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Bad Neustadt
Brauereien in Rhön-Grabfeld: Wo das Fassbier wieder läuft
Sie brauen "Impfstoff" und lassen Bierretterbrot backen. Brauer sind kreativ, wenn es ums Überleben geht. Wie haben die Brauereien in Rhön-Grabfeld den Lockdown überstanden?
Herbert Brust, Chef der Karmeliter Bräu in Bad Neustadt, vor seiner Abfüllanlage in Salz.
Foto: Michael Nöth | Herbert Brust, Chef der Karmeliter Bräu in Bad Neustadt, vor seiner Abfüllanlage in Salz.
Michael Nöth
 |  aktualisiert: 11.02.2024 21:56 Uhr

Ein guter Mann sorgt vor. So gut es eben geht. Als die Biergärten vor zwei Wochen wieder öffnen durften, haben die Brauer in Rhön-Grabfeld ihre Betriebe wieder hochgefahren nach knapp achtmonatigem Lockdown. Im Sudhaus roch es wieder würzig nach Maische. "Wir haben Fassbier vorproduziert", erzählt Herbert Brust von der Zeit, als die Inzidenzen fielen. So schnell wie danach auch die Innengastronomie öffnen konnte, tauchte aber schon die nächste Hürde auf für den Chef der Karmeliter Bräu vor den Toren Bad Neustadts: Lieferprobleme.

Lieferprobleme bei defekten Maschinen-Teilen

"Flaschen, Kästen, Gläser - egal, was du brauchst - alles dauert sechs bis acht Wochen. Wann du wirklich was kriegst, bleibt ein Rätsel. Das ist eine Katastrophe!", schimpft Brust. Rohstoffe seien nicht das Problem. Aber vieles von dem, was Brauer brauchen, komme aus Fernost. "Wer hat sich denn getraut in den vergangenen Pandemie-Monaten Krüge auf Lager zu bestellen?", fragt er. Noch schwieriger werde es, wenn in den Brauereien eigentlich unbedeutende Maschinenteile nach langen Monaten ohne Abfüll-Routine plötzlich kaputt sind. Oder Schankprobleme in den Gaststätten auftauchen, weil die Kühlung nun nicht mehr funktioniert. Oder die Dichtung der Kohlensäure-Flaschen ihren Geist aufgegeben hat. "Da brauchst du Bauteile, die du vor der Krise innerhalb eines Tages bekommen hast. Jetzt guckst du in die Röhre!"

Der Bad Neustädter weiß sich noch zu behelfen bei derlei Reparaturen. "Wir haben eine Elektriker-Firma mit guten Leuten, die improvisieren können. Das ist momentan Gold wert!" Schließlich will er seine Kunden - immerhin 40 Gaststätten samt Vereinsheimen - ordentlich beliefern können, wenn deren Geschäft jetzt wieder anläuft.

Rother Bräu: Mit angezogener Handbremse hochgefahren

Voraussetzung dafür ist, dass die Inzidenzzahlen konstant niedrig bleiben. Das hofft auch Xaver Weydringer von der Rother Bräu in der Rhön. Das Auf und Ab im vergangenen Jahr habe auch seiner Brauerei viel abverlangt. Kurzarbeit, nur drei Tage geöffnet in der Woche, der Fassbier-Verkauf fast bei Null - das müsse nun wieder besser werden. "Erfreulicherweise sind die Corona-Fallzahlen so gefallen, dass wieder mehr gesellschaftliches Leben möglich ist", sagt er. Allerdings hat er von vielen Gaststätten-Betreibern gehört, dass sie richtig um Personal ringen müssen. "Was nutzt eine offene Wirtschaft, wenn keiner da ist, der einen bedient!"

Xaver Weydringer, Geschäftsführer der Rother Bräu.
Foto: Björn Hein | Xaver Weydringer, Geschäftsführer der Rother Bräu.

