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Karlstadt
Zellingen stand in Flammen: Die Menschen gründeten Feuerwehren
Aus der Geschichte Main-Spessarts (97): Brandausbrüche waren früher verheerend. Als Zellingen 1863 in Flammen stand, war klar: Es braucht organisierte Feuerwehren. Ein Blick in die Geschichte der Brandbekämpfung.
Zellingen brennt am 13.  Juli 1863: 93 Wohnhäuser, 120 Scheunen und 195 Nebengebäude mit Vieh und Hausgeräten fielen dem Brand zum Opfer. 
Foto: Markt Zellingen | Zellingen brennt am 13.  Juli 1863: 93 Wohnhäuser, 120 Scheunen und 195 Nebengebäude mit Vieh und Hausgeräten fielen dem Brand zum Opfer. 
Georg Büttner
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:53 Uhr

Es war ein verheerender Brand, der am 13. Juli 1863 in Zellingen wütete. Der gesamte Ort stand in Flammen. 93 Wohnhäuser, 120 Scheunen und 195 Nebengebäude samt Vieh fielen dem Großbrand zum Opfer. Das Feuer brach zwischen Unterer Langgasse und Maingasse aus, so steht es im Gemeindearchiv. Dort war Lohrinde (gemahlene Eichenrinde) gelagert. Diese flog "wie feurige Drachen" herum, schrieb der Zellinger Chronist und Ehrenbürger Eugen Dickert. "Innerhalb von zwei Stunden stand alles in Flammen, 14 Tage schwelgte die Glut."

Laut Dickert hatte zum Zeitpunkt des Brandes starker Wind geherrscht, der das Feuer schnell in Richtung altes Rathaus wehte. Mit primitiven Mitteln hätten die Zellinger versucht, den Brand zu bekämpfen. Sie schöpften mit Eimern Wasser aus dem Main. Menschenketten hatten sich gebildet, Eimer wurden hastig weitergereicht.

Brand ließ sich nicht stoppen

Unterstützt hatten die Zellinger 200 Pioniere aus Würzburg, die eilig zum Löschen und Aufräumen mit der Bahn nach Retzbach und weiter mit der Fähre nach Zellingen befördert worden waren. Auch der Leinreiter Georg Andreas Hofmann aus Karlstadt hatte mit seinem Marktschiff eine tatkräftige Hilfsmannschaft mit Löschgeräten an den Brandort gebracht - letztlich vergeblich. Der Brand ließ sich nicht stoppen. Es war eine der größten unterfränkischen Brandkatastrophen, die nicht nur in Zellingen zu einer Diskussion über das Löschwesen führte.

Es gab zwar bereits eine Verordnung, dass die Requisiten und Löschapparate einer Gemeinde in gutem Zustand zu halten sind. Aber es setzte sich die Erkenntnis durch, dass dies alleine nicht genügt. "Es ist anzustreben, dass in jeder Gemeinde Leute ausgebildet sind, die mit den Löschmaschinen erfolgreich zu manipulieren wissen, dass die Wasserbeschaffung nach den örtlichen Verhältnissen im Voraus geordnet ist und dass es bei einem größeren Brand nicht an einer Oberleitung fehlt", hieß es im Würzburger Stadt- und Landboten. In Zellingen wurde die Freiwillige Feuerwehr ein paar Jahre später, am 1. April 1867, von zehn Bürgern gegründet.

Zuvor war die Brandbekämpfung nur durch Verordnungen geregelt. In den Archivbänden der Stadt Karlstadt finden sich in Protokollen eine Fülle von Nachweisen, wie ernst Bürgerschaft und Rat der Stadt das Feuerproblem nahmen. So liegt aus dem Jahre 1512 eine Brandschutzordnung vor mit dem Titel: "Ordnung und Gebot, wie sich ein jede Zunft und Bürger allhie in Carlstatt in Feuersnöten halten soll." Über viele Jahrhunderte kannte man nur sehr unvollkommene Einrichtungen zum Feuerlöschen. Einzige Löschgeräte waren lederne Feuereimer und große hölzerne Wasserbutten sowie zum Räumen der Brandstätten Einreißhaken der Zimmerleute.

Städte bestanden vorwiegend aus Fachwerkhäusern mit Stroh- und Schindeldächern und waren eng und verwinkelt zusammengebaut, so hatten Brandausbrüche durchweg verheerenden Charakter. Es waren die Handwerkerzünfte, die über Jahrhunderte hinweg bei Feuersnot einsprangen. Ihr Einsatz für den Brandfall war genau geregelt. Die Stadtschützen sorgten in voller Wehr für Ruhe und Ordnung, außerdem oblag ihnen die Absperrung des Brandplatzes und die Bewachung der Tore.

