Die Paletten mit den Feldbetten sind gewaltig schwer. Die Mitarbeiter des Kommunalunternehmens haben zu tun, die schweren Paletten zu heben. Klaus Bittorf, Leiter des Wertstoffzentrums, packt mit an. 100 Feldbetten müssen an diesem Freitagmorgen in die Dreifachturnhalle des Landkreises neben dem Bad Neustädter Rhön-Gymnasium gebracht werden. 100 Feldbetten für Kriegs-Flüchtlinge aus der Ukraine.
Die Sporthalle wird also zum Erstaufnahmelager für die Menschen aus dem osteuropäischen Land. "Wir sind vorbereitet. Aber wir wissen natürlich überhaupt nicht, wann die Flüchtlinge kommen und wie viele es sind", sagt Landrat Thomas Habermann, und weiter: "Es bleibt spannend." Die Kolleginnen und Kollegen am Landratsamt sind rund um die Uhr im Einsatz. Neben der Corona-Pandemie ist mit der Ukraine-Krise eine zweite Großaufgabe für die Behörde zu bewältigen.
Krisenstab eingerichtet
Am Donnerstag traf sich der rund 20-köpfige Ukraine-Krisenstab des Landkreises zum dritten Mal. Rund 20 Vertreterinnen und Vertreter von Hilfsorganisationen, karitativen Einrichtungen, der Polizei, der Kommunen, der Sozialbehörden oder beispielsweise der Arbeitsagentur waren zusammengekommen, um den aktuellen Sachstand zu diskutieren und weitere Arbeiten zu organisieren.
Rund 470 ukrainische Kriegsflüchtlinge sind - Stand Donnerstagvormittag - im Landkreis angekommen. Davon sind gut 440 registriert. Diese vorläufige Registrierung über eine sogenannte Fiktionsbescheinigungen erlaubt den Flüchtlingen sofort Zugang zu Sozialleistungen, vor allem aber können sie sofort arbeiten. Die Registrierung auch mittels Fingerabdruck gestaltet sich etwas komplizierter. Die speziellen Scanner werden von der Bundesdruckerei geliefert. Der Landkreis verfügt aber nur über ein solches Lesegerät, speziell für die ausländerrechtliche Registrierung. Deshalb sei es auch nicht möglich, Registrierungen zum Beispiel in Bad Königshofen oder Mellrichstadt vorzunehmen, wie Landrat Habermann erklärt.
Die Frage aller Fragen lautet, wie man die Frauen und Kinder unterbringt. Die ersten größeren Kontingente wurden bekanntlich im Schullandheim Rappershausen, im Haus St. Michael und auf dem Bauersberg untergebracht. Das sind jedoch nur Übergangslösungen, zumal teilweise auch schulische Nutzungen nach den Osterferien wieder anstehen.
Erstes Obdach Dreifachturnhalle
Zwei Objekte hat sich der Landkreis jetzt ausgesucht, die für die Erstaufnahme von Flüchtlingen dienen sollen. Das ist zum einen die besagte Dreifachturnhalle nahe dem Rhön-Gymnasium. 100 Flüchtlinge könnten dort ein erstes Obdach finden. "Große Städte wie München sind bald an der Kapazitätsgrenze. Wir gehen davon aus, dass hier noch weiterverteilt wird auf die ländlichen Regionen", schätzt der Landrat die Lage ein.
Aber nicht nur die Dreifachturnhalle soll genutzt werden. "Wir sind dabei, für 100 Personen Wohnmöglichkeiten im ehemaligen Kreiskrankenhaus zu schaffen", verkündet Habermann. Mittlerweile wurden die sanitären Anlagen, die Wasserversorgung und weitere Haustechnik überprüft. Die hygienische Sicherheit sei gewährleistet. Die Unterkünfte würden dann im Stockwerk über dem Impfzentrum geschaffen, so der Landrat. Geflüchtete sollen höchstens 48 Stunden in der Dreifachturnhalle verbringen müssen, im ehemaligen Kreiskrankenhaus könnten die Menschen für rund zehn Tage ein Obdach finden, bevor sie in andere Unterkünfte gingen.
