Der kommende Montag wird ein besonderer Tag in Mellrichstadt. Dann feiert ein Unternehmen seinen 100. Geburtstag, das als wirtschaftlicher Motor der Stadtentwicklung aus dem Streutal und darüber hinaus nicht wegzudenken ist: die Reich GmbH.
1200 Mitarbeiter an drei Standorten in Deutschland und den USA sowie über 150 Millionen Euro Jahresumsatz sind eine Hausnummer. Damit reiht sich Reich in die Riege der ganz großen Industriebetriebe im Landkreis Rhön-Grabfeld. Und wie es sich für eine deutsche Unternehmensgeschichte gehört, begann sie ganz klein und kurz nach dem Ersten Weltkrieg im Thüringischen Zella-Mehlis.
In einem Keller fing alles an
Als Zweimann-Betrieb im Keller des elterlichen Wohnhauses gründeten die Brüder Karl und Franz Reich in Thüringen eine Fahrradteile-Fabrik. Mit Fahrradglocken, Kugellagern und anderen Fahrradteilen wuchs die Firma Reich schnell auf eine Belegschaft von 250 Angestellten bis zum Jahr 1938. Während der Nazi-Herrschaft erfolgte das Verbot der Fahrradteile-Produktion und die Umwandlung zum Rüstungsbetrieb. Im Kriegsjahr 1941 wurde die Errichtung eines Ausweichbetriebes in Mellrichstadt angeordnet. Nach der Enteignung durch die russischen Besatzer flüchtete das Brüderpaar 1947 nach Mellrichstadt, wo der Betrieb wieder aufgebaut wurde. Fahrradglocken, Drehteile oder Kugellager waren wieder die Hauptprodukte, die Reich lieferte.
Expansion in den Wirtschaftswunderjahren
In den Wirtschaftswunderjahren wurde fleißig expandiert, 1957 die erste Kantine eingerichtet. 1969 schließlich zählte das Unternehmen 400 Mitarbeiter in Lohn und Brot. "Glocken-Reich" wurde das Unternehmen damals genannt, es war bis Ende der Siebzigerjahre der einzige westdeutsche Fahrradglocken-Hersteller. 1976 stieg schließlich Karl-Hermann Reich in die Unternehmsführung ein. Er ist der Sohn von Hans Reich und Enkel des Firmengründers Karl Reich. 1990 übernahm Karl-Hermann Reich die alleinige Geschäftsführung.
Unter seiner Führung wurde der Wechsel vollzogen zum reinen Automobilzulieferer. 2002 wurde die letzte Fahrradglocke in Mellrichstadt produziert. 2014 zog sich der Senior aus dem operativen Geschäft zurück, die Kinder Nina und André Reich übernahmen das Ruder. Heute beschäftigt das Unternehmen an drei Standorten in Mellrichstadt, den USA und in Sachsen 1200 Mitarbeiter.
Karl-Hermann Reich - Ein Gönner der Stadt
Karl-Hermann Reich hat sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer wieder als Gönner der Stadt und der Region bewiesen. Das beginnt mit der Gründung der Karl-Reich-Stiftung 1994, die Vorhaben und Projekte fördert. Kindergärten wurde bei der Anschaffung von Spielgeräten geholfen, Gemeinden bei der Errichtung von Kinderkrippen unterstützt oder es wurden Kirchensanierungen mitgefördert.
Auch die besten Abiturienten ihres Jahrgangs dürfen sich auf die Unterstützung der Stiftung verlassen. In der Winterzeit ist die Schlittschuhbahn auf dem Mellrichstädter Marktplatz, ein Geschenk des ehemaligen Firmenchefs, alljährliches Zeichen der Verbundenheit mit dem städtischen Leben. Nicht zu vergessen das Stadthotel Reich, das seinen Anteil an der Belebung der Innenstadt hat.
Aber auch ehemalige Mitarbeiter der Firma Reich erhalten Unterstützung. 2016 wurde das vielfältige Wirken Karl-Hermann Reichs mit dem Bundesverdienstkreuz gewürdigt. Auch das Seniorenwohnheim der Lebenshilfe für Menschen mit Behinderung am Hainberg konnte durch das Wirken des Unternehmers verwirklicht werden.
Große Herausforderungen auch in Zukunft
Im 100. Jahr des Bestehens sind die Herausforderungen für die Reich GmbH groß. Der Diesel-Skandal hat auch bis an die Streu ausgeschlagen. Fast in jedem Diesel-Pkw auf der Welt steckt ein Teil von Reich, doch die Zukunft dieses Verbrennungsmotors ist angesichts aktueller Diskussionen ungewiss, auch wenn man bei Reich fest an sie glaubt. Nach einem Rückgang der Fertigungszahlen Mitte 2018 hat sich die Produktion auf ein stabiles Niveau eingependelt. Ungebremst ist die Investitionsfreude bei der Reich GmbH. Mit 30 Millionen Euro wurde 2018 der bisher größte Betrag investiert, vor allem für neue Maschinen,eine neue Halle und das Logistikzentrum in der Loh. In diesem Jahr kommen noch einmal 20 Millionen Euro hinzu.
"Ich bin stolz auf das, was von unserer Familie erreicht wurde. Speziell unser Vater hat für die heutige Positionierung der Firma die richtigen Weichen gestellt", sagt Geschäftsführerin Nina Reich, die mit ihrem Bruder André ohne die klassische Aufgabenverteilung das Unternehmen führt. "Wir haben ein solides Fundament, auf dem wir weiterarbeiten können", ergänzt Bruder André Reich.
E-Mobilität als Zukunftsmarkt
Man will in der Mellrichstädter Industriestraße gewappnet sein für die Zukunftstechnologie Elektromobilität. Die wird bei Reich immer wichtiger. Auch für Elektroräder produziert Reich mittlerweile Teile. Damit kommt Reich zurück zu seinen Anfängen. Und öffnet sich weiter für eine erfolgreiche Zukunft. Dabei sieht man sich bei Reich nicht in erster Linie als klassischer Produktentwickler, sondern stellt seine Kompetenz in Sachen Fertigungsprozess heraus. "Wir sind hochinnovativ bei Produktionsprozessen- und Verfahren. Wir definieren die richtige Maschine, das maßgeschneiderte Werkzeug, das optimale Material und das passende Fertigungsverfahren. Geht nicht gibt es bei uns nicht", sagt André Reich.
Wenn am Montag, 13. Mai, um 17.30 Uhr der Festakt zur 100-jährigen Firmengeschichte in der Oskar-Herbig-Halle beginnt, dann werden Kunden, Lieferanten und Geschäftspartner gebührend feiern. Am 22. Juni gibt es für Mitarbeiter und ihre Angehörige einen Familientag auf dem Firmengelände.