Der Obere Stadttürmer saß als städtischer Bediensteter auf dem heute als „Katzenturm“ bekannten Oberturm. Dort hatte er unter anderem über die Feuersicherheit der Stadtbewohner zu wachen und „drohende Gefahr mit Posaunenschall zu melden“. Wiederholt wurde er in seinen Dienstpflichten ermahnt, dass er "uff Feuer fleissig Achtung geben und auch wo und wann etwa sich am Firmament ein Feuer ersehen ließe, alles alsbald melden möge". Im Herbst 1696 heißt es dazu im Ratsprotokoll: „Der Obertürmer wird zu drei Tagen Cantzleygefägnis verurteilt, weil er die jüngsthin plötzlich entstandene Feuersbrunst weder beobachtet, noch angezeigt hat.“

In den vier Stadtvierteln waren Feuerbeseher eingeteilt, die bei halbjährlichen Visitationen auf die Reinhaltung der Schlöte, Herde, Backöfen und Feuerstätten achteten „damit die gemeine Bürgerschaft aller möglichen Gefahren entbunden werde“. Im Jahr 1710 erwarb die Stadt Karlstadt eine kleine Messingspritze von der Firma Adelmann aus Nürnberg. Weiterhin stand eine große hölzerne Spritze zur Verfügung, beiden war eine Anzahl kräftiger Männer zum Bedienen, sowie je zwei Bürger in leitender Funktion zugeteilt. Ab 1727 wurde für jedes Stadtviertel eine neue Spritze beschafft, der jeweilige Spritzenmeister musste die Spritze zu sich nehmen und verwahren, "damit solche in vorfallender Noth sogleich gebraucht werden können."

Schon im Jahr 1727 eine Feuerlöschordnung

Im Jahr 1727 erließ der Rat der Stadt Karlstadt auch eine detaillierte Feuerlöschordnung. Diese enthielt Verhaltensmaßregeln für den Fall einer Feuersnot in Karlstadt und den "benachbarten Orten, Flecken und Dörfern." In der Stadt befanden sich, über die vier Stadtviertel verteilt, elf öffentliche Brunnen. Zu jedem dieser Brunnen wurde ein verantwortlicher Brunnenmeister ernannt, sowie für jeden Brunnen eine Anzahl kräftiger Männer zum Schöpfen.

Das Bild zeigt von links einen Löscheimer geflochten aus Strohseilen mit Pech ausgestrichen um 1850 und zwei weitere Löscheimer aus Leder von 1766. Der Einreißhaken ist von 1784. Die Objekte sind aus der Feuerwehr-Sammlung von Rainer Egert, Langenprozelten.
Foto: Alfred Dill | Das Bild zeigt von links einen Löscheimer geflochten aus Strohseilen mit Pech ausgestrichen um 1850 und zwei weitere Löscheimer aus Leder von 1766. Der Einreißhaken ist von 1784.

In der unteren Rathaushalle wurden Leitern und Feuerhacken aufbewahrt und im Brandfalle von den Steigern und Einreißern hervorgeholt. Jeder Bürger war aufgefordert, sich bei den Lösch- und Aufräumungsarbeiten zu beteiligen, Handwerksleute sollten sich am Brandorte einfinden und mit ihren Werkzeugen erste Aufräumungsarbeiten leisten. Bei auswärtigen Bränden hatten sich die Bürger auf dem Marktplatz zu versammeln, durch den Amtskeller und Bürgermeister wurden Anordnungen zur Nachbarschaftshilfe erteilt.

Im August 1776 erschien ein fürstbischöfliches Mandat zur Handhabung der Feuerpolizei mit strengen Regeln zur Verhütung von Bränden. Hierin wurde unter anderem das Tragen von brennenden Fackeln in den nächtlichen Gassen mit schweren Strafen belegt. Weiterhin war es streng verboten, beim Dreschen in der Scheune die „Tubacpfeife“ zu rauchen. Fürstbischof Franz Ludwig von Erthal führte 1779 eine Brandschadensversicherung ein, die erste in einem deutschen Fürstbistum. Sie sollte mit hohen Reserven bei Feuerkatastrophen schützen.

Ein historisches Löschfahrzeug.
Foto: Helmut Will | Ein historisches Löschfahrzeug.

Im Jahre 1814 vollzog sich endgültig der Übergang des Fürstbistums Würzburg an Bayern. Karlstadt zählte damals 2187 Einwohner in 538 Familien und war Mittelpunkt eines Königlich Bayerischen Landgerichts. Der jeweilige Landrichter achtete streng auf die Einhaltung der landgerichtlichen Erlasse, die den Brandschutz zum Inhalt hatten. Bei einer Visitation der ledernen Feuereimer im Jahr 1839 fanden sich einige, die nur aus Pappe, überzogen mit dünnem Leder bestanden. Daher erging die landgerichtliche Anordnung, dass jeder neu Zugezogene einen Betrag in die Feuereimerkasse bezahlt.

Feuereimer war mit Hausnummer versehen

Dafür bekam er einen Feuereimer, der mit seiner Hausnummer versehen, unterm Rathaus aufbewahrt und im Brandfalle an den Besitzer zum Loschen ausgegeben wurde. Das Königlichen Landgericht erlies im Jahre 1846 eine allgemeine Feuerordnung und teilte diese den 20 Gemeinden mit. Sie enthielt genaue Anweisungen für Löschmannschaften und ihre Rottenmeister, vorzüglich solche, welche früher im Militärdienst gestanden hatten.

