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Würzburg
Aus- und Eingänge einer Firma und eines leer stehenden Hotels in Gemünden wurden videoüberwacht
Die Arbeitsbescheinigungen waren auffällig schlecht gefälscht. Wie die Frankfurter Flughafenpolizei den Menschenhändlern in Gemünden und Lauda-Königshofen auf die Spur kam.
Bundespolizei vor der Scherenberghalle in Gemünden im März 2020.
Foto: Björn Kohlhepp | Bundespolizei vor der Scherenberghalle in Gemünden im März 2020.
Christian Ammon
 |  aktualisiert: 22.02.2025 02:32 Uhr

Die beiden Beamten der Bundespolizei-Direktion am Frankfurter Flughafen, die nun als Zeugen im Würzburger Landgericht aussagten, erinnern sich noch gut an den langen Arbeitstag im März 2020. Die Durchsuchung von vier Wohnungen und eines renommierten metallverarbeitenden Betriebs in Gemünden, die frühmorgens begonnen hatte, erstreckte sich über fünf Stunden. Die letzte Vernehmung der festgesetzten Arbeiter endete erst gegen 23 Uhr. Die beiden Beamten waren zudem mit der Überwachung der Telefone und der Anfertigung von Videoaufnahmen maßgeblich beteiligt. Mit ihren Aussagen ging die umfangreiche Beweisaufnahme gegen eine nur zum Schein gegründete Leiharbeitsfirma aus Lauda-Königshofen und das Gemündener Unternehmen als Arbeitgeber in die nächste Runde.

Auf die Spur der fünf vor dem Landgericht angeklagten mutmaßlichen Menschenschmuggler war die Flughafenpolizei gekommen, als bei der Einreise drei Ukrainer mit ungültigen Papieren auffielen, die als gemeinsames Ziel die Gemündener Firma angaben. Auch zwei Männer, die als Abholer des Arbeitgebers auftauchten, wurden festgehalten, einer mit nachweislich gefälschter Identitätskarte aus Rumänien. Kurz davor waren drei Arbeiter in Bayern entdeckt worden, die mit einem Kleintransporter einreisten und ebenfalls nach Gemünden wollten. Ein paar Wochen später startete die Überwachung mehrere Telefone und die Videoüberwachung der Ein- und Ausgänge des Arbeitgebers sowie eines seit längerem leer stehenden großen Hotels in Gemünden, das damals als Unterkunft für die Arbeiter genutzt wurde.

Arbeitsbescheinigungen auffällig schlecht gefälscht

Bei den Durchsuchungen wurde zahlreiche gefälschte Arbeitsbescheinigungen gefunden. Sie seien jedoch, so die Polizisten, auffallend schlecht gefälscht gewesen. Die vermeintliche Leiharbeitsfirma aus Lauda-Königshofen habe sich zudem als Scheinfirma entpuppt: Für sie war zwar ein Gewerbe angemeldet, sie war aber nicht ins Handelsregister eingetragen und die Steuernummer falsch. Für die Anwerbung der Mitarbeiter waren, wie mitgeschnittene Telefonate ergaben, der Chef selber und ein Mitangeklagter zuständig. Beide arbeiteten recht professionell über die sozialen Medien. Es soll sogar ein Werbevideo gegeben haben. Beide nutzten dabei ihre muttersprachlichen Russisch-Kenntnisse. Inwiefern der verstorbene Geschäftsführer aus Ravensburg über die Machenschaften Bescheid wusste, blieb unklar. Er erkundigte sich jedenfalls mehrmals bei seinen Anwälten darüber, ob die Überlassung rechtmäßig erfolgt.

Zu den Lebensumständen der Arbeiter – ein Thema, das das Gericht besonders interessiert – gibt es bisher widersprüchliche Aussagen. Sie sollen zwischen sieben und acht Euro erhalten haben. Davon mussten sie ihre Unterkunft bezahlen und eine Gebühr für eine vorgebliche An- und Abmeldung. Die Gemündener Firma überwies pro gearbeiteter Stunde zwölf Euro an die vermeintliche Leiharbeitsfirma. Die Beamten kommen auf ein Gesamtvolumen, das überwiesen wurde, von etwa 100.000 Euro. "Den Arbeitern ist es egal, ob sie legal oder illegal da sind, am Ende zählt das Geld", erklärte einer der Beamten dem Gericht. Es gebe zwar eine ganz Reihe von Beschwerden, die mitgeschnitten wurden. Hinweise auf eine generell schlechte Behandlung konnte er jedoch nicht erkennen.

Bei Durchsuchung elf illegal Beschäftigte festgestellt

Über die Unterbringung selber konnte bisher keiner der Beamten Auskunft geben. Bei der Durchsuchung im Betrieb trafen die Beamten auf insgesamt elf illegal Beschäftigte. Der Arbeitsschutz soll immerhin eingehalten worden sein. Insgesamt hat die Bundespolizei 55 einzelne Fallakten unter der Rubrik "organisierte Kriminalität" angelegt. Nach dem Scheitern einer vom vorsitzenden Richter Boris Raufeisen angeregten Verständigung gibt es nun neun weitere Termine. Dabei sollen auch einige der früheren Arbeiter befragt werden.

 
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