Die Milseburg mit ihrem unvergleichlichen Ausblick zählt zu den schönsten Bergen in der Rhön - und zu den beliebtesten Wanderzielen. So wurde hier eigens die zehn Kilometer lange Extratour Milsburgweg eingerichtet. Doch nicht nur der Berg ist besonders. Seit 135 Jahren steht hier oben auf 835 Metern Höhe, geschützt unterhalb des felsigen Gipfels, eine Hütte, die seinen Namen trägt. Und auch sie ist für viele Besucher eine Attraktion.
Ohne Strom, ohne fließend Wasser - und völlig marode
Zu erreichen ist sie nur über einen knapp einen Kilometer langen, ansteigenden Fußweg. Auch Strom und fließendes Wasser gibt es hier oben nicht. Aber gerade die urige und gemütliche Atmosphäre in den beiden schlicht eingerichteten Gasträumen schätzen viele Rhönbesucher: die Öl-und Gasfunzeln an den Decken, die Schiebetür am Eingang, durch die jeder neue Gast früher im Winter kalte Luft in die holzbeheizte Stube brachte. Die Milseburg-Bilder an den Wänden, das Portrait des legendären Hüttenwirts Ernst Bleul, den Herrgottswinkel oder den viel fotografierten Spruch über der Theke. Dazu kommen die einfache, herzhafte Kost wie der berühmte Erbseneintopf oder der Rhöner Blechkuchen. Und die steile Treppe hinter der Theke, die in den Kellerraum führt - mit Wänden teils aus nacktem Fels. Da es im Sommer keine andere Möglichkeit zur Kühlung gibt, muss der Wirt die Getränke hier holen.
Es sind viele, meist schöne Erinnerungen, die Rhönbesucher mit der Hütte verbinden. Wer sie noch einmal aufleben lassen oder die besondere Atmosphäre der Hütte noch einmal erleben will, hat nicht mehr viel Zeit. "Am 28. Oktober haben wir zum Montagssingen noch einmal geöffnet, dann ist vorläufig Schluss", sagt Wolfgang Kümpel, der die Hütte mit seiner Frau Patrizia seit nunmehr 13 Jahren gepachtet hat. Sie soll jetzt abgerissen werden.
Es ist schon länger bekannt, dass der Zustand der Holzbaus nach 135 Jahren im rauen Rhöner Klima nicht mehr der beste ist. "Wenn man im Sommer im Gastraum oder auf der Terrasse sitzt, ist alles angenehm und sieht urig aus", sagt Kümpel. Aber sobald der Herbst kommt, werde es zugig, man bekomme die Hütte inzwischen überhaupt nicht mehr warm. "An einen Betrieb im Winter ist gleich gar nicht zu denken", beschreibt er den völlig maroden Zustand des Gebäudes. Der Pächter hält den Abriss für alternativlos: "Da ist nichts mehr zu machen."
Zwar sei das Ende absehbar gewesen. Aber als bekannt wurde, dass der 28. Oktober der letzte Öffnungstag sein wird, seien manche Stammgäste "regelrecht geschockt" gewesen, erzählt Kümpel. Es herrsche viel Wehmut, weil ja doch viele hier sehr schöne Stunden erlebt hätten."Wo sollen wir denn künftig hin?", hätten die Montagssänger bedauert, die seit mehr als 30 Jahren jeden Montag zur Hütte hoch wandern und dort gemeinsam singen. Eine Räumlichkeit mit einer Atmosphäre wie oben auf der Milseburg werde wohl nicht zu finden sein. Jetzt zählen die Sänger die Montage, an denen sie sich noch in der alten Hütte treffen können.
Auch für die Kümpels wird es "eine harte Herausforderung". Mit "einem lachenden und einem weinenden Auge" sieht Patrizia Kümpel dem Abriss entgegen. Schon seit 34 Jahren inzwischen arbeitet sie oben auf der Milseburg und stand 21 Jahre als Angestellte und 13 Jahre als Chefin hauptsächlich vor dem großen Holzherd in der Küche und bekochte ihre Gäste.
Den alten Herd will sie sich vor dem Abriss als Andenken sichern, ihr Mann rettet die Tafel über der Theke. Nach so langer Zeit hängt Patrizia Kümpels Herz an der alten Hütte - doch so sehr er schmerzt, den Abriss hält auch sie für unvermeidlich. Gleichzeitig freut sie sich, im nächsten Jahr mal "nicht unter diesem Druck zu stehen". Die Zeit, die sie dann für sich hat, will sie nutzen: unter anderem dazu, einmal vier Wochen auf einer hochalpinen Berghütte zu arbeiten. Befreundete Kollegen in den Hohen Tauern machen ihren lang gehegten Wunsch möglich.
Wann genau die Hütte abgerissen wird? Die Kümpels wissen es auch nicht. Klar ist, dass lediglich die Grundmauern stehen bleiben. Darauf soll dann eine neue Hütte errichtet werden. Wie die aussehen wird? Die Kümpels wurden dazu gehört, erste Pläne haben sie auch schon gesehen. Entscheiden werden die Gemeinde Hofbieber als Eigentümer der Hütte und der Landkreis Fulda. Für den Neubau werden die Fertigteile wohl mit dem Hubschrauber eingeflogen werden müssen. Wann die neue Milseburghütte steht? Die Pächter hoffen, dass es schon im Spätsommer 2020 so weit ist.
Insellösung statt Erschließung
Der Bürgermeister der Eigentümergemeinde Hofbieber, Markus Röder, ist zurückhaltend in Sachen Zeitplan: "Wenn viel gutes zusammenkommt, kann der Abriss schon in diesem Herbst beginnen", lautet seine vorsichtige Einschätzung mit Blick unter anderem auf die Abrissgenehmigung. Der Bürgermeister würde sich auch freuen, wenn der Neubau tatsächlich im nächsten Sommer starten könnte. Aber es sei noch viel Arbeit im Hintergrund zu erledigen und erst einmal müssten die Genehmigungsprozesse abgeschlossen werden. Aus Erfahrung weiß Röder, dass bei solchen Projekten immer etwas dazwischen kommen kann.
Im Landratsamt Fulda wird das Projekt koordiniert. Wie Sprecherin Leonie Rehnert erklärt, unterstützt der Kreis das Vorhaben auch finanziell und hat für Planung und Bau bislang 400 000 Euro in den Haushalt eingestellt.
Klar ist jedenfalls, dass die Hütte zunächst nicht zentral mit mit Wasser, Abwasser und Strom erschlossen werden wird. Da vor einer Bohrung von Leitungen durch den Fels des geschützten Berges wohl ein langer Rechtsstreit mit Naturschutzverbänden droht, wurden Neubau und Erschließung planerisch getrennt. Für die neue Hütte, so Kümpel, werde erst mal eine Insellösung wie bisher auch geschaffen.
Ob die Kümpels die neue Hütte auch betreiben wollen? Beim Neubau könne durchaus etwas sehr Gutes herauskommen, sagen sie. Den Charakter der alten Milseburghütte aber könne keine neue Hütte haben, sind sie überzeugt. Und, sagen sie: Eine Hütte müsse zum Wirt passen. Sie wollen abwarten - und sich je nachdem, wie der Neubau ausfällt, entscheiden.
Länge: 10,6 Kilometer
Dauer: 3 Stunden
Aufstiegshöhenmeter: 520 Meter
Höchster Punkt: 805 Meter
Schwierigkeit: Mittel
Markierung: Rotes „M“ auf weißem Grund