Das Landratsamt sammelt zentral Angebote für die Unterbringung. Über 100 Wohnmöglichkeiten - von der Wohncouch für ein paar Tage bis hin zur eigenen Wohneinheit für längere Dauer - sind bisher am Landratsamt eingegangen. Dort überprüft man die Angebote. "Wir bedanken uns schon jetzt für die große Hilfsbereitschaft", lobt Landrat Habermann das Engagement der Landkreisbewohnerinnen- und Bewohner.
Vier Möglichkeiten für Mietverhältnisse
Wie Jürgen Marschall vom Amt für Soziale Angelegenheiten erklärt, gibt es derzeit vier Möglichkeiten von Mietverhältnissen. Ein Wohnungseigentümer könne die Wohnung kostenfrei zur Verfügung stellen. Im Falle der Bedürftigkeit erhalte der Flüchtling Sozialleistung nach dem Asylgesetz. Möglichkeit zwei ist die mietfreie Unterbringung, der Vermieter erhält jedoch eine Nebenkosten-Pauschale. Den genauen Betrag lege das Staatsministerium noch fest.
Weiter kann der Freistaat über den Landkreis eine Wohnung als dezentrale Unterkunft anmieten, die Flüchtlinge haben dann keine vertragliche Verbindung zum Vermieter. Da hier gewisse Vorgaben wie Fluchtwege, Rauchmelder und so weiter einzuhalten sind, kann sich die Einrichtung einer solchen Wohnung über mehrere Wochen hinziehen. Schließlich gibt es noch die Möglichkeit für Vermieter, direkt mit den Flüchtlingen einen privatrechtlichen Mietvertrag abzuschließen. Hier beteiligt sich das Sozialamt bei Bedürftigkeit wie in den anderen Fällen an den Kosten.
"Es ist vorgesehen, zeitnah offizielle Helferinnen und Helfer zur Verfügung zu stellen, um die Ehrenamtlichen zu entlasten", kündigte Landrat Habermann weiter an. Auch eine Liste von Dolmetscherinnen und Dolmetschern wurde erstellt, die gegen Bezahlung ihre Dienste zur Verfügung stellen sollen.
Am Landratsamt wird derzeit auch ein Flyer erarbeitet für Kommunen, Vereine oder Helferkreise, der die wichtigsten Behördengänge und -Stellen auflistet, auf die Flüchtlinge aus der Ukraine angewiesen sind. Auch eine abgespeckte ukrainische Version soll es geben. Der Flyer soll regelmäßig aktualisiert werden.
Aufnahme in Kindergärten und Schulen
Des Weiteren laufe die Aufnahme von ukrainischen Kindern in den Kindergärten an, gleiches gilt für Schülerinnen und Schüler. Was die Kindergärten betrifft, drückt der Freistaat angesichts der Notlage gerade ein Auge zu, was Personalschlüssel betrifft. "Hinzu kommt aber, dass ohnehin viele Erzieherinnen coronabedingt ausfallen", so Habermann. Keine leichte Lage also für die Kitas im Landkreis.
"Was wir schon jetzt bemerken: Viele Kinder sind traumatisiert. Wir werden auch besondere Betreuungsmöglichkeiten für diese traumatisierten Kinder schaffen müssen", weist der Landrat auf ein weiteres Problemfeld hin. Und schließlich laufe die Impfkampagne für die ukrainischen Flüchtlinge an, neben Corona geht es dabei auch um Masern.
Viel zu tun also für den Landkreis als Behörde. "Wir sind im 24/7-Modus. Das geht nur mit einer extrem leistungsbereiten Mannschaft", so Landrat Habermann. Die Arbeitet endet nicht. Und glücklicherweise auch nicht die Hilfsbereitschaft der Menschen im Kreis.
Ukraine-Hilfe
Wer zum Beispiel Wohnraum zur Verfügung stellen will, kann sich an das Landratsamt Rhön-Grabfeld unter der E-Mail ukrainehilfe@rhoen-grabfeld.de wenden.
An vielen Stellen gibt es auch Sammelaktionen. Detaillierte und aktuelle Informationen zum umfangreichen Hilfsangebot gibt es in einem Online-Artikel:
www.mainpost.de/10741015