
"Man kann es glauben, muss es aber nicht glauben", meinte Strafrichter Sven Krischker zu dem, was ihm in der Verhandlung am Amtsgericht Gemünden ein Angeklagter und seine Verlobte erzählten. Der Mann war angeklagt, weil in seinem Kühlschrank 2,79 Gramm Amphetamine gefunden wurden. "Die gehörten meiner Verlobten", so der Mann. Die Frau machte von ihrem Recht Gebrauch und verweigerte dazu die Aussage.
Angeblich hatte sich das Paar, das im Raum Gemünden lebt, im Oktober des vergangenen Jahres verlobt. Kommuniziert hatten sie das allerdings nicht öffentlich, auch nicht bei der Anhörung durch die Polizei. Die war auf die Verlobten am 10. April aufmerksam geworden, weil es da in der gemeinsamen Wohnung einen größeren Streit gegeben hat. "Ich wollte mich trennen von ihr", berichtete der Angeklagte jetzt in seiner Verhandlung.
Er war dann völlig überrascht, als plötzlich Polizeibeamte in der Wohnung standen. Offensichtlich hatte eine Nachbarin die Beamten verständigt. Bei der Befragung übergab der Mann dann den Polizisten eine Dose mit den Amphetaminen, die im Kühlschrank gelagert war. Er bestritt, dass ihm die Betäubungsmittel gehören oder von ihm besorgt worden waren. "Ich hab auch meiner Freundin nix gegeben. Die hat sie sich wohl selber besorgt", so seine Aussage.
Paar belastet sich gegenseitig schwer
In ihrer polizeilichen Vernehmung hatte die Verlobte wohl ihren Lebensgefährten, der derzeit unter offener Bewährung stand, schwer belastet. Darum wurde sie auch nur als Zeugin vernommen, nicht jedoch als Beschuldigte in einem Strafverfahren. Deshalb konnte das Gericht ihre Aussage bezüglich der Anschuldigungen des Angeklagten auch nicht verwerten. Und jetzt in der Verhandlung machte die Zeugin als Verlobte des Angeklagten von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Das bedeutete, dass die Staatsanwaltschaft jetzt mit ziemlich leeren Händen da stand.
Zumal auch der Angeklagte erklärte, die Betäubungsmittel nur zufällig im Kühlschrank gefunden zu haben, weil er ein Essen vorbereiten wollte. "Ich habe ihr da gesagt, dass sie das Zeug schnellstens verschwinden lassen soll", meinte er in seiner Aussage. Weil sie immer so schnell müde sei", habe ihm die Frau erklärt, müsse sie die Amphetamine nehmen.
Gute Noten für den Angeklagten hatte seine Bewährungshelferin zu vergeben. Die Kontakte seien regelmäßig und er gebe sich stets kooperativ, sagte sie über den Mann, der aus "einem sozialen Brennpunkt" in einem anderen Bundesland nach Main-Spessart gezogen ist.
Neues Verfahren mit der Verlobten auf der Anklagebank möglich
Maßgebend für die Staatsanwältin war, dass die Drogen im Kühlschrank des Mannes in der von beiden genutzten Wohnung gefunden wurden. Deshalb hielt sie ihn für schuldig und beantragte eine sechsmonatige Freiheitsstrafe, ohne Bewährung. Bei der Verteidigerin sorgte das für Kopfschütteln. Sie sah die Vorwürfe gegen ihren Mandanten nicht bestätigt. Obwohl die Wohnung von dem Paar gemeinsam genutzt werde, ist jede Person für seine Gegenstände selbst verantwortlich, meinte sie. Ihr Mandant habe keinerlei Besitzwillen an den Drogen gehabt. Im Gegenteil, habe er den Polizeibeamten ungefragt die Dose mit den Amphetaminen übergeben und damit die Ermittlungen erst angestoßen. Sie beantragte einen Freispruch.
Dem schloss sich Richter Krischker auch vollumfänglich an. In der Begründung zu dem noch nicht rechtskräftigen Urteil sind nach seinen Worten die Drogen sehr wahrscheinlich der Verlobten des Angeklagten zuzuordnen. Das bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft möglicherweise jetzt ein Strafverfahren gegen die Frau eröffnen wird, in dem in umgekehrter Reihenfolge, der jetzige Angeklagte als Zeuge gehört wird.