
Über Scheinfirmen soll ein Ehepaar aus Lauda-Königshofen illegal Mitarbeiter aus der Ukraine und Moldawien angeworben haben. Eingesetzt wurden sie bei einem ehemals renommierten metallverarbeitenden Betrieb in Gemünden. Ein inzwischen verstorbener Investor aus Ravensburg hatte den wirtschaftlich maroden Betrieb 2017 gekauft. Die angeworbenen Mitarbeiter wurden in den Jahren 2019 und 2020 mit gefälschten Arbeitserlaubnissen und Schein-Werkverträgen ins Land gebracht und arbeiteten jeweils für einige Monate ohne Anmeldung und zu Löhnen, die weit unter dem üblichen Niveau lagen. Vor dem Würzburger Landgericht sind etwa 40 Fälle angeklagt.
Ein vom Gericht als Voraussetzung für eine Verständigung gefordertes Geständnis kam auch am dritten Verhandlungstermin nicht zustande. Das Verfahren gegen die fünf Angeklagten droht sich damit in die Länge zu ziehen. Lediglich ein 39-Jähriger, der das Ehepaar unterstützte, war dazu bereit, seine Rolle aufzuklären. Der als Fachlagerist ausgebildete Mann stellte sich als Mitläufer dar, der in die Sache "hineingeschlittert" sei. Er beschrieb sich als Familienvater, der nach dem Kauf eines mit Schulden finanzierten Hauses auf Geld angewiesen war, als Fachlagerist und Brötchenlieferant in zwei Jobs viel arbeitete und darum gerne dazu bereit war, für den als Freund und Nachbar beschriebenen Mitangeklagten Aufgaben zu übernehmen.
Auf einem von diesem gestellten PC erfasste er die Mitarbeiterdaten und Monatsabrechnungen. Auch hielt der russischsprachige Mann Telefonkontakt mit den Mitarbeitern. Sein Fehler sei es vor allem gewesen, dass er zu wenig nachgefragt habe, stellte sein Verteidiger fest.
103.000 Euro Schaden durch fehlende Sozialbeiträge
Genauer in den Blick kam der Ravensburger Investor, der die Gemündener Firma 2017 erworben und als Geschäftsführer geführt hatte. Kurz nachdem die Unregelmäßigkeiten bekannt geworden waren, hatte er, so der Ermittler der Deutschen Rentenversicherung als Zeuge, den Firmensitz verlegt und die Firma liquidiert. Der Betrieb soll jedoch unter anderem Namen auch nach dem Oktober 2021 weitergelaufen sein. Offensichtlich wollte er so Nachforderungen entgehen. "Ich sag mal, die Kreativität im Hintergrund, die war schon vorhanden", so die Einschätzung. Den aufgrund entgangener Sozialbeiträge entstandenen Schaden schätzt er auf 103.000 Euro.
Auch nach Ansicht eines auf Wirtschaftskriminalität spezialisierten Polizeibeamten wusste der Ravensburger, der seit Jahrzehnten im Unternehmens- und Finanzbereich tätig war, was er tat. Es sei dessen Geschäftsmodell gewesen, "schlecht laufende Unternehmen einzukaufen, hochzupäppeln und wieder mit Gewinn zu verkaufen". Er vermutet, dass er weniger Interesse an der Firma selber hatte als am Gewinn. Vor Ort in Gemünden soll er sich auf die beiden 48 und 49 Jahre alten Mitangeklagten verlassen haben. Einer von ihnen war vor 2017 der Geschäftsführer. Sie lieferten das nötige Fachwissen, gaben den vermeintlichen Leiharbeitern die Anweisungen und zahlten den Lohn aus.
Der Polizeibeamte war aufgrund der damals geltenden Corona-Maßnahmen bei der Großrazzia selber nicht vor Ort. Er hatte dennoch einige Einblicke in die Lebensbedingungen erhalten. Viele Mitarbeiter seien unter "sehr bescheidenen Verhältnissen" in einem Lohrer Hotel untergebracht worden, für das sie mutmaßlich Miete zahlen mussten. So soll es etwa keine Duschen gegeben haben: "Es waren keine Umstände, wo ich sagen würde, da verbringe ich jetzt gerne meine nächsten sechs Monate". Es sei daher auch immer mal wieder vorgekommen, dass Angeworbene schon nach kurzer Zeit wieder nach Hause reisten.