Es ist eine Win-Win-Geschichte, in der ganz oft das Wort Rhön vorkommt, und das nunmehr seit 25 Jahren: Rhöner Wirte kaufen Rhöner Produkte, kochen damit Rhöner Gerichte und verwöhnen damit ihre Gäste. Gewinner sind Rhöner Bauern und Produzenten, die Rhöner Wirte natürlich auch, ihre Gäste sowie letztlich die Kulturlandschaft der Rhön selbst. Die Rede ist von der Wirte-Kooperation "Aus der Rhön - Für die Rhön".
Das Jubiläum ist Grund für den aktuellen Vorsitzenden Claus Vorndran, Bilanz zu ziehen und einen Ausblick zu wagen. Dabei ist dem Wirt vom Gasthaus Dickas in Bischofsheim der Stolz über das Geschaffene anzumerken. "Schließlich sind wir am Anfang von vielen verspottet worden", sagt Vorndran. Heute ernte man Lob und Anerkennung von allen Seiten.
Region ohne Grenzen
Vor der Wirtevereinigung war die Wiedervereinigung. Die Rhön war seit 1989 wieder eine Region ohne Grenzen und das mitten in Deutschland. Claus Vorndran erinnert sich noch gut daran, wie kurz nach der Wende auf Initiative von Dieter Popp vom Verein Natur und Lebensraum Rhön erste Gespräche von Gastronomen aus Hessen, Thüringen und Bayern stattfanden. Wie kann man sich und die eher unbekannte Region in dieser neuen Situation erfolgreich vermarkten, lautete die Frage.
1991 kam die Gründung des Biosphärenreservats. Damit war ein neuer Rahmen geschaffen und der Region ein "Adelstitel" verliehen worden, den nicht nur die Rhöner Wirte als Chance erkannten. Ihre Grundidee: Weg von der Einheitsgastronomie hin zur regionalen Küche! Qualitätsprodukte von Landwirten, Schäfern, Imkern, Brennern oder Bäckern aus dem Biosphärenreservat sollten zu vielseitigen und qualitativ hochwertigen Genüssen verarbeitet werden. Und das vielleicht sogar nach - zeitgemäß angepassten - Rezepten aus Omas Kochbuch.
Dass die Rhöner Wirte damit den Zielsetzungen des Biosphärenreservats - einem nachhaltigen Wirtschaften im Einklang mit der Natur - entsprechen, war von ihnen so beabsichtigt. Schließlich haben auch sie ein Interesse, das Biosphärenreservat voranzubringen und die Rhöner Landschaft zu erhalten. Zum einen als attraktives touristisches Umfeld, zum anderen als lebenswerte Heimat für die Rhöner und für sich selbst und ihre Nachkommen. Indem sie Rhöner Produkte vermarkten, tragen sie zum Erhalt der Rhöner Betriebe bei, die durch ihre Art des Wirtschaftens nicht nur hervorragende Produkte anbieten, sondern wiederum einen Beitrag zum Erhalt der Landschaft leisten.
Zu Beginn, so Vorndran, stellte sich die Frage: Was will der Gast? Man kam zur Überzeugung, dass Regionalität Trend ist. 1993 starteten als Test regionale Wochen unter dem Titel "Himmel und Erde". Und sie kamen bestens an. Die Leute wollen "Heimat und Ehrlichkeit auf dem Teller", so das Fazit von Vorndran.
Anspruchsvolle Kriterien
Das Konzept wurde von vielen verlacht oder als nicht umsetzbar verworfen. Einige ließen sich davon nicht beirren und beschlossen, eine Kooperation zu gründen. Etwa 700 Betriebe in Hessen, Thüringen und Bayern wurden angeschrieben, übrig blieben letztendlich 22, die sich 1994 im Verein "Aus der Rhön - Für die Rhön" zusammenschlossen. Dass es so wenige waren, führt Vorndran auch darauf zurück, dass die Kriterien sehr anspruchsvoll waren.
