
Wenn irgendwo im Freistaat der Bayerische Defiliermarsch gespielt wird, ist auch der Ministerpräsident nicht weit. Wo genau er an diesem Mittwochabend gerade in der Bad Neustädter Stadthalle an den ihm Huldigenden vorbeizieht, das zeigen die Dutzenden hochgesteckten Handys an, die sich wie ein Spot auf Markus Söder richten.
Die Hohenröther Blasmusik unter Michael Baumgart spielt mit dem Extra-Quäntchen Schmackes. Die über 850 Gäste des Abends bereiten dem Landesvater, vor allem aber dem CSU-Wahlkämpfer Markus Söder, einen jubelnden Empfang. Vor der Halle hängt träger Abendnebel. Drinnen aber wittern sie alle Morgenluft: Nach dem Scheitern der Ampel ist der Politikwechsel zum Greifen nah für die Konservativen.
Unterfranken ist eine Macht bei der CSU
Ein Machtfaktor soll sie wieder werden, die CSU in Berlin, wenn es zu einer neuen Regierung unter schwarzer Führung kommt. Einen gehörigen Anteil soll Unterfranken dazu beitragen. Dort fuhren die Christsozialen in den letzten Jahren die besten Ergebnisse im Freistaat ein.

Entsprechend kraftstrotzend steht der CSU-Bezirksvorsitzende Steffen Vogel zur Begrüßung auf der Bühne. Auf seinen Online-Kanälen nennt er sich selbst den "Basismotivator". Den Einheizer kann er tatsächlich gut. Sein Team Unterfranken könne sich sehen lassen. Dorothee Bär aus Ebelsbach als Stimme des ländlichen Raums, Andrea Lindholz aus Goldbach bei Aschaffenburg als stellvertretende Fraktionsvorsitzende für Inneres und dazu Alexander Hoffmann als Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU im Bundestag: Unterfranken sitze an wichtigen Schalthebeln im Bundestag. Im neuen Bundestag mit Hülya Düber aus Würzburg werden dann von den fünf CSU-Abgeordneten vier Frauen sein.
Was wird aus dem Wohlstandsversprechen der Elterngeneration?
"Wir wollen Macht ausüben", sagt Vogel. Auch seinem Sohn gegenüber will er das Wohlstandsversprechen seiner Eltern weitergeben können: "Ihr sollt es einmal besser haben als wir." Eine schwierige Zusage angesichts der wirtschaftlichen Hiobsbotschaften in Unterfranken von ZF Sachs in Schweinfurt bis Preh und Valeo im Norden des Bezirks. Der Isolationismus der AfD mit EU-Austritt und Euro-Abschaffung wäre fatal. "AfD bedeutet Armut für Deutschland", kracht es aus den Lautsprechern. Das Publikum klatscht.
Auch von Dorothee Bär kommt kein leises Zeichen von Unsicherheit. Olaf Scholz attestiert sie eine unwürdige letzte Rede in der Generaldebatte des Bundestags, nach Bad Neustadt bringt sie die brandneue "Hofnarr"-Geschichte aus Berlin mit. Die woke Rassismus-Keule soll jetzt Olaf Scholz treffen. 258 Stunden und ein paar Zerquetschte zählt die Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär bis zum Wahlsonntag. Jeden Tag wolle die CSU im Wahlkampf noch einen drauflegen. "Nach dem 23. Februar darf Olaf Scholz kein Kanzler mehr sein", ruft sie aus.
90 Minuten Wahlkampf-Rede
Das Rednerpult, das für Steffen Vogel noch zu hoch war, hat jetzt Markus Söder im festen Griff. Eineinhalb Stunden lang. Aus dem Reden-Bausatzkasten kommen die Streicheleinheiten für die fränkische Seele. Sie muss großartig sein, aber auch etwas vergesslich, weil man Söders Lob des (Unter-)Fränkischen in Abgrenzung zur weltfremden Berliner Blase in Abwandlungen stets als Ouvertüre hört. Selbstbewusst macht sie auf jeden Fall.

