
Baugulf, von 779 bis 802 Abt des Klosters Fulda, hatte an der unteren Saale ein nach ihm benanntes kleines Benediktinerkloster gegründet, in das er sich nach der Niederlegung seiner Amtswürde zurückzog. Er lebte dort 13 Jahre lang, bis er nach Fulda zurückkehrte, wo er 816 verstarb. Aus Baugulfeszell wurde Baugolfesmunster und schließlich Wolfsmünster, das heute als Ortsteil der Gemeinde Gräfendorf etwa 350 Einwohner zählt.
Das kleine Kloster, das mindestens noch bis 836 bestanden haben musste, bildete die Keimzelle der späteren Pfarrei Wolfsmünster, der Mutterpfarrei für den unteren Saalegrund, mit den Orten Gräfendorf, Weizenbach, Dittlofsroda, Völkersleier, Windheim, Morlesau, Ochsenthal, Michelau, Weikersgrüben, Schonderfeld, Neutzenbrunn, Aschenroth, Seifriedsburg, Schönau, Reichenbuch, sowie einigen Mühlen und Höfen. Die Pfarrei wird 1348 erstmals bezeugt.
Prägend für das Ortsbild von Wolfsmünster sind die große Pfarrkirche St. Wolfgang, das Schloss der Freiherren von Thüngen und die historische Saalebrücke.
Mit seinen wechselnden Herrschaften ist die Geschichte des Dorfes typisch für die Region, in der die Fürstbistümer Fulda, Mainz und Würzburg oft mit den kleinen und größeren Adelsgeschlechtern, wie den Grafen von Rieneck und den Freiherren von Thüngen und ihren verschiedenen Linien und Erbfolgern um Einfluss und Einnahmen verhandelten - oder sich stritten.

Im 12. Jahrhundert gab die Abtei Fulda Wolfsmünster an die Rienecker ab, die es 1550 an die Thüngener verkauften. 1670 veräußerten diese wegen vieler Schulden den Ort Wolfsmünster und ihr 1584 im Stil der Spätrenaissance erbautes Schloss an das Juliusspital Würzburg. 1887 erwarb der Frankfurter Stadtrat W. Hanau, ein eifriger Kunstsammler, das Schloss. Er verkaufte es schließlich 1912 an die Stadt Frankfurt, die dort bis 1974 ein Kindererholungsheim unterhielt und heute noch Eigentümer des jetzt leerstehenden Anwesens ist.
Der frühgotische Turm der Pfarrkirche St. Wolfgang wird dem 13. Jahrhundert zugeordnet. Rund um die Kirche und das Schloss sind noch Spuren der ehemaligen Befestigungsanlage zu erkennen, allerdings nur ansatzweise. 1734 wurde das östlich ausgerichtete alte Langhaus der Kirche abgerissen und ein neues Gebäude nach Süden hin errichtet. Deshalb steht der Kirchturm heute an der Mitte der westlichen Längsseite. Der Würzburger Künstler Franz Andreas Thalmaier malte ab 1743 das Gotteshaus mit 14 Fresken aus, das zentrale Bildnis stellt die Aufnahme Mariens in den Himmel dar.
Ihre wechselvolle Geschichte bescherte den Einwohnern von Wolfsmünster immer wieder neue Rechts- und Abgabeverordnungen. Der Lauf der Zeit brachte Reformation und Gegenreformation, Säkularisation, die Wirren der napoleonischen Zeit und ab 1814 die staatlichen Neuordnungen des Königreichs Bayern. Der Bauernkrieg, der Dreißigjährige Krieg, später die durchziehenden Franzosen und zuletzt die Gefechte am Ende des zweiten Weltkrieges bedeuteten immer wieder viel Leid und Tod, wie aus den umfangreichen alten Aufzeichnungen und Chroniken zu ersehen ist.
Die Brücke über die Saale
Von zentraler Bedeutung für den Ort war seit jeher die Saalebrücke, die als Bindeglied für den von Hanau über den Spessart kommenden Fernverkehr der Birkenhainer Straße nach Hammelburg und Schweinfurt diente. Sie sorgte über Jahrhunderte für den einträglichen Brückenzoll, der zunächst der Obrigkeit den Säckel füllte, aber auch im Ortsbild durch gepflasterte Wege und stattliche Fachwerkhäuser sichtbar wurde. Die genaue Entstehungszeit des steinernen Bauwerks mit ursprünglichem Pflasterbelag lässt sich zwar nicht genau feststellen, sicher ist aber, dass die Grafen von Rieneck schon 1522 an dieser Stelle Abgaben auf alle Waren erhoben.

