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Karlstadt
Kapuzinerkloster Karlstadt: Unrühmliches Ende in Flammen
Aus der Geschichte Main-Spessarts (55): Wohl jeder ältere Karlstadter weiß, wo er in der Nacht zum 11. September 1974 war. Das Kloster wurde vor laufenden Fernsehkameras in Brand gesetzt.  Heute erinnert noch ein Torbogen an das Gebäude.
Das Kapuzinerkloster auf einer Postkarte von Jean Dietz um 1905.
Foto: Jean Dietz | Das Kapuzinerkloster auf einer Postkarte von Jean Dietz um 1905.
Martina Amkreutz-Götz
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:40 Uhr

Das segensreiche Wirken der Kapuziner für die Bürger Karlstadts und des Umlandes haben die meisten Älteren bis heute nicht vergessen. Es war über Jahrhunderte ein gegenseitiges Geben. Mit ihrer Opferbereitschaft, auch in schweren kriegerischen Zeiten die Mönche mit Geld, Lebensmitteln und anderen Spenden zu unterstützen, dankten die Bewohner „ihren“ Kapuzinern für ihre geistliche und seelsorgerische Begleitung, für die Betreuung des „einfachen Volkes“.

Der Kapuzinerorden gründete sich 1525 als Zweig des Franziskaner- oder Minoritenordens. Die Fürstbischöfe Julius Echter von Mespelbrunn und Johann Philipp von Schönborn förderten ab 1615 ihre Niederlassungen in Würzburg, Ochsenfurt und Lohr. Von dort aus wanderten die Mönche an kirchlichen Festtagen und, wann immer sie gerufen wurden, auch nach Karlstadt. Sie halfen bei Gottesdiensten und im Beichtstuhl aus. Bald waren die Patres in Karlstadt so beliebt, dass die Bürger 1646 Bischof Johann Philipp baten, die Kapuziner in ihrer Stadt anzusiedeln. Die Mönche durften das Armenhaus an der Spitalkirche zum Hl. Jakobus in der Hauptstraße beziehen und die Kirche mitbenutzen.

1670 wurde mit Bau des Klosters begonnen

Erst 1670 wurde mit dem Klosterbau am „Schützenanger“ außerhalb der Stadtmauer von Karlstadt begonnen. Ein Jahr später stand das Dach des Konventgebäudes. Bürger hatten das Grundstück zur Verfügung gestellt. Sie stellten Materialien, Handlanger und Tagelöhner für den Bau. Am 5. August 1674 stand die Kirche der „Jungfrau Maria von den Engeln“. Die Priester und Brüder bewohnten 19 Zellen im neuen Kloster „Zum Helfenstein“.

Das große Problem für die Karlstadter, die die Gottesdienste besuchen wollten, war der Weg. Er führte nach Osten hinaus aus der Stadt durch das Untere oder Obere Tor. Für einen direkten Zugang wurde nun ein Loch in die Stadtmauer geschlagen. An das neue Tor wurde – wieder mit Spenden – eine Zugbrücke, auch Schneller genannt, angebaut, die über den Stadtgraben führte. So erhielt der Weg an dieser neuen Pforte, die zum Kloster führte, den Namen Schnellergasse (heute Alte Bahnhofstraße).

Am 14. Dezember 1724 berichtete der Klostervorsteher (bei den Kapuzinern Guardian genannt) der General-Ordensleitung in Rom, dass die Kapuziner „die Beichte der Weltleute“ hören und an verschiedenen Festtagen regelmäßig in der Stadt predigen und in „bestimmten umliegenden Dörfern an Sonn- und Feiertagen und in anderem Orten häufig predigen“. Der Guardian lobte das „gottesfürchtige Volk“ und die „verschiedenen Almosen der frommen Leute“, von denen die Klostergemeinschaft in Karlstadt lebte.

Zeitweise übernahmen die Ordensmänner vollständig die Kanzel der Stadtpfarrkirche St. Andreas, sodass 1683 ein fürstbischöfliches Dekret festlegte, an welchen Tagen dem zuständigen Pfarrer Georg Sauderich allein die Kirchenkanzel gehörte. Die freundlichen Männer mit den langen Bärten und dunkelbraunen Kutten mit Kapuze, daher der Ordensname, waren beliebte Beichtväter. 1783 übernahmen die Mönche nach einer Eingabe des Stadtmagistrats an den Fürstbischof sogar die Trivial-Latein-Schule, weil sie „durch den Stadtrektor sehr übel versehn“ wurde.

Die Kirche „Jungfrau Maria von den Engeln“ und das Kloster waren ein Gebäudekomplex.
Foto: Wolfgang Bruder | Die Kirche „Jungfrau Maria von den Engeln“ und das Kloster waren ein Gebäudekomplex.