Die Stelle des Oberen Stadttürmers zu Karlstadt wurde im August 1854 mit dem Musiker Georg Rössner neu besetzt. Dass dieser sein Amt sehr umsichtig ausführte, beweist die Tatsache, dass er im August 1855 von der zwei Kilometer mainaufwärts gelegenen Gemeinde Laudenbach eine öffentliche Belobigung für seine Beobachtung als Feuerwächter „bei dem jüngst dahier entstandenen Brande“ erhielt.

Im Februar 1850 erbat der Stadtmagistrat eine Unterstützung der München-Aachener-Feuer-versicherungsgesellschaft zur Anschaffung einer geeigneten Feuerlöschmaschine. Im Oktober brachte dann das Landgericht eine Löschmaschine aus der Fabrik des J.W. Engelhard in Fürth in Vorschlag. Von Fürth aus sandte die Firma Engelhard die bestellte Maschine mit der Eisenbahn nach Bamberg, um "solche dann auf dem Main mit dem Schiff nach Karlstadt zu befinden“.

Zeichnung eines Löschfahrzeugs aus der  Löschmaschinenfabrik Gebrüder Bauer Karlstadt.
Foto: Repro Dill | Zeichnung eines Löschfahrzeugs aus der Löschmaschinenfabrik Gebrüder Bauer Karlstadt.

Im September 1864 ersuchten die Gebrüder Georg und Kaspar Bauer von Karlburg beim Stadtmagistrat um die Lizenz zum Betrieb einer Maschinenfabrik in Karlstadt nach. Dass die „Feuerlöschgerätefabrik Gebrüder Bauer“ zustande kam, beweisen unter anderem Zeichnungen mit „Löschmaschinen“ in verschiedenen Ausführungen. Sie lieferte Geräte in die nähere Umgebung. So erhielt die Stadt Rothenfels im Jahr 1867 eine Saug- und Druckpumpe zum Preis von 1440 Gulden. Der Überlieferung nach hatte die Firma hatte ihren Sitz in der Gemünder Straße. Wie lange sie in Karlstadt tätig war, ist jedoch nicht bekannt, da im Januar 1882 der Stadtmagistrat eine neue Feuerlöschmaschine von Justus Christian Braun in Nürnberg beschaffte.

Den Anstoß zur Gründung von Freiwilligen Feuerwehren in Karlstadt und dem Bezirksamtsbereich gab der im Jahre 1862 nach Karlstadt berufene Königliche Bezirksamtmann August Wiedenmann, der es als eine seiner vordringlichsten Aufgaben sah, auf dem Gebiet des Feuerlöschwesens grundlegende Verbesserungen anzustreben. Wiedemann informierte sich durch persönliche Teilnahme an Übungen der Freiwilligen Feuerwehr in der Kreishauptstadt Würzburg, deren Feuerlöschordnung auch für Karlstadt dienen sollte.

Die Schwierigkeiten für die gemeinnützigen Pläne schienen groß und unüberwindlich. Es fehlte an Mitteln zur Beschaffung einer Grundausstattung mit Löschgeräten, Ausrüstungsgegenständen und Uniformen. Die Stadt verwies darauf, dass „die dahiesige Bevölkerung meist arm sei und dass mit Spenden von privater Seite kaum gerechnet werden könne.“ Der Vorschlag des Bezirksamtes, den seit dem Jahre 1862 bestehenden Turnverein, gleichzeitig als freiwillige Feuerwehr auszubilden und einzusetzen, wurde von diesem und auch von der Stadt abgelehnt.

Gründung der Feuerwehr Karlstadt

Nach mehreren Anläufen wurden am Sonntag, 8. September 1868, durch den Bezirksamtmann August Wiedemann alle Bürger und Bürgersöhne auf das Rathaus geladen. Dazu erschienen rund 50 Interessierte, es wurde ein Komitee zur Förderung der Freiwilligen Feuerwehr gebildet, dem unter anderem  Bürgermeister Franz, Stadtkämmerer Scherer, Distriktsbautechniker Löff1er, Kaminkehrer Steinicke, Spenglermeister Schuchbauer und Apotheker Anselm angehörten. Diese Zusammenkunft kann als die Geburtsstunde der Freiwilligen Feuerwehr Karlstadt angesehen werden.

Zum Autor:  Seit 1995 ist Georg Büttner Kreisheimatpfleger für den Altlandkreis Karlstadt. Mit Gleichgesinnten gründete Büttner 1972 den Historischen Verein Karlstadt, der seit 1983 das Stadtgeschichtemuseum Karlstadt betreibt.

Quellen: Stadtarchiv Karlstadt; Archiv Freiwillige Feuerwehr Karlstadt; Erwin Nikolai: Zellingen einst, 1997.

Lesetipp: Den Einstieg in die Serie verpasst? Die bisher erschienenen Serienteile finden Sie unter https://www.mainpost.de/dossier/geschichte-der-region-main-spessart/

 
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