Auf der Brücke stand das Zollhäuschen und den Brückenmeistern oblag die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben, während der „Flurer“ nachts das Brückentor zusperren musste. Regelmäßig wiederkehrende reißende Hochwasser und Eisgänge der Saale machten immer wieder umfangreiche Reparaturen notwendig, für die ein eigener Brückenfonds gegründet wurde, der trotz der erheblichen Ausgaben Überschüsse erzielte. Das ständig wachsende Vermögen belief sich 1914 auf 140 000 Mark. Es war naheliegend, dass diese Kasse zur beliebten Kreditgeberin für die umliegenden landwirtschaftlichen und gewerblichen Betriebe wurde. Der daraus erzielte Zinsertrag von vier bis fünf Prozent speiste wiederum die Brückenkasse.
Wenn man Geld brauchte, hieß daher ein geflügeltes Wort in der Gegend: „Zum Brückehannes gehen“. Viele Häuser im Ort konnten äußerst günstig gebaut werden, auch weil wegen des verbrieften Holzrechts für 41 Anwesen neben dem Brennholz auch das Bauholz aus dem Gemeindewalt kostenlos zur Verfügung gestellt werden musste. Bis zur Inflation 1923, die das gesamte Vermögen der Brückenkasse vernichtete, war Wolfsmünster eine der wenigen umlagefreien Gemeinden in Bayern.
Kein Wunder, dass der Volksmund empfahl: „Willst du eine reiche Frau, so heirate die Wolfsmünsterer Brücke“, schreibt Dr. Philipp Seltsam in seiner Ortschronik.
Die Einnahmen aus alten Rechten kamen auch der Pfarrei zugute. Sie betrugen nach den Aufzeichnungen bis 1914 nach heutiger Umrechnung über 10 000 Euro im Jahr.

Das Brückenbauwerk aus rotem Buntsandstein hat vier Bögen und am linken Saaleufer fehlt ein Bogen. Dort hatte sie einen Kastendurchgang mit Holzgeländer und abhebbaren Holzbohlenbelag. Dieser Durchlauf wurde bis zum Bau der Saaletalbahn im Jahr 1884 für den regen Schiffsverkehr genutzt.
Bei größeren Schiffen, die zum Teil auch Masten für die Seile zum Treideln hatten, wurden die Bohlen angehoben. Das Holz dazu hatte das Juliusspital aus seinen Wäldern zu stellen, das für die Geländer die Freiherren von Thüngen. Um 1900 wurden diese Lasten durch die Gemeinde als Eigentümerin der Brücke abgelöst und der Brückenabschnitt mit Eisenträgern ausgestattet.
Der Schifffahrtsweg diente von Gräfendorf bis Gemünden - und darüber hinaus bis nach Würzburg - dem Waren- und vor allem dem Holztransport. Auf dem Wasser wurde auch das Stammholz geflößt, das durch ein ausgeklügeltes Stausystem von der Schondra über die Saale bis in den Main gelangte. In Gemünden und Langenprozelten wuchsen die kleineren Einheiten zu Mainflößen und in Mainz zu noch größeren Rheinflößen, bevor sie ihre Reise in die Niederlande antraten.