Die Säkularisation und mit ihr die Person Vornberger waren ein Einschnitt in das harmonische Zusammenleben der Kapuziner mit den Bürgern. Am 13. Juni 1804 erklärte der bayrische Landrichter den verängstigten Mönchen, ihr Konvent hätte aufgehört zu existieren. Vornberger nahm auch gleich die 270 Gulden an sich, die die Patres als Kollekte bei den Gottesdiensten eingenommen hatten.

Seinen Ärger über den Orden – Vornberger war zuvor bischöflicher Amtskeller in Karlstadt – machte der nunmehr bayerische Landrichter Luft, in dem er mit abgefeuerten 15 Schrotkugeln das aus Eisenblech am Kirchturm angebrachte Bild des Hl. Franziskus durchlöcherte. Doch es hielt stand. Überliefert ist Vornbergers Spott: „Seht, das ist die Posaune der Kapuziner. Endlich ist sie verstummt.“

Schlimme Zeit für die Kapuziner während der Säkularisation

Sieben Priester und sechs Brüder mussten, mit je drei Gulden Wegegeld versorgt, Karlstadt sofort verlassen. Die Kirche wurde ausgeräumt und ein Salzmagazin. Den Klostergarten, aus dem sich die Ordensleute mit Obst und Gemüse versorgten, pachteten Karlstadter Bürger. Zur Weinschänke umfunktioniert wurde nun hier an Festtagen und nach Viehmärkten getrunken. Bis 1808 hielt der Vornberger Spuk. Da wussten die Karlstadter schon lange, was sie mit den Kapuzinern verloren hatten.

Ab 1960 präsentierte sich der Chor der Klosterkirche mit einem modernen Altarraum.
Foto: Wolfgang Bruder | Ab 1960 präsentierte sich der Chor der Klosterkirche mit einem modernen Altarraum.

Großherzog Ferdinand von Toskana genehmigte am 6. Juli 1808 die Räumung und die Wiederherstellung des Klostergebäudes. Fünf Wochen später, am 16. August, jubelten die Menschen den heimkehrenden Ordensleuten zu. Wieder halfen die Karlstadter bei den Aufräumarbeiten und der Behebung der größten Schäden, sodass die Benediktion der Klosterkirche am 4. Oktober erfolgen konnte. Auch die Menschen in den umliegenden Dörfern spendeten Geld für den Wiederaufbau.

Nur drei Jahre später, 1811, drohte dem Konvent in Karlstadt erneut das Aus. Es fehlte an Nachwuchs. König Ludwig I. vereinigte 1836 die fränkische mit der bayerischen Provinz, sodass es wieder genügend junge Ordensmänner gab. In den fränkischen, bayerischen und rheinischen Kapuzinerprovinzen gab es insgesamt 43 Patres und 13 Brüder, die, in Karlstadt geboren, dem weltlichen Leben entsagten. Die Mönche hatten viel zu tun. Mitte des 19. Jahrhunderts zählte die Kirche „Jungfrau Maria von den Engeln“ in Karlstadt jährlich 26.000 Kommunikanten.

Neues Unheil brachten der „Deutsche Krieg“ 1866 mit dem Einfall der Preußen am 3. September in Karlstadt und der ihnen folgenden Cholera. Nun mussten die Kapuziner, selbst von der Infektionskrankheit verschont, vermehrt Sterbenden die letzte Ölung geben und die Toten würdig bestatten. Von ihrem Einsatz in diesen schweren Monaten erfuhr sogar Bayernkönig Ludwig II., der dem Karlstadter Orden dankte.

Von den nächsten kriegerischen Auseinandersetzungen im deutsch-französischem Krieg 1870/71, im Ersten Weltkrieg und vor allem im Zweiten Weltkrieg mit den Repressalien der Nationalsozialisten gegen Kirche und Religion blieben die Kapuziner weitgehend verschont.

In den 1950er-Jahren „überholten“ die Kapuziner innen ihre Kirche. Guardian Timotheus Hartmann wollte mit der Zeit gehen. 1960 fühlten sich viele Gläubige in einer fremden Kirche. Vor allem die moderne Gestaltung des einst barock-überladenen Chores mit Haupt- und Seitenaltären verwirrte die Kirchgänger.

Barock-überladen war der Altarraum den Kirchgängern bis 1960 vertraut.
Foto: Wolfgang Bruder | Barock-überladen war der Altarraum den Kirchgängern bis 1960 vertraut.

Eine neue Zeit war angebrochen, die das Ende der Kapuziner in Karlstadt einläutete. In der damals „neuen“ Siedlung lebten 2.572 Katholiken. Stadtpfarrer Paul Steinert sah 1964 die Notwendigkeit für ein neues Pfarrzentrum, das er mitbetreuen wollte. Doch Bischof Josef Stangl durchkreuzte seine Pläne: Am 1. September 1965 übernahm der Kapuzinerkonvent die neue Pfarrei „Zur Heiligen Familie“ an der Bodelschwinghstraße. Karlstadt hatte 1967 vier Kirchen: St. Andreas und die Spitalkirche, die Pfarrer Steinert betreute, sowie die „Heilige Familie“ und die Klosterkirche „Maria von den Engeln“ der Kapuziner. Ab Oktober 1966 bis zum Einzug in den neuen Klosterbau in der Bodelschwinghstraße im Mai 1969 wohnten die Ordensmänner in der Schwesternwohnung im Pfarrheim.

