ97" - Chatgruppen auf dem telegram-Kanal. Hier versammeln sich meist Menschen, die mit der Corona-Politik nicht einverstanden sind. Neben Anleitungen zur Banner-Herstellung teilen sie dort ihre Skepsis gegenüber Wissenschaftlern, Ärzten und Politikern - und jetzt auch nahezu im Stundentakt neue Termine, auf denen sie sich zum "Spaziergang" treffen. Angeblich spontane Zusammenkünfte, hinter denen nichts anderes steckt als organisierte Demonstrationen gegen die aktuelle Corona-Politik. Auch der Landkreis Bad Kissingen wird derzeit mit solchen Spaziergängen überschwemmt.

Wenn es nicht darum geht, sich zum Spazierengehen zu verabreden, feiern die Chat-Teilnehmer sich selbst. Kurze Filmchen künden von ihren Erfolgen, wenn sie in großen und kleineren Gruppen durch Ortschaften laufen, lauthals "Friede, Freiheit" skandieren oder mit gedankenvollem Gesicht Kerzen durch die Nacht tragen.

Vergleich mit Juden

Aber es stehen auch andere Beiträge im Chat. Tobias Hans (CDU),Ministerpräsident des Saarlands, wird hier im Ausschnitt aus einer Fernsehsendung gezeigt. Sein Zitat, die Forderung nach einer "klare Botschaft, ihr seid jetzt raus aus dem gesellschaftlichen Leben, deshalb machen wir jetzt konsequent 2G oder 2Gplus" kommentiert einer so: "2G ist das gleiche wie Juden sind hier unerwünscht".

Falsche Informationen

Verlässliche und sichere Quellen sind selten zu finden wie auch bei einem Eintrag, bei dem der Verfasser behauptet, in Deutschland sei "kein einziges gesundes Kind zwischen 5 und 18 Jahren" an Covid verstorben. Dazu das Robert-Koch-Institut in seinem wöchentlichen Lagebericht vom 4. November 2021: " Bislang sind dem RKI 29 validierte COVID-19-Todesfälle bei unter 20-Jährigen übermittelt worden. Diese Kinder und Jugendlichen waren zwischen 0 und 19 Jahre alt. Bei 19 Fällen lagen Angaben zu bekannten Vorerkrankungen vor."

Nicht nur, aber eben auch Faktenfälschung, Schwurbelei und Schauermärchen - und im Fall von "WiderstandPLZ97" könnten sie jeden Tag 188 Menschen erreichen, so viele Mitglieder hat die Gruppe. Die "Freiheitsboten Bad Kissingen " haben 220. Auch auf diesen Kanälen verabreden sich gerade in den letzten Tagen viele Menschen, um an einem der geplanten Spaziergänge teilzunehmen. Spaziert wurde jetzt in Hammelburg, Bad Kissingen , Bad Brückenau, Bad Neustadt, für die nächsten Tage sind die nächsten "Spaziergänge" angekündigt. So zum Beispiel am 16. Dezember 2021 in Bad Kissingen . Einer der jüngsten Einträge auf "WiderstandPLZ97" lautet, dass künftig jeden Donnerstag in Bad Kissingen , jeden Montag in Hammelburg oder Bad Neustadt und jeden Sonntag in Schweinfurt demonstriert werden soll. "Wir bleiben friedlich, es wird keinerlei Vandalismus , Gewalt o.ä. toleriert", heißt es in dem Eintrag auch.

Macht die Polizei ihren Job?

Am vergangenen Mittwoch zogen rund 350 Menschen durch die Bad Kissinger Innenstadt . Beobachter wunderten sich: Kaum einer trug Maske, oft war der Mindestabstand von 1,50 Metern unterschritten. Außer, dass die Polizei die Demonstrierenden dazu aufrief, den Abstand einzuhalten, passierte nicht viel. Friedlich liefen die Menschen dicht an dicht, flankiert von der Polizei quer durch die Altstadt . Hätte die Polizei eingreifen müssen? Fragen an den Leiter der Polizeidirektion Bad Kissingen , Stefan Haschke .

Herr Haschke, hat die Polizei hier ihren Job nicht gemacht?

Wie meinen Sie das?

Kaum einer trug Maske, kaum einer war mit Abstand unterwegs.