Mittlerweile wird in der Brauerei in Roth wieder an vier Tagen in der Woche gearbeitet. "Wir sind mit angezogener Handbremse hochgefahren, weil es zur Öffnung der Außengastronomie schlechtes Wetter hatte in der Rhön." Jetzt hofft Weydringer auf mehr Sonne und verstärktes Impfen. Schließlich möchte er sein eben eingebrautes Fassbier nicht wieder zurücknehmen müssen, bevor das Mindesthaltbarkeitsdatum abläuft. Das war im Winter der Fall. "Diese Retouren beschäftigen uns noch heute. Wir müssen sie alle beim Hauptzollamt anmelden, damit der Staat Steuern zurückerstatten kann. Wie dieser formale Akt, an dem auch Überbrückungshilfen hängen, genau abläuft, muss noch geklärt werden. Schließlich wollen wir keine Abrechnungen so wie sie einige Testzentren gemacht haben", lacht Weydringer.

Streck Brauerei: Gastronomie wird wieder wert geschätzt

Auch Axel Kochinki von der Streck Brauerei in Ostheim spricht von einem großen Durcheinander momentan. "Alle wollen alles - und wir zerreißen uns!", sagt er. Keiner bedenke dabei, dass sowohl das Herunter- wie das Wiederhochfahren in einem Betrieb viel Energie und Zeit kostet. Seine Verwaltung war komplett im Homeoffice, seine Brauerei nur zwei Stunden am Tag geöffnet, jetzt explodiere alles. Kochinki zieht aus dieser Aufbruchstimmung Zuversicht: "Ich hab' viele ehrliche Aussagen gehört, wie die Gastronomie nach langem Lockdown nun wieder wert geschätzt wird", sagt er. Und beschreibt, welch tolles Erlebnis es war, das erste frisch gezapfte Bier in der Wirtschaft "Zur guten Quelle" zu genießen.

Axel Kochinki und Braumeister Benjamin Betz (rechts) vor der Ostheimer Brauerei.
Foto: Gerhard Fischer | Axel Kochinki und Braumeister Benjamin Betz (rechts) vor der Ostheimer Brauerei.

In der Lockdown-Zeit seien die Verkäufe hauptsächlich in den Supermärkten gelaufen, mit dem Grünen Schmitt, einem Bad Kissinger Bäcker, hatte er zum Vatertag fünf Weck mit einem Bier angeboten und viele lustige Erfahrungen bei seinen Online-Bierseminaren gemacht. Dennoch: "Live ist alles besser!" Und darauf setzt er. Seiner Einschätzung nach ist die Krise erst im Mai nächsten Jahres überwunden, wenn die Impfungen durch sind und wieder Feste stattfinden können. Denn die werden - mit einem Umsatz von 30 Prozent - auch in diesem Jahr noch fehlen. Zudem habe er auch von vereinzelten Wirtschaften mitbekommen, die gar nicht mehr öffnen.  

 Christian Weghofer, Geschäftsführer der Gastronomiebetriebe im Kloster Kreuzberg.
Foto: Farkas Siegfried |  Christian Weghofer, Geschäftsführer der Gastronomiebetriebe im Kloster Kreuzberg.

"Bis auf eine Ausnahme haben wir alle Mitarbeiter von uns in der Krise halten können", freut sich Christian Weghofer, Geschäftsführer der Gastronomiebetriebe am Kloster Kreuzberg. Und das, obwohl viele Monate Kurzarbeit mit nicht ganz einfachen steuerlichen Nacharbeiten anstanden. Die Ansage der Politik vom Freitag, dass am Montag wieder alles offen ist, bezeichnet er als einen "Witz". "Wissen die denn in München oder Berlin überhaupt noch, wie das vor Ort funktioniert?" Dennoch haben seine Mitarbeiter die ersten Tage gut gemeistert in der Brauerei und der Gastronomie - "auch weil nicht gerade der massive Ansturm über uns hereingebrochen ist!"

Kloster Kreuzberg: Bald wieder feste Übernachtungsreservierungen

Übernachtungsanfragen habe er während der Pandemie ständig erhalten. Weghofer ist zuversichtlich, dass er bald wieder feste Zusagen machen kann, wenn der Impfschutz sich durchsetzt in der Bevölkerung. "Dann hoffe ich, dass unser Betrieb so reibungslos läuft wie im vergangenen Jahr. Und dafür suchen wir mittlerweile auch wieder Arbeitskräfte!" 

 
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