Die Mönche mit ihrem Guardian Caspar Ballestrem trennten sich leichten Herzens nach fast 300 Jahren von ihrem einstigen Kloster „Zum Helfenstein“, wechselten sie doch von einem maroden Gebäude in ein neuerbautes Haus. Die Kaufverhandlungen mit der Stadt Karlstadt zogen sich ab 1965 acht Jahre in die Länge. 1973 wusste der Stadtrat, wie er das Grundstück, das nun mitten in Karlstadt lag, nutzen würde: Ein neues großes Rathaus sollte die wachsende Verwaltung aus der Enge des Rathauses, erbaut 1422, am Marktplatz aufnehmen.

Ein Ende mit Schrecken

Ende April 1974 glaubten die Menschen noch, dass ein Feuer für Fernsehaufnahmen nur getürkt sein würde. Seit Juli drehte die „Telefilm Saar“ in Karlstadt Episoden über Freiwillige Feuerwehren für eine Vorabendserie. Viele Karlstadter meldeten sich für Statistenrollen. Höhepunkt sollte das Niederbrennen des Kapuzinerklosters sein.

In der Nacht zum 11. September 1974 brannte der Konventbau lichterloh.
Foto: Wolfgang Bruder | In der Nacht zum 11. September 1974 brannte der Konventbau lichterloh.

Wohl jeder ältere Karlstadter weiß, wo er in der Nacht zum Mittwoch, 11. September 1974, war. Unter Aufsicht der Feuerwehrschule Würzburg und mit Hilfe des THW und einer Wasserkanone zum Löschen vom Main her wurde das Kloster gegen 2 Uhr vor laufenden Fernsehkameras tatsächlich in Brand gesetzt. Reifen, Stroh, Diesel und Stoffreste im Kirchenschiff ließen Konventbau und Kirche lichterloh brennen. Zeugen der gespenstigen Szenerie waren Hunderte von Bürgern, die ein Jahr später in einer kurzen ARD-Sequenz „ihr“ Kloster noch einmal brennen sahen. Der Abbruch des Restes, der dem Inferno standgehalten hatte, darunter das Türmchen der Kirche, kostete die Stadt 31.000 DM.

Nicht alles brannte nieder. Gebäudeteile und der Kirchturm hielten den Flammen stand.
Foto: Wolfgang Bruder | Nicht alles brannte nieder. Gebäudeteile und der Kirchturm hielten den Flammen stand.

Die Bürger haderten lange mit der ihrer Meinung frevelhaften Art und Weise, wie sich die Stadt der Gebäude entledigt hatte. Das am 1. Oktober 1973 in Kraft getretene Bayerische Denkmalschutzgesetz rettete das Kapuzinerkloster mit Kirche nicht, zu sehr steckte noch alles Bemühen für den Erhalt historischer Gebäude in den Kinderschuhen. Wie lax das Landesamt für Denkmalpflege vor 1973 mit historischen Bauten umging, zeigen zwei Zustimmungen zum Klosterabbruch 1966 und 1970, die der damalige Bürgermeister Werner Hofmann einholte.

Seit 1981 erinnert auf dem ehemaligen Standort ein Mauerrest mit einer Gedenktafel an das Kloster.
Foto: Martina Amkreutz-Götz | Seit 1981 erinnert auf dem ehemaligen Standort ein Mauerrest mit einer Gedenktafel an das Kloster.

Seit dem 8. Juli 1981 erinnern am alten Standort des Klosters ein Mauerrest, eine Gedenktafel und das Holzkreuz aus dem Kapuzinerfriedhof an eine fruchtbare, seelsorgerische Zeit und an ein harmonisches Miteinander genau 300 Jahre lang von 1674 bis 1974.

Nur zwei Jahre später, am 1. September 1976, erfolgte die endgültige Auflösung des Konvents an der Bodelschwinghstraße. Drei Patres und ein Bruder zogen in andere Klöster ihres Ordens. Pater Wendelin fiel der Abschied besonders schwer, kannte er doch nach 27 Jahren als Beichtvater das Seelenleben und die Nöte seiner Schäfchen.

Zur Autorin: Martina Amkreutz-Götz war 37 Jahre Redakteurin der Main-Post in Karlstadt. Sie ist Gründungs- und Vorstandsmitglied des Geschichts- und Heimatvereins Mühlbach 1987 und Mitglied im Historischen Verein Karlstadt.

Literatur: Martina Amkreutz-Götz: Die Kapuziner in Karlstadt, 1984

 
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