Zu Beginn der 90er Jahre, so Vorndran, habe der Anteil der regionalen Produkte in der Rhöner Gastronomie irgendwo bei drei bis fünf Prozent gelegen. Das sollte sich mit der Neugründung ändern. Rhöner Produkte sollten Allerweltsware ersetzen. Das Lammfleisch sollte künftig nicht mehr aus Neuseeland, sondern vom Rhönschäfer bezogen werden, das Bier nicht mehr aus Norddeutschland, sondern von Rhöner Brauereien.
Erfolgsgeschichte
Das Konzept funktionierte und eine Erfolgsgeschichte begann. Den Betrieben sei es gelungen, sich von anderen abzuheben. Aus fünf Prozent regionalem Wareneinsatz wurden inzwischen 80 bis 90 Prozent. Ob Lamm, Rind, Fisch, Wild, Kartoffeln, Nudeln, Käse oder alle möglichen Getränke: Alles wird inzwischen von rund 85 "Partnern" aus der Rhön bezogen. Aus kleinen Partnerbetrieben seien stattliche geworden, und auch die beteiligten Gasthäuser hätten laut Vorndran profitiert. Erst in jüngerer Vergangenheit habe er sich freuen dürfen, dass drei Mitgliedsbetriebe an die nächste oder übernächste Generation übergeben wurden.
Krisen in der Vereinsgeschichte will Claus Vorndran nicht verschweigen. 1998 stand der Verein nach heftigen Querelen vor dem Zusammenbruch. Uneinigkeit über den Umfang der Vermarktung war die Ursache. Es kam zum Bruch, der gesamte Vorstand trat zurück. Claus Vorndran übernahm in dieser schwierigen Lage den Vorsitz und stabilisierte den Verein mit jetzt 14 Mitgliedsbetrieben im Lauf der folgenden Jahre.
Nachfrage zu hoch
Ab 1999 zeigten überregionale Fernsehsender Interesse und präsentierten die Rhön und ihre gastronomischen Angebote umfassend. In der Folge wurden - auch von Rhönern - verstärkt Rhöner Produkte nachgefragt. Noch heute können manche Produzenten die Nachfrage nicht immer decken, und damit die Gastronomen nicht jeden Wunsch erfüllen.
2004 kam es dann zur Gründung der Dachmarke Rhön als Vermarktungsorganisation für Rhöner Produkte, an deren Entwicklung sich auch "Aus der Rhön - Für die Rhön" beteiligte. Die Vereinigung brachte so eine Idee ein, die sich stark auf den Einsatz Rhöner Produkte in der Gastronomie auswirkt: Die Einführung der Silberdistel. Je nach regionalem Wareneinsatz werden ein bis drei Silberdisteln verliehen. Schnell habe sich bei vielen Gastronomen ein regelrechter Wettbewerb um den Erhalt der Auszeichnung entwickelt, erinnert sich Vorndran.
Der Vorsitzende kann auf verschiedene weitere Aktionen und Initiativen wie die Rhöner Entdeckerkarte, den Lehrlingswettbewerb der Köche, Kochschulen oder Buchveröffentlichungen verweisen, die von "Aus der Rhön - Für die Rhön" gestartet oder auf auf entsprechende Initiative hin entstanden sind.
Bio-Zertifizierung
Neben all diesen Aktivitäten stand und steht jedoch der regionale Wareneinsatz in den Mitgliedsbetrieben und damit der Erhalt der Rhöner Landschaft im Mittelpunkt. Dieses Konzept, so Claus Vorndran, funktioniere weiter bestens. Neue Ideen werden bei den alljährlichen Dreitagesfahrten in andere Dachmarken- oder Slow-Food-Regionen gewonnen.
Auch wenn große Feierlichkeiten zum Vereinsjubiläum nicht geplant sind, große Pläne hat der Verein weiterhin. Die Vielfalt Rhöner Produkte und die Zahl der Partner soll in den kommenden Jahren ausgeweitet, die bislang schon gute Kooperation mit anderen Akteuren wie dem Biosphärenreservat oder der Rhön GmbH vertieft werden. Manch ein Mitgliedsbetrieb will sich auch allmählich an die Bio-Zertifizierung wagen. Vor allem aber, so Claus Vorndran bleibt es das große Ziel, einen Beitrag zu leisten, die Rhön und das Biosphärenreservat weiter zur Ökomodellregion mit weltweiter Bedeutung auszubauen.