Die schicksalhafte Verbindung der Brücke mit der Gemeinde zieht sich bis in unsere Tage. Nach einer notwendigen Renovierung setzte der Denkmalschutz im wahrsten Sinne des Wortes enge Grenzen. Die Fahrbahn wurde 2001 auf knapp drei Meter reduziert und nur einspurig und für Nutzfahrzeuge schwer befahrbar. Bei der Wiedereröffnung kam es unter den Augen der regionalen politischen Prominenz zu massivem und lautstarkem Protest der Bevölkerung. Zehn Jahre später wurde aus Sicherheitsgründen daneben ein Steg für Fußgänger und Radfahrer gebaut, der wohl als „Trostpflaster“ mit 80 Prozent vom Freistaat bezuschusst wurde.
Dass die Saale früher ein viel frequentierter schiffbarer Fluss war, kann man noch anhand einiger Uferbefestigungen und dem in Ansätzen noch vorhandenen Pflaster des Treidelweges erkennen.
Der tragische Tod des Schiffers
Wie alle Flüsse, hatte aber auch die Saale ihre Tücken, wie in einem Beitrag von Kreisheimatpfleger Bruno Schneider in einer Festschrift zur 1200-Jahrfeier von Wolfsmünster zu lesen ist. Demnach ist bei einem Unfall im Jahr 1739 der Schiffer Adam Finck im Hochwasser ertrunken. An ihn erinnert heute noch auf dem Friedhof ein großes Sandsteinkreuz, das entsprechend der Inschrift im Sockel wohl seine Ehefrau Magdalena errichten ließ.
Im Matrikelbuch findet sich dazu eine sehr ausschmückende und dem Verunglückten nicht unbedingt zur Ehre gereichende Schilderung des Hergangs: "Adam Finck erlitt (...) einen nicht sehr glücklichen Tod im Alter von 42 Jahren. (...) Mit seinem angeschlagenen, kaum noch zu beherrschenden Körper wagt er sich auf die Wogen. Der schwer Angetrunkene wollte die Schonderfelder Saale, die wegen der Schneeschmelze Hochwasser führte und aus dem Bette getreten war, überqueren. Dabei verlor er den Halt und seine Schreibtafel, seine Füße verloren das Schiffsdeck, er fiel ins Wasser und ertrank in den Fluten."

Es ist bemerkenswert, wie die Dorfgemeinschaft über Jahrhunderte, trotz aller Widrigkeiten, ihre Rechte verteidigt und erhalten hat. So wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Klage des Bezirks Gemünden abgewiesen, die auf die Rechtswidrigkeit der Brückenkasse abzielte. Ihr Holzrecht verteidigten die Einwohner ebenfalls mehrfach vor Gericht. So gab und gibt es immer wieder bis in die jüngste Zeit Meinungsverschiedenheiten, beispielsweise bis zu welcher Stärke das Stammholz unter dem Baumwipfel, der „Zopf“, als Brennholz aufgearbeitet werden kann. Der Anspruch auf Bauholz ist ebenfalls nach wie vor festgeschrieben.
Ortsname „Pfloasterstee“
Wer genau hinschaut, sieht auch heute noch in einigen Winkeln des Dorfes das alte Sandsteinpflaster in den Gassen, weshalb die Wolfsmünsterer „Pfloasterstee“ genannt wurden, weil sich so einen Straßenbelag nur reiche Dörfer leisten konnten. Die Seifriedsburger Nachbarn auf dem Berg sind dagegen die „Waachkratzer“. Wenn es länger nass und feucht war, mussten sie die Schmiere von ihren mit Muschelkalk gemischten Wegbelägen mit Handschiebern entfernen. Die dortige Faschingsgesellschaft „Die Waachkratzer“ erinnert heute noch mit ihrem Namen an die alten Zeiten.
Literatur: Dr. Philipp Seltsam, Ortschronik Wolfsmünster; Festschrift „1200 Jahre Wolfsmünster 2002“; Archiv Kreisheimatpfleger Bruno Schneider; Peter Kolb/Ernst-Günter Krenig, Unterfränkische Geschichte.
Lesetipp: Den Einstieg in die Serie verpasst? Die bisher erschienenen Serienteile finden Sie unter https://www.mainpost.de/dossier/geschichte-der-region-main-spessart