zurück
Würzburg
Nach Großrazzia: Ein inzwischen abgewickeltes Gemündener Unternehmen war der Mittelpunkt von Menschenschmuggel
Vor dem Würzburger Landgericht müssen sich fünf Angeklagte rechtfertigen. Die Staatsanwältin geht von einem planmäßigen Vorgehen und Verschleierungsversuchen aus
Die Bundespolizei machte im März 2020 eine Großrazzia bei einem Unternehmen und mehreren Arbeiterunterkünften in Gemünden.
Foto: Björn Kohlhepp (Archivfoto) | Die Bundespolizei machte im März 2020 eine Großrazzia bei einem Unternehmen und mehreren Arbeiterunterkünften in Gemünden.
Christian Ammon
 |  aktualisiert: 25.01.2025 02:33 Uhr

Mit einer Großrazzia ist die Bundespolizei 2020 gegen Menschenschmuggel und Betrug mit vermeintlichen Leiharbeitern vorgegangen, in dessen Mittelpunkt eine metallverarbeitende Firma aus Gemünden stand. Damals wurden außerdem mehrere Wohnungen in Gemünden, Lohr, Lauda-Königshofen und Ravensburg durchsucht. Nach längerer Pause wurde nun am Würzburger Landgericht die im Sommer begonnene und nach wenigen Minuten vertagte Hauptverhandlung gegen die verbliebenen fünf Angeklagten fortgesetzt. Angeklagt sind 49 Fälle, bei denen Arbeiter aus Moldawien und der Ukraine illegal beschäftigt wurden.

Doch auch der zweite Anlauf stand unter keinem guten Vorzeichen: Einer der Verteidigeranwälte ist unerwartet verstorben und der neue Anwalt hat seinen Mandanten nun erstmals bei der Verhandlung gesehen. Ein weiterer Angeklagter hat ebenfalls kurzfristig seinen Anwalt gewechselt. Dem Vorsitzenden Richter, Boris Raufeisen, blieb damit keine andere Wahl als die geladenen Zeugen erneut abzubestellen und die Verhandlung auf das Nötigste zu beschränken. Ende Januar soll es zu einer Fortsetzung kommen. Auf Drängen des Richters sollen nochmals Verständigungsgespräche stattfinden. Zwei der Angeklagten deuteten jedoch bereits an, dass sich als unschuldig betrachten, nichts von allem gewusst hätten oder "gutgläubig da rein geschlittert" seien.

Zweistündige Verlesung der Anklageschrift

Immerhin hatte diesmal die Staatsanwältin die Gelegenheit, die Anklageschrift zu verlesen. Sie benötigte gut zwei Stunden und eine Verschnaufpause, um den Sachverhalt, der den vier Männern und einer Frau im Alter von 38 bis 49 Jahren aus den Landkreisen Main-Spessart und Main-Tauber vorgeworfen wird, vorzutragen. Der im Gerichtssaal abgestellte Rollwagen – voll mit Aktenordnern – zeigte überdeutlich, wie umfangreich das gegen die fünf angesammelte Material ist.

Die Angeklagten sollen, so die Staatsanwaltschaft, in großem Stil in Moldawien und der Ukraine angeworbene Arbeiter illegal beschäftigt haben. Zum Einsatz kamen sie in einem 2014 gegründeten, metallverarbeitenden Betrieb in Gemünden, der inzwischen seinen Betrieb eingestellt hat. Nachdem der Geschäftsführer als Hauptangeklagter inzwischen verstorben ist, müssen sich nun noch ein 49-Jähriger, der als Vertreter des Geschäftsführers vor Ort fungiert haben soll und der 48-jährige Produktionsleiter vor Gericht rechtfertigen. Auch sie sollen profitiert haben: Durch ihr Mitwirken sicherten sie ihre Arbeitsplätze in einer ansonsten nicht überlebensfähigen Firma. Auch soll es ein Scheinarbeitsverhältnis mit einer der Ehefrauen gegeben haben.

Sozialabgaben in Höhe von 103.000 Euro wurden nicht gezahlt

Für die Anwerbung in den Heimatländern sollen die drei weiteren Angeklagten, allesamt mit russischen Wurzeln, eigens eine in Lauda-Königshofen ansässige Scheinfirma gegründet haben. Diese erhielt pro gearbeiteter Stunde zwölf Euro aus Gemünden überwiesen. Davon erhielten die Arbeiter nur zwischen sieben und acht Euro. Sie mussten zudem eine einmalige Gebühr von 100 Euro zahlen sowie Mieten zwischen 100 und 200 Euro für die eigens angemietete Unterkunft. Lohnsteuern oder Sozialabgaben in Höhe von 103.000 Euro wurden nicht gezahlt. Insgesamt überwies der Gemündener Betrieb 192.000 Euro an die Anwerber, davon behielten eine 38-Jährige und ihr 39-jähriger Ehemann nachweislich 77.000 Euro.

Schwerwiegend ist der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, dass die Angeklagten spätestens im November 2018 ihr Vorgehen abgesprochen hatten. Auch sollen sie versucht haben, die illegale Beschäftigung zu verschleiern: mit gefälschten rumänischen und slowakischen Identitäten, mit gefälschten polnischen Arbeitstiteln für ein europäisches Visum und mit fingierten Werkverträgen einer Firma in Litauen, die wohl nie bestanden hat.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Christian Ammon
Bundespolizei
Euro
Hauptangeklagte
Landgericht Würzburg
Scheinfirmen
Staatsanwaltschaft Würzburg
Staatsanwälte
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top