In Unterfranken liegt der Anteil weiblicher Führungskräfte bei der Polizei bei knapp zehn Prozent. In Main-Spessart sind es mit rund 20 Prozent doppelt so viele. Im Interview erzählen Annette Fröhlich, Leiterin der Dienststelle in Gemünden, und Mona Lier, stellvertretende Dienststellenleiterin in Karlstadt, warum sie nichts Besonderes mehr sind.
Annette Fröhlich: Als Anfang der 1990er Jahre die ersten Frauen in Uniform bei der Polizei arbeiteten, war das außergewöhnlich. Heute ist es unerheblich, ob ein Mann oder eine Frau die Uniform trägt.
Mona Lier: Das sehe ich genauso. Es ist nichts Besonderes mehr, sondern absolut normal. Man darf auch nicht alles auf die Goldwaage legen. Kürzlich wurde ein Kollege von mir während eines Einsatz von einem älteren Herren angesprochen: „Sie haben aber attraktive Kolleginnen dabei!“ Der Kollege klärte ihn auf, dass eine sogar seine Chefin sei und wir haben alle herzlich gelacht. Die Äußerung des Herren war einfach nett gemeint und er wuchs vermutlich in einer Zeit auf, in der es noch keine Frauen bei der Polizei gab.
Fröhlich: Als ich 1992 angefangen habe, haben mir die Kolleginnen des ersten Ausbildungsjahrgangs erzählt, dass sie noch mit einer Rose an der Wache begrüßt wurden. Insgesamt hat sich die Polizeiausbildung aber stark verändert. Früher war sie eher militärisch organisiert, heute praxisnah.
Lier: Als ich 2000 in mein erstes Praktikum ging, gab es zum Beispiel in der Dienststelle noch keine Damenumkleide. Die wurde provisorisch für mich eingerichtet. Heute sind alle Polizeidienststellen mit getrennten Umkleiden ausgestattet.
Fröhlich: Es gab Vorbehalte, aber die konnte ich schnell ausräumen. Ein Kollege wollte mich zunächst nicht Auto fahren lassen, da ich im gleichen Alter wie seine Tochter war. Aber nach ein paar Tagen haben alle gemerkt, dass man mit mir genauso arbeiten kann wie mit einem Mann.
Lier: Es war für mich weder leichter noch schwerer als für einen Mann. Ich hatte immer das Ziel, einmal eine Führungsrolle zu übernehmen. Bei der Auswahl werden Frauen nicht anders behandelt als Männer. Ausgewählt wird rein nach der Qualifikation.
Lier: Eine solche Frau gab es für mich nicht. Vor allem in meinen ersten Dienstjahren gab es kaum Kontakt zu weiblichen Vorgesetzten. Ich hatte aber auch nicht das Bedürfnis, jemandem nachzueifern – weder einem Mann noch einer Frau.
Fröhlich: Man erlebt im Laufe seines Dienstlebens viele Vorgesetzte. Es gibt immer Verhaltensweisen, die man gut findet und übernimmt, und andere, die man als negativ empfindet.
Lier: Die Stimmung ist deshalb nicht anders, als ich es in anderen Dienststellen erlebt habe. Wir haben im Landkreis überall ein sehr familiäres Klima. Das liegt daran, dass die Dienststellen nicht sehr groß sind.
Fröhlich: Nein. Mein Stellvertreter und ich haben unterschiedliche Stärken und wir ergänzen uns sehr gut. Er ist zum Beispiel derjenige, der die Dienstpläne macht, weil er das viel strukturierter angeht als ich.
Lier: Ich denke auch, es gibt keinen typisch weiblichen oder typisch männlichen Führungsstil. Das ist immer etwas sehr individuelles.
Lier: Das würde ich nicht so sagen. Es kommt darauf an, wie sensibel jemand ist und welche Strategie er entwickelt hat, mit Belastungen umzugehen. Entscheidend ist auch, ob man bei der Bewältigung Hilfe hat. Seit einigen Jahren gibt es bei der Polizei Unterstützung durch Gesprächsangebote oder Supervisionen. So wie man sich um Opfer kümmert, werden auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreut.
Lier: Meine Eltern waren nicht begeistert, als ich nach dem Abitur sagte, dass ich zur Polizei will. Sie waren in Sorge wegen der Gefahren, die der Beruf mit sich bringt