Die Polizei macht natürlich ihren Job. Das momentan gültige Infektionsschutzrecht beinhaltet für Versammlungsteilnehmer keine generelle Maskenpflicht . Diese kann von der Versammlungsbehörde als Beschränkung verfügt werden, was hier aber nicht der Fall war.

Aber Abstand hat doch kaum einer eingehalten.

Der Abstand ist in Bezug auf den Infektionsschutz wichtig und gilt nach wie vor, besonders bei Versammlungen. In der Realität ist das aber schwer dies durchgehend einzuhalten - vor allem dann nicht, wenn eine Menge mobil ist, werden diese Abstände kurzfristig auch mal unterschritten. Daraus kann ein Verstoß auch nicht immer abgeleitet werden. Wichtig ist, dass wir weiterhin darauf einwirken, dass es nicht zu eng wird. Zudem müssen Versammlungsteilnehmer bei Nichteinhaltung von Infektionsschutzvorschriften mit der Einleitung eines Bußgeldverfahrens rechnen. Hier werden wir auch konsequent - vielleicht auch erst im Nachgang - Ordnungswidrigkeitenverfahren einleiten. In ein laufendes Versammlungsgeschehen greift die Polizei dann ein, wenn es erforderlich ist, unvertretbare Infektionsgefahren zu unterbinden.

Apropos eng: Die Menschen, die gerade gefühlt im Tagesrhythmus auf die Straßen des Landkreises gehen, dürften der Polizei einen engen Terminkalender bescheren.

Zunächst einmal: Die Aufgabe der Polizei ist es, Versammlungs- und Meinungsfreiheit zu gewährleisten. Und darauf stellen wir uns ein, ob die Versammlungen nun beim Landratsamt angezeigt werden oder nicht. Auch eine nichtangezeigte Versammlung ist vor dem Gesetz zulässig - und die schützen wir dann. Wir versuchen natürlich stets einen Verantwortlichen bzw. Versammlungsleiter auszumachen. Nichtsdestotrotz gilt: Es darf nur friedlich demonstriert werden und das beobachten wir.

Aber auch die Manpower der Polizei ist begrenzt. Sie können nicht überall gleichzeitig sein.

Um die Einsatzressourcen der Polizei mache ich mir keine Sorgen. Soweit wir zurückblicken können, haben sich die Bürgerinnen und Bürger im Landkreis bislang sehr friedlich und besonnen verhalten - und so einen geordneten und sicheren Versammlungsverlauf ermöglicht. Die Betreuung dieser Demonstrationen ist für die Polizei nichts besonders und das schultern wir auch. Wichtig ist jedoch, dass sich Bürger und Bürgerinnen, die für ihre Interessen auf die Straße gehen - dies weiterhin so besonnen tun. Wir haben hier bis jetzt keine Krawallmacher und das soll auch so bleiben. Mein Wunsch wäre nur, dass die Versammlungen rechtzeitig angezeigt werden. Damit wir alle - wie auch vor der Pandemie - in Ruhe und in einem gemeinsamen Kooperationsgespräch mit der Versammlungsbehörde, den Verantwortlichen und der Polizei die Demonstrationen planen können.

Von wie vielen Demonstrationen wissen Sie für die nächsten Tage?

Bei der Versammlungsbehörde und bei uns wurde keine angezeigt.

Aber in den Sozialen Netzwerken wird zu "Spaziergängen" gegen die Corona-Politik in vielen Städten und Gemeinden im Landkreis eingeladen.

Ich möchte es mal so sagen: Wir beobachten immer und werten die Lage immer aus - das gilt für die reale, wie auch die digitale Welt.

 
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  • R. A.
    Das könnte funktionieren. Dann am besten noch das Licht ausschalten, damit die Kerzchen schön zur Geltung kommen. Dann sollte die MP über eine Adventveranstaltung berichten. Das wäre doch die richtige Richtung. Jeden Tag dann noch einen Kindergarten erwähnen und gut ist…
    Was für ein Gedanke.
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Mir kommt da der Gedanke, warum man die Querdenker nicht einfach laufen lässt? Wie bei einem unreifen Kleinkind werden die Quertreiber ganz schnell den Spaß am Spazierengehen verlieren. Mit Mißachtung strafen - das kann funktionieren ...
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