Lohnt sich das neue Deutschland-Ticket nur für Menschen, die in Ballungsgebieten mit gut ausgebautem ÖPNV leben? Diesen Vorwurf hat man seit dem Start des Tickets am ersten Mai häufiger gehört. Im Landkreis Main-Spessart soll die Nachfrage trotzdem sehr hoch gewesen sein, wie die Nahverkehrsbeauftragte des Landkreises im Kreistag erklärte. Wir haben drei Pendler aus der Region gefragt: Nutzen sie das Ticket oder kommt es aus irgendeinem Grund nicht für ihre Pendelstrecke infrage?
Andre Weinrich aus Frammersbach: "Ein Deutschlandticket hätte man schon vor 20 Jahren einführen sollen"
Andre Weinrich pendelt seit 17 Jahren von mit dem Zug von Frammersbach nach Aschaffenburg. Für das erste Abo-Ticket hat er damals 93 Euro bezahlt, heute 165. "Da ist das 49-Euro-Ticket schon ein Segen – das hätte man eigentlich schon vor 20 Jahren einführen", sagt er. Den Preis findet er angemessen, bei den Pendlerinnen und Pendlern komme eine tatsächliche Entlastung an. Neun Euro sei übertreiben gewesen. "Aber bei dem Preis wird es ja wahrscheinlich nicht bleiben. Ich kann mir gut vorstellen, dass schon nächstes Jahr erhöht wird", sagt er. Schade findet Weinrich, dass für "Stammkunden" wie ihn andere Vorteile weggefallen sind. Mit seiner Abo-Karte konnte er sonst samstags eine zusätzliche Person mitnehmen und auch eine BahnCard 25 gab es gratis – die fällt nun weg. Und ein Problem bleibt: dass Züge immer wieder verspätet sind oder ausfallen. "Bei meiner Arbeit ist das kein Problem, wenn ich mal später komme. Ich lege mir früh einfach keine Termine mehr." Jungen Leuten sei dieser Zeitverlust aber zu hoch. "Die werden keine Bahn-Dauerkunden", prognostiziert Weinrich.
Richard Roos aus Esselbach: "Man hätte besser in den Ausbau des Nahverkehrs investieren sollen"
Richard Roos pendelt von Esselbach zu seinem Arbeitsplatz in Frankfurt – mit dem Auto. "Egal, wie günstig das Ticket wird – ich kann mit dem bestehenden öffentlichen Nahverkehr nicht nach Frankfurt kommen und einen Arbeitstag bestreiten", sagt er. Mit dem Auto fährt er etwa 50 Minuten. Mit dem ÖPNV müsste er zunächst mit dem Bus nach Marktheidenfeld, dort umsteigen in den Bus nach Lohr und dort am Bahnhof in den Zug nach Frankfurt. Zu seiner Arbeitsstelle wären es noch 15 Minuten Fußweg. Um gegen 9 Uhr im Büro zu sein, müsste er um 6.21 Uhr im ersten Bus sitzen – statt um 8 Uhr bequem ins Auto zu steigen. Am Abend müsste er entweder früh Feierabend machen, um 17.20 Uhr wieder in Lohr sein und den letzten regulären Bus nach Esselbach zu nehmen. Oder Tage vorher den Rufbus buchen. Roos, der in Esselbach Bürgermeister ist, sagt deshalb: "Das Geld, mit dem das 49-Euro-Ticket subventioniert wird, wäre besser in einer Erweiterung des Nahverkehrs angelegt gewesen." Positiv findet er aber, dass die Tarif-Waben und -Zonen durch das Deutschlandticket wegfallen und der Übergang nach Hessen oder Baden-Württemberg einfacher wird.
Alexander Kühl aus Karlburg: "Warum bietet man das 49-Euro-Ticket nur im Abo an?"
Alexander Kühl fährt täglich vom Karlstadter Bahnhof mit der Regionalbahn nach Würzburg. Mit dem neuen Ticket spart er monatlich 70 Euro. "Gegen den Preis des Deutschlandtickets kann man nichts sagen, auch wenn ich es mir natürlich günstiger gewünscht hätte", sagt er. Er vermutet, dass der Erfolg des 9-Euro-Tickets viele Verantwortliche überrascht hat – und sie deshalb Angst vor einem neuen Ansturm hatten. Dass die Züge im vergangenen Sommer überfüllt waren, war für ihn als regelmäßiger Pendler nicht unbedingt angenehm. Trotzdem sagt er: "Für 9 Euro im Monat hätte ich das in Kauf genommen. Dann hätte die Bahn auch dauerhafte Lösungen finden und zum Beispiel mehr Wagons einsetzen können." Dass das Ticket nur im Abo erhältlich ist und nur zum Monatsbeginn gebucht werden kann, halte viele Neueinsteiger und Gelegenheitsfahrer davon ab, die Bahn auszuprobieren. Für ältere Leute sei es außerdem eine Hürde, dass das Ticket hauptsächlich digital verkauft wird. Kühl fährt mit dem Rad zum Karlstadter Bahnhof. Schade findet er, dass der Bus-Takt zwischen Karlstadt und Karlburg nicht besser getimt ist. "Zu vielen Tageszeiten kommt der Zug aus Würzburg an, wenn der Bus nach Karlburg seit fünf Minuten weg ist."
Diejenigen, die bisher schon in Ballungsräumen gute Bus- und Zugverbindungen hatten, fahren jetzt eben noch billiger. Und diejenigen auf dem Land, die "abgehängt" sind, müssen das mitfinanzieren ohne einen Vorteil zu haben.
Durch das 49-Euro-Ticket fährt auf den Dörfern kein einziger Zug/Bus mehr als vorher.