Durch das Volksbegehren "Rettet die Bienen" fühlten sich konventionell arbeitende Landwirte als Mitverursacher des Insektensterbens an den Pranger gestellt. Dass sie durchaus einen Beitrag zur biologischen Vielfalt leisten, zeigt ein Projekt, das die Agrokraft Rhön-Grabfeld zusammen mit dem BUND Naturschutz und dem Bayerische Naturschutzfonds die Beine gestellt hat:"100 Hektar Blühflächen".
Der Hintergrund: Bauern produzieren nicht nur Nahrungsmittel, sie beliefern auch Biogasanlagen. Pflanzen, die auf Blühflächen wachsen, taugen als Energiepflanzen für Biogasanlagen und eignen sich als Ergänzung zu der vorherrschenden Energiepflanze Mais. Angebaut wird eine spezielle, fünf- bis achtjährige Wildpflanzenmischung (Veitshhöchheimer Hanfmix).
Das Wildpflanzenprojekt startete 2017 als Gemeinschaftsprojekt von Landwirten, Biogasanlagenbetreibern, Naturschützern und Imkern. Die Vorteile sind laut Agrokraft: Boden- und Gewässerschutz durch ganzjährige Bodenbedeckung,
kein Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und die Förderung der Biodiversität, weil die Flächen Rückzugsorte für Insekten, Vögel und kleine Wildtiere sind.
Um Flächen mit Wildpflanzenbewuchs für die Landwirte wirtschaftlich - im Vergleich zu Biogasmais gleichwertig - zu gestalten, muss der Anbau finanziell unterstützt werden. Denn Blühmischungen haben nach Untersuchungen der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) Veitshöchheim im Schnitt einen um die Hälfte geringeren Ertrag als Mais.
Das Ziel: 100 Hektar
Zum Ausgleich fördert die Agrokraft im Landkreis Rhön-Grabfeld seit 2017 gemeinsam mit verschiedenen Partnern, unter anderem dem BUND Naturschutz in Bayern, den Anbau der Wildpflanzenmischung "Veitshöchheimer Hanfmix" der LWG. 2019 erhält der anbauende Landwirt 500 Euro Förderung pro Hektar, ermöglicht durch die Unterstützung des Bayerischen Naturschutzfonds. Die Agrokraft hat sich dieses Jahr das Ziel „100 Hektar Blühflächen“ gesteckt - ein deutlicher Zuwachs gegenüber 2018 (38 Hektar) und 2017 (gut 20 Hektar), heißt es in einer Pressemitteilung der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe. Rund 60 Landwirte sind in das Projekt eingebunden.
Welche langfristigen Ziele werden mit diesem Projekt verfolgt? "Wir wollen den Nachweis liefern, dass Blühflächen eine nachhaltige Förderung durch das Kulturlandschaftsprogramm (KULAP) verdient haben", sagt Michael Diestel, Agrokraft-Geschäftsführer, auf Nachfrage dieser Redaktion. Das Umweltprogramm unterstützt Landwirte, die Flächen extensiv bewirtschaften und honoriert landschaftspflegerische Leistungen zur Sanierung, Erhaltung, Pflege und Gestaltung der Kulturlandschaft.
Sollte das Pilotprojekt nicht unter den Förderschirm des KULAP kommen, würden die Felder, auf denen die Blühflächen angelegt wurden, im schlimmsten Fall nach fünf Jahren wieder umbrochen und für den konventionellen Anbau genutzt. Den Insekten, die dort eine Heimat gefunden haben, würde damit die Lebensgrundlage entzogen. Etabliert sich das Programm, dann hätten die Bauern zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Sie schaffen Lebensraum für bedrohte Arten und sie können gleichzeitig mit der Fläche Geld verdienen.
Ergebnis der Zählung
Das Institut für Biodiversitätsinformation (IfBI) führte laut Pressemitteilung 2018 im Auftrag des BUND Naturschutz in Bayern auf fünf der von der Agrokraft geförderten Blühflächen ein Monitoring durch. Die Insekten-Experten konnten 62 Bienenarten nachweisen, darunter auch drei Arten, die auf der Roten Liste Bayerns stehen. Bemerkenswert sei vor allem der Fund der Zweizelligen Sandbiene Andrena lagopus, die in der Roten Liste Bayern in der Kategorie „Gefährdung anzunehmen, aber Status unbekannt“ geführt wird. Mit zehn Individuen wurde sie von den IfBI-Mitarbeitern auf den Blühflächen häufiger nachgewiesen als in allen vorhergehenden Untersuchungen in Franken.
Unerwartete Bienenvielfalt
„Stark gefährdete oder gar akut vom Aussterben bedrohte Arten fanden wir zwar nicht, aber eben eine große und nicht erwartete Bienenvielfalt. Dass diese Blühflächen eine weitaus größere Bedeutung haben als frühere Untersuchungen auf anderen Flächen dokumentierten, hängt von der Zusammensetzung der Blühmischung und den umgebenden naturnahen Strukturen in ihrer Rolle als Nistplätze ab“, erklärt Klaus Mandery vom IfBI.
Das Projekt im Landkreis Rhön-Grabfeld kann beispielgebend für andere Regionen sein, ist das Fazit der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe. Es zeige, dass Naturschützer gemeinsam mit Fachbehörden und Landwirten zu eindeutigen Verbesserungen in der Agrarlandschaft beitragen können.