Das Allegro ist stürmisch. "Ich hätte nicht gedacht, dass Deutschland einmal so in Unordnung sein könnte", malt er in Grau die Bilanz der Ampel-Regierung. Der wirtschaftliche Druck von Außen verlange nicht nur nach einem Personalwechsel in den politischen Ämtern, sondern einen grundlegenden Richtungswechsel.
Söder, dem seine politischen Gegner gerne Populismus vorwerfen, sieht sich selbst als Kämpfer gegen diesen. "Wenn wir Demokraten nicht aus der Mitte heraus die Probleme dieses Landes lösen, dann werden das einmal die Populisten tun", warnt der Ministerpräsident und sieht nicht nur in Österreich eine gefährliche Entwicklung.
Für Söder ist die AfD ein Systemgegner
Gegen die AfD grenzt sich Söder ab. Sie seien Systemgegner, über deren Erstarken sich nur Putin freue. "Denen dürfen wir das Land nicht überlassen", schmettert Söder ins Mikrofon. "Unsere Partei hat nicht Jahrzehnte für die Freiheit gekämpft, um sie zu verlieren." Viele AfD-Wähler seien nicht rechtsradikal, aber eben stark verunsichert. "Wir müssen die Stimme der Besorgten sein", meint Söder.
Viel Raum nimmt die wirtschaftliche Lage ein. Dass auch der Ukraine-Krieg die Lage verschlechtert habe, räumt Söder ein. "Aber die Länder um uns herum kommen damit besser zurecht", sagt der CSU-Chef. Weitere Wahlkampf-Sätze folgen. Der ländliche Raum brauche neben dem ÖPNV das Auto, das Heizungsgesetz ist als ideologisches Experiment das ungeeignete Instrument gewesen und Robert Habeck sowieso der schlechteste Wirtschaftsminister aller Zeiten. Der Wirtschaft helfen Steuererleichterungen und Bürokratieabbau, außerdem sei die Erbschaftssteuer eine Last für den Mittelstand, der auf der Generationenfolge fuße.
Aschaffenburg und die Handlungsbereitschaft der Politik
Das Adagio dieser Rede rückte weit nach hinten. Söders Stimme wird betont leise, als er auf das Attentat von Aschaffenburg zu sprechen kommt und die schwierige Aufgabe, Anteilnahme zu zeigen, aber dabei Handlungswillen nicht zu vergessen. Aus dem Pianissimo wird dann schnell ein Forte. Es müsse ein Umdenken in der Migrationspolitik kommen. "Aus dem 'Ja, wir schaffen das muss ein 'Ja, wir ändern es' folgen", so Söder. Ob Grenzkontrollen oder Abschiebungen von Straftätern: Friedrich Merz'5-Punkte-Plan unterschreibt auch Söder.
Zum Rede-Finale kommen noch die Kritik am Bürgergeld, an Gender-Lehrstühlen und dem Selbstbestimmungsgesetz hinzu, gegen das er die bayerische Dualität von Werten und Weltoffenheit stellt.
Eineinhalb Stunden einer fulminanten Wahlkampfrede sind vorbei. Söder hat sie so kurzweilig gestaltet wie eine Reise zum Mond, seinen großen Traum. Es folgen langanhaltender Applaus nebst inbrünstiger Bayernhymne mit Deutschlandlied aus gut 850 CSU-nahen Kehlen. Dann entschwindet das energiegeladene "Fusionskraftwerk" Söder, wie ihn Vogel nannte, zurück gen Landeshauptstadt.
Sonst hätten sie diesen heruntergekommenen, versifften Bahnhof durchqueren müssen.
CSU- Näher am Menschen
Hauptsach von den Schaumschlägern kommt keiner ins Verkehrsministerium.
Stefan Fuchs,
seit 30 Jahren Pendler und DB Stammkunde
...."Wenn wir Demokraten nicht aus der Mitte heraus die Probleme dieses Landes lösen, dann werden das einmal die Populisten tun"....
Söder identifiziert sich selbst schon so sehr als Populist, dass er ernsthaft glaubt, die würden "Probleme lösen"....?