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Main-Spessart
Wieder Ärger mit den Nagern? Biberberater Gerd Reimer hilft bei Konflikten zwischen Mensch und Tier in Main-Spessart
Auch wenn sich viele Menschen über die Verbreitung des Bibers ärgern: Er macht die Tierwelt abwechslungsreicher und die Landschaft blüht auf. Das droht bei Zerstörung der Bauten.
Gerd Reimer, Biberberater des Landkreises, zeigt den Schwimmsee, den eine Biberfamilie am Egerbach zwischen Birkenfeld und Billingshausen angestaut hat. Dort tummelten sich unter anderem auch Fische und Kaulquappen.
Foto: Dorothea Fischer | Gerd Reimer, Biberberater des Landkreises, zeigt den Schwimmsee, den eine Biberfamilie am Egerbach zwischen Birkenfeld und Billingshausen angestaut hat. Dort tummelten sich unter anderem auch Fische und Kaulquappen.
Dorothea Fischer
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:06 Uhr

Jahrtausendelang konnte der Biber bauen, stauen und fressen wo er wollte. Heute ist jedes Fleckchen Land im Besitz des Menschen und der duldet selten die Aktivitäten des Nagers. Immer wieder kommt es deshalb zu Konflikten.

"Der Biber ist nützlich für Mensch und Natur. Wo er sich ansiedelt, entsteht ein vielfältiger Lebensraum", erklärt Gerd Reimer, ehrenamtlicher Biberberater für den Landkreis Main-Spessart. Seine Aufgabe ist es, Gemeinden und Betroffene bei Fragen und Problemen in Zusammenhang mit dem Biber zu beraten. Er arbeitet eng mit der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt unter Berücksichtigung des Artenschutzrechts zusammen.

Wann Bußgelder bis zu 50.000 Euro drohen

Nach dem Bundesnaturschutzgesetz ist der Biber streng geschützt. Es ist unter anderem verboten, seine Behausungen und Dämme zu beschädigen oder zerstören. Eingriffe in den Lebensraum des Nagers können mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro geahndet werden. Vor allem bei Landwirten sei der Biber nicht sonderlich beliebt, sagt Reimer; doch vor allem Jüngere seien sehr kooperativ.

Mittlerweile bewohnen Biber nahezu alle Reviere an Gewässern in Main-Spessart, heißt es aus dem Landratsamt. Ein Zuwachs sei nicht mehr möglich.
Foto: Patrick Pleul, dpa | Mittlerweile bewohnen Biber nahezu alle Reviere an Gewässern in Main-Spessart, heißt es aus dem Landratsamt. Ein Zuwachs sei nicht mehr möglich.

Auf Anfrage sagt Frauke Beck von der Pressestelle am Landratsamt, dass Zerstörungen von Biberbauten zunehmen würden – auch, weil es davon immer mehr gebe. "Aus Erfahrung wissen wir, dass die Verursacher meist gedankenlos handeln und es ihnen an Informationen mangelt", so Beck.

Reimer ist seit einem Jahr als Biberberater für Main-Spessart im Einsatz

Reimer meint: "Die Landwirtschaft beutet die Natur aus und reduziert die Artenvielfalt." In seiner Kindheit habe es viele Fasane, Rebhühner, Feldlerchen oder Feldhamster gegeben – sie alle seien nicht mehr da. Umso mehr freut er sich, dass sich der Biber in der Region wieder ansiedelt. Seine Liebe zu dem Tier und die Leidenschaft, mit der er Gemeinden und Anlieger berät, entdeckte der 63-Jährige, als sich die ersten Biber in Steinfeld ansiedelten.

"Das war 2021, gerade als ich in Vorruhestand ging." Zuvor hat Reimer als Technischer Modellbauer und Ausbilder bei Bosch-Rexroth in Lohr gearbeitet. Noch 2021 hat er seine Prüfung zum Biberberater abgelegt. Seit etwa einem Jahr ist er offiziell für den Landkreis bestellt; zusammen mit Berit Arendt, Bibermanagerin für Nordbayern. Der ehrenamtliche Biberberater wird bei etwa drei Einsätzen pro Monat gebraucht, vor allem im Frühling und im Herbst.

