Ein Bereitschaftsrichter in Saarbrücken unterbindet von jetzt auf gleich am Karfreitag per einstweiliger Verfügung die Verbreitung eines kompletten Online-Beitrags - das kann ja wohl nicht sein, meinte der Chefredakteur der Fränkischen Nachrichten (FN), Fabian Greulich. Mehr als fünf Wochen später bestätigte nun das Landgericht Mosbach die Rechtsauffassung des Verlags aus Tauberbischofsheim: Es hob den Beschluss aus Saarbrücken auf.
Was war passiert? Die Fränkischen Nachrichten hatten über einen Strafprozess gegen einen Physiotherapeuten berichtet, der in Bad Mergentheim wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs vor Gericht steht. Einen in der Karwoche erschienenen Bericht wollte die Verteidigerin des Angeklagten unterbinden.
Sie wandte sich mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung an das Bereitschaftsgericht in Saarbrücken. Der Bericht enthalte eine Vorverurteilung und sei einseitig. Zudem werde ihr Mandant unzulässigerweise identifizierbar gemacht, monierte die Rechtsanwältin aus dem Saarland unter anderem. Neben dem kompletten Online-Beitrag sollte der Zeitungsverlag auch sieben Einzeläußerungen zu dem Strafprozess unterlassen.
Das Landgericht hält den Angeklagten nicht für erkennbar
Dass der Saarbrücker Richter diesem Antrag am Karfreitag stattgab, obwohl die Redaktion lediglich drei Stunden Zeit zur Erwiderung bekommen hatte, brachte Chefredakteur Fabian Greulich auf. Seine Zeitung legte umgehend Widerspruch ein. Und der hatte jetzt Erfolg. Dem Physiotherapeuten stehe kein Anspruch auf Unterlassung des Artikels zu, da er darin nicht erkennbar sei, befand jetzt der Mosbacher Richter.
Ausführlich begründete der Richter seine Auffassung, der Artikel sei im Hinblick auf den Angeklagten gerade noch nicht identifizierend. Auf die Frage, ob den FN am Karfreitag ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war, geht das Urteil indes nicht ein.
Rechtsanwalt Dr. Malte Nieschalk von der Berliner Kanzlei Johannes Weberling, die die Main-Post in allen presserechtlichen Fragen berät, hält den jetzt aufgehobenen Hau-Ruck-Erlass aus Saarbrücken für unverändert problematisch. Eine Erwiderungsfrist von lediglich drei Stunden habe das Recht auf prozessuale Waffengleichheit verletzt, sagt der Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht.
Gerichtlich wird diese Frage aber wohl nicht geklärt werden. Denn durch die mündliche Verhandlung in Mosbach erhielten die FN nachträglich die Möglichkeit, ihre Rechtsauffassung vorzutragen.
Chefredakteur der Fränkischen Nachrichten sieht die Arbeit der Redaktion bestätigt
Chefredakteur Fabian Greulich ist mit der Entscheidung zufrieden: "Dieses Urteil bedeutet aus meiner Sicht einen Sieg für die Pressefreiheit. Es bestätigt unsere korrekte und seriöse Berichterstattung und ist Beleg dafür, dass es sich lohnt, auch und gerade auf lokaler Ebene für die presserechtlichen Grundsätze zu kämpfen."
Ein Rätsel sei für ihn nach wie vor, wie es überhaupt zu dieser einstweiligen Verfügung kam. "Aus meiner Sicht hätte der Richter in Saarbrücken diese weitreichende Entscheidung unter den gegebenen Voraussetzungen nicht treffen dürfen", sagt Greulich.
Die Verteidigerin will das Urteil nicht hinnehmen
Der Rechtsstreit dürfte mit dem Mosbacher Urteil indes noch nicht beendet sein. Rechtsanwältin Charlotte Warken-Luxenburger, die den Physiotherapeuten vertritt, hält die Einschätzung des Gerichts, ihr Mandant sei in dem Bericht nicht erkennbar, für fehlerhaft. "Wir werden diese Auffassung selbstverständlich nicht hinnehmen und prüfen derzeit sowohl Hauptsacheklage als auch Berufung", teilt sie auf Nachfrage mit. Presserechtliche Grundsätze seien verletzt worden. Ihrem Mandanten sei ein erheblicher Schaden entstanden, der ebenfalls geltend gemacht werde.