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Hollstadt
Alte VW-Busse als Liebhaberstücke: Wie ein Automechaniker in Rhön-Grabfeld von dem Oldtimer-Boom profitiert
Alte Autos sind oft Liebhaberstücke, Geldanlage oder beides. Ihre Beliebtheit ist groß. Swen Halbig aus Hollstadt kann vom Boom um Oldtimer leben.
Einzelunternehmer Swen Halbig richtet in seiner "Boxengarage" in Hollstadt alte Autos wieder her.
Foto: Josef Lamber | Einzelunternehmer Swen Halbig richtet in seiner "Boxengarage" in Hollstadt alte Autos wieder her.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 15.07.2024 14:21 Uhr

Oldtimer sind in Deutschland ein Milliardengeschäft – Mobilitätswende hin oder her. Alte Autos werden mitunter sogar zur Geldanlage, häufiger jedoch zu gehätschelten Liebhaberstücken. Auch in einer Garage in Rhön-Grabfeld spielen in die Jahre gekommene Busse eine große Rolle.

Früher war das Anwesen von Swen Halbig ein Aussiedlerhof am Rand von Hollstadt. Sein Großvater hielt dort Vieh. Seit 2007 geht es in den ehemaligen Ställen um Blech und Bremsen. Denn Halbig hat sich darauf spezialisiert, alte T-Modelle von VW herzurichten. Die Nachfrage nach diesen oft als Campingmobil genutzten Bussen steige, erzählt der 46-Jährige.

Die meisten Modelle sind Erbstücke, die aufgepäppelt werden sollen

Mit Oldtimern als Kapitalanlage hat es Halbig kaum zu tun. Vielmehr "sind viele Erbstücke dabei", die er herrichten soll. Da komme schon mal ein Rentner-Ehepaar vorbei mit der Bitte, einen in einer Scheune fast vergessenen VW-Bus für die lang ersehnte Campingreise aufzupäppeln.

Alt, aber immer noch Liebhaberstücke: Solche VW-Busse der T-Reihe sind das Metier von Swen Halbigs 'Boxergarage' in Hollstadt (Lkr. Rhön-Grabfeld).
Foto: Josef Lamber | Alt, aber immer noch Liebhaberstücke: Solche VW-Busse der T-Reihe sind das Metier von Swen Halbigs "Boxergarage" in Hollstadt (Lkr. Rhön-Grabfeld).

Apropos Camping: Urlaub dieser Art erfuhr hierzulande während der Corona-Pandemie eine große Popularität, weil Fernreisen tabu waren. Die Nachfrage nach Wohnmobilen und ähnlichen Fahrzeugen ging durch die Decke. Dieser Boom habe sich in seinen Geschäften allerdings nicht niedergeschlagen, meint Halbig. Vielmehr verzeichne er steigende Aufträge in einer Nische: Oldtimer-VW-Busse als eine Art Lebenslust, als Freude am Retro-Stil.

Und das ausgerechnet in Zeiten, in denen solche Fahrzeuge wegen ihres ausgeprägten Sprit-Verbrauchs verpönt sein könnten und Elektromobilität in aller Munde ist. Aber Halbigs Kundschaft schert sich offenbar nicht darum: "Das ist den Leuten egal. Für sie ist ein T2 oder T3 einfach ein Hobby."

Das Herrichten von T1-, T2- und T3-Modellen ist Halbigs Hauptgeschäft

1950 kam VW mit dem ersten Bus dieser Art auf den Markt, dem T1. Sein Markenzeichen: die zweigeteilte Frontscheibe. 1967 folgte mit dem T2 die nächste Generation, bevor 1979 der bis heute als "Bulli" bekannte T3 zum ersten Mal auf die Straßen und Campingplätze rollte.

Bis auf wenige Ausnahmen richtet Halbig das Geschäft seiner "Boxergarage" auf diese Modelle aus. Heckmotor, Baujahr bis maximal 1992 und nur Fahrzeuge, die er für Kunden repariert: Das ist das Geschäftsmodell des Alleinunternehmers. Alte VW-Busse kaufen, herrichten und dann für viel Geld wieder verkaufen, das mache er nicht.

Es kann Wochen dauern, bis ein alter VW-Bus wieder fahrtüchtig ist: Swen Halbig hat bei Oldtimern viel Handarbeit zu erledigen. Das Bild zeigt ihn am Motor eines Modells T2.
Foto: Josef Lamber | Es kann Wochen dauern, bis ein alter VW-Bus wieder fahrtüchtig ist: Swen Halbig hat bei Oldtimern viel Handarbeit zu erledigen. Das Bild zeigt ihn am Motor eines Modells T2.