Seiner Meinung nach gebe es so viel zu tun, dass der Landkreis zwei weitere ehrenamtliche Biberberater beschäftigen sollte. Vom Landratsamt heißt es dazu: Für die Bewilligung weiterer Biberberater sei der Kreisausschuss beziehungsweise der Kreistag zuständig. "Die untere Naturschutzbehörde wird in diesem Jahr einen Antrag auf Aufstockung ab dem Jahr 2024 stellen."

Ärgernis für den Landwirt, Bereicherung für die Natur

Anfang Mai führte Gerd Reimer ein Einsatz nach Birkenfeld. Am Egerbach in Richtung Billingshausen siedelt ein Biberpaar. Versteckt unter einer Baumwurzel liegt die Biberburg. Dort wohnen die Tiere und dort ziehen sie ihre Jungen groß. Ein paar Meter weiter haben sie einen großen Damm gebaut, der das Bachwasser anstaut. Ein Teil des Wasser flutete den angrenzenden Gewässerrandstreifen und ein Stück eines Ackers.

Gerd Reimer öffnet den Hauptdamm am Egerbach bei Birkenfeld, damit das Wasser wieder im Bachbett fließt und sich nicht staut.
Foto: Dorothea Fischer | Gerd Reimer öffnet den Hauptdamm am Egerbach bei Birkenfeld, damit das Wasser wieder im Bachbett fließt und sich nicht staut.

Für den Landwirt ist das ein Ärgernis, für die Natur eine Bereicherung. Durch die Dämme verlangsamt sich die Geschwindigkeit des Bachlaufs, erklärt der Biberberater. Es entstehen verschiedene Kleingewässer, was wiederum das Wachstum der Pflanzen fördere und Insekten oder Vögel anlocke. Das Wasser, das über die Ufer tritt, kann in den Auen absickern und das Grundwasser speisen. Im entstandenen 40 Zentimeter tiefen Schwimmsee zieht nicht nur der Biber seine Bahnen. Auch kleine Fische, Kaulquappen oder Ringelnattern fühlen sich dort wohl.

Reimer sagt: "Wir versuchen immer, dass der Biber und der Mensch zusammen leben können." Wer von Aktivitäten eines Bibers betroffen ist, sollte die Naturschutzbehörde am Landratsamt informieren oder sich an die Gemeindeverwaltung wenden. Sie ist für Ausbau und Unterhalt kleiner Gewässer und Bäche (Gewässer dritter Ordnung) wie den Egerbach bei Birkenfeld zuständig. Bürgerinnen und Bürger dürfen dort nichts verändern.

Wie kann man Tier und Mensch gerecht werden?

Der Biberberater geht davon aus, dass das Biberpaar, das jetzt für Unmut sorgte, zuvor bereits eine Behausung und Dämme am Egerbach bachabwärts errichtet hatte. Unbekannte hatten die Bauwerke jedoch zerstört. "Zerstört man die Bauten des Bibers, baut er woanders neu", so Reimer.

Er lässt die Tiere, wenn möglich, fertig bauen, um zu sehen, wie man sowohl ihnen als auch den betroffenen Menschen gerecht werden kann. Für viele ein Ärgernis: Fällt ein Biber einen Baum. Im Herbst und Winter findet der Biber kein saftiges Gras. Deshalb versuche er an die Triebe der Bäume zu kommen. Klettern kann er nicht – bleibt nur, den Stamm zu fällen. Was kann man dagegen tun? 

Bäume in der Nähe von Gewässern können wirkungsvoll mit Drahtgeflecht gegen Biberbisse geschützt werden, so wie hier am Erlenbach.
Foto: Dorothea Fischer | Bäume in der Nähe von Gewässern können wirkungsvoll mit Drahtgeflecht gegen Biberbisse geschützt werden, so wie hier am Erlenbach.

Hat der Biber einen Baum bereits umgelegt, sollte man ihn nicht wegräumen, sondern als Futterquelle und Lebensraum liegen lassen. Sonst werde der Biber einen neuen Baum fällen, so Reimer. Für Privatbesitzer hält das Landratsamt Drahtgeflechte zur kostenfreien Abholung bereit, die als "Hosen" um die Stämme gewickelt werden können.

