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Tauberbischofsheim
Fränkische Nachrichten: Artikel-Verbot oder nicht? Streit um einstweilige Verfügung vor Gericht
Jetzt wird über den Widerspruch des Verlags aus Tauberbischofsheim gegen die Untersagung eines Prozessberichts verhandelt. Wieso der Chefredakteur noch keine Klarheit hat.
Pressefreiheit eingeschränkt? Die Fränkischen Nachrichten aus Tauberbischofsheim wehren sich gegen eine einstweilige Verfügung vor Gericht.
Foto: Getty Images, FN/ Montage: Daniel Biscan | Pressefreiheit eingeschränkt? Die Fränkischen Nachrichten aus Tauberbischofsheim wehren sich gegen eine einstweilige Verfügung vor Gericht.
Claudia Schuhmann
 |  aktualisiert: 02.05.2024 02:45 Uhr

Über den Widerspruch der Fränkischen Nachrichten (FN) gegen die einstweilige Verfügung, die dem Verlag die Verbreitung eines kompletten Online-Beitrags untersagt hat, ist jetzt am Landgericht Mosbach verhandelt worden. FN-Chefredakteur Fabian Greulich hatte gehofft, endlich Klarheit darüber zu erlangen, ob der Bericht wieder online veröffentlicht werden kann. Doch die hitzig geführte Verhandlung an diesem Mittwoch brachte das Verfahren nicht zum Abschluss.

Die Rechtsanwältin des Mannes, für den sie die einstweilige Verfügung beantragt hatte, führte nämlich als Mittel zur Glaubhaftmachung das Protokoll über eine Hauptverhandlung in dem Strafverfahren ein, das gegen ihren Mandanten vor dem Amtsgericht Bad Mergentheim läuft.

Für die Fränkischen Nachrichten waren Rechtsanwältin Bettina Zerelles aus Frankfurt und Justiziar Johannes Fuchslocher nach Mosbach gekommen. Die Gegenseite war mit Rechtsanwältin Charlotte Warken-Luxenburger aus dem Saarland und Justizrat Hans-Georg Warken vertreten.

Anwältin des Angeklagten: Es hätte eine Stellungnahme eingeholt werden müssen

Ihr Mandant - ein Physiotherapeut, der sich aktuell wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses vor Gericht verantworten muss - sei durch die Berichterstattung der Fränkischen Nachrichten identifizierbar geworden, sagt Warken-Luxenburger. Das sei nicht zulässig. Außerdem seien Aussagen aus dem Strafverfahren aus dem Zusammenhang gerissen und falsch wiedergegeben worden. Die FN habe Belastendes und Entlastendes zu Ungunsten ihres Mandanten einseitig gewichtet. Das sei nicht hinnehmbar, zumal die Reporter bei der Verteidigung keine Stellungnahme eingeholt und folglich die andere Seite nicht gehört hätten. 

Diesen Vorwürfen trat die Anwältin des Verlags aus Tauberbischofsheim entschieden entgegen. Erkennbar könne der Angeklagte allenfalls aus der Gesamtschau aller erschienener Artikel sein. Das sei jedoch nicht so.

Angegriffen worden sei aber nur ein Artikel, in dem nichts auf die Identität des Mannes hindeute. Darin, und auch in anderen Artikeln, seien auch Umstände, die den Angeklagten entlasten, angesprochen. Laut Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssten Journalisten keine Stellungnahme einholen, wenn über Inhalte einer öffentlich geführten Hauptverhandlung berichtet werde.

Protokoll aus dem Strafverfahren soll Fehler im Bericht belegen

Die aus ihrer Sicht falsche Wiedergabe des Verhandlungsgeschehens am Amtsgericht Bad Mergentheim wollen die Anwälte des Physiotherapeuten durch Passagen aus dem Protokoll der Verhandlung am Amtsgericht Bad Mergentheim nachweisen.

Die Anwältin des Verlags hatte dieses Protokoll noch nicht erhalten. Die Gegenseite kündigte an, bestimmte Stellen im Hinblick auf Persönlichkeitsrechte vorher schwärzen zu wollen. Dies könne dem Beweiswert abträglich sein, gab der Richter zu bedenken. Seiner vorläufigen Einschätzung zu Verhandlungsbeginn nach hält er den Anspruch auf Unterlassung eines kompletten Artikels für grundsätzlich nicht gegeben.

Kurze Frist am Karfreitag kam in der Verhandlung nicht zur Sprache

Auch von den sieben Einzeläußerungen, deren Unterlassung Anwältin Warken-Luxenburger zusätzlich verlangt, scheint der Richter nur eine als kritisch anzusehen. Allerdings, sagte er, hätten beide Seiten bezüglich der Identifizierbarkeit des Angeklagten gewichtige Argumente vorgebracht.

Gar nicht thematisiert wurde am Landgericht Mosbach am Mittwoch die Frage, ob es zulässig war, am Karfreitag die einstweilige Verfügung zu erlassen, ohne dem Verlag eine angemessene Frist zur Erwiderung einzuräumen. Diese Frist hatte gerade drei Stunden betragen. 

Entscheidung des Gerichts vertagt: Beide Seiten sind optimistisch

Die Entscheidung über den Widerspruchs des Verlags will das Landgericht am 7. Mai verkünden.

Hans-Georg Warken wollte nach der Verhandlung keinen Tipp zum möglichen Ausgang abgeben. Er geht davon aus, dass die Sache letztendlich nicht in Mosbach entschieden wird. Die Anwältin des Verlags, Bettina Zerelles, ist aufgrund der vorläufig geäußerten Rechtsauffassung des Richters positiv gestimmt. Sie ist nach wie vor überzeugt davon, dass der Beitrag der Fränkischen Nachrichten in Ordnung sei.

Das sagt auch Chefredakteur Fabian Greulich: "Der Verlauf der Verhandlung bestätigt mich darin, dass wir seriös und sauber berichtet haben. Es hätte nie passieren dürfen, dass ein Beschluss eines Bereitschaftsgerichts eine ganze Berichterstattung lahmlegt."

 
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  • Martin Deeg
    Auch regionale Monopolzeitungen sind nicht sakrosankt und nicht alles, was legitim ist, ist deshalb auch „seriös und sauber“.
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