Auch wenn – oder gerade weil – sich Halbig mit dieser Strategie in einer Nische befindet: Seine Adresse hat sich herumgesprochen. Mittlerweile bringen Menschen aus Fulda, Bamberg, Coburg oder Wien alte Busse zu ihm. "Das geht fast alles nur über Mundpropaganda", sagt der Hollstadter.

Grundsätzlich bewegt er sich in einem Metier, das nach Darstellung des Fachmagazins "Fahrzeug + Karrosserie" enormes Potenzial hat. Demnach haben die über 30 Jahre alten Autos in Deutschland einen Gesamtwert von 31 Milliarden Euro. Deren Volumen an Reparaturen und Wartungsarbeiten belaufe sich auf 3,8 Milliarden Euro – bis zu 1600 Euro pro Jahr und Oldtimer.

Im Schnitt 5000 Euro kostet eine umfangreiche Restaurierung

Im Schnitt 5000 Euro verlangt Swen Halbig dafür, einen VW-Bus wieder fahrtüchtig zu machen, der zum Beispiel 20 Jahre in einer Scheune vor sich hingammelte – Folgereparaturen nicht eingerechnet. Mehrere Wochen könne die Arbeit mitunter dauern.

Bevor er einen Auftrag annimmt, lege er den Kundinnen und Kunden eine meist mehrseitige Mängelliste vor, sagt Halbig. Damit wolle er klarmachen, dass in einem alten T1, 2 oder 3 oft sehr viel Handarbeit stecke. 12-Stunden-Arbeitstage seien für ihn die Regel. Die Ersatzteile bekommt der gelernte Industriemechaniker entweder durch das Ausschlachten ausrangierter Modelle oder von Fachhändlern.

Die Ersatzteile für seine Fahrzeuge bekommt der gelernte Industriemechaniker entweder durch das Ausschlachten ausrangierter Modelle oder von Fachhändlern.
Foto: Josef Lamber | Die Ersatzteile für seine Fahrzeuge bekommt der gelernte Industriemechaniker entweder durch das Ausschlachten ausrangierter Modelle oder von Fachhändlern.

Seinen ersten VW-Bus richtete Halbig mit 18 Jahren her. Viele Jahre später wurde aus der Leidenschaft ein Beruf. 2014 ließ er sich von der Handwerkskammer für Unterfranken zur "Fachkraft für die Restaurierung historischer Fahrzeugkarossen" zertifizieren. 

Angst vor der Mobilitätswende hin zu E-Autos hat Halbig nicht. Wenn es sein muss, baue er in einen T3 auch einen Elektromotor ein, sagt er mit einem verschmitzten Lächeln. Dass das mal ernst wird, glaubt Halbig nicht: "Benzin und Diesel wird es noch lange geben." Und somit auch Oldtimer.

Diese Einschätzung deckt sich mit einer Untersuchung der Kölner Beratungsgesellschaft BBE Automotive. Demnach sehen 76 Prozent der Bevölkerung in Deutschland Oldtimer als Kulturgut an. 66 Prozent bezeichnen sich gar als Oldtimer-Fans, zitiert "Fahrzeug + Karosserie" aus der Umfrage.

Oldtimer als Kapitalanlage: Was eine Finanzexpertin rät

Diese Zuneigung zu einer Kapitalanlage oder Altersversorgung zu machen, ist für Finanzexpertin Judit Maertsch vom Verbraucherservice Bayern in Würzburg grundsätzlich denkbar. Ähnlich wie bei altem Whisky, Kunstwerken oder Schmuck sei momentan zu beobachten, dass manche Menschen für ihr Geld eher ungewöhnliche Anlegeformen suchen. "Wenn die Welt wie zurzeit unsicherer wird, dann will man gerne was Physisches", meint Maertsch.

Doch sie warnt zugleich: In Oldtimer zu investieren, "ist super-spekulativ". Die Unwägbarkeiten wie Umweltauflagen, Preissprünge, Lagermöglichkeiten oder technische Details machten alte Autos "ausschließlich für Kenner" als Kapitalanlage interessant. "Als Altersvorsorge eher nicht", ergänzt die Finanzexpertin.

Derlei Risiken sind für Mechaniker Halbig in Hollstadt kein Thema. Für ihn geht es vielmehr um eine Art Respekt vor einem guten Stück Blech mit Motor. Einem Bulli wieder Leben einzuhauchen, "das hat irgendwie das Leben für mich bestimmt".

 
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