So hat der Biberberater in Birkenfeld gehandelt

Am Egerbach bauten Reimer und Michael Hörning vom gemeindlichen Bauhof Drainagerohre in den Hauptdamm. Sie sollen dafür sorgen, dass das Wasser weiter im Bachbett fließt, anstatt sich auf dem benachbarten Acker zu sammeln. Während sie Durchlässe in den Hauptdamm schlugen, krabbelte ein paar Meter bachabwärts ein Biber behäbig aus dem Wasser. "Er hat die Wasserbewegungen gespürt und das Plätschern gehört", meint Reimer, "und schaut jetzt, was da los ist".

Drainagerohre am Hauptdamm des Biberbaus sollen dafür sorgen, dass das Wasser im Bachbett weiterfließen kann.
Foto: Gerd Reimer | Drainagerohre am Hauptdamm des Biberbaus sollen dafür sorgen, dass das Wasser im Bachbett weiterfließen kann.

Müsste auch die Biberburg verändert werden, weiß Reimer am besten, wie man das angeht: Um die Jungen vor ihren natürlichen Feinden zu schützen, liegt der Eingang der Biberburg immer unter Wasser. Wer sich nicht auskennt, und vielleicht den Eingang trocken legt, dem könnte das Tier gefährlich werden. "Eigentlich ist der Biber ein friedliches Tier. Er wird aber aggressiv, wenn jemand seine Jungtiere bedroht."

Bayern: Heimat des Bibers

Biber waren über 15 Millionen Jahre lang in fast ganz Europa beheimatet, bevor sie 1867 als ausgerottet galten. Der Mensch stellte ihnen nach. Er machte aus den dichten Pelzen wärmende Mäntel und Hüte, aß das Fleisch und erklärte das Duftsekret, das den Schmerzwirkstoff Salicylsäure enthält, zum Wunderheilmittel, das mit Gold aufgewogen wurde.
Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die Restvorkommen unter Schutz gestellt. In Bayern wurden auf Initiative des Bund Naturschutzes von 1966 bis 1982 etwa 120 Biber ausgesetzt. Mittlerweile vermehren sich ausgewilderte Biber in Bayern wieder sehr gut. 20.000 Tiere leben heute im Freistaat.
Quelle: Bund Naturschutz
 
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  • A. M.
    Was mir bei dem Bericht fehlt ist, die mögliche Trinkwasserproblematik.
    Hier können durch stehende Gewässer im Trinkwassereinzugsgebiet der Birkenfelder Quelle Verunreinigungen entstehen.
    Diese Problematik ist, meines Wissens nach, Herrn Reimer, der Main-Post, dem Gesundheitsamt und dem Wasserwirtschaftsamt bekannt.

    Die Trinkwasserversorgung steht für die Birkenfelder an erster Stelle.
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  • J. K.
    Ein sehr schöner Bericht, gut recherchiert. Und Danke an Herr Reimer für seine hervorragende Arbeit. Sicher wäre noch sehr viel Aufklärungsarbeit nötig, aber das ist personell momentan wohl nicht zu stemmen.

    Ein wichtigher Punkt, der noch erwähnt werden sollte: gerade in der heutigen Zeit des Klimawandels spielt der Hochwasser-Rückhalt und das Wasserspeichervermögen in der Landschaft eine wichtige Rolle. Hierfür sorgt der Biber nachhaltig mit seinen Aktivitäten.

    Was wollen die Landwirte? Gewässer und Gewässerrandstreifen sind ohnehin tabu, gelegentliche Überschwemmungen im Auenbereich sind auch nicht tragisch. So werden Hochwasserereignisse in Ortschaften abgemildert.

    Einen Tipp hätte ich noch. Die Überlaufrohre Richtung Bibersee unbedingt mit einem großmaschigen Drahtgeflecht überstülpen, da sonst der Biber die Rohre in kürzester Zeit im Inneren zubaut. Das macht der gerne und der hat mehr Zeit als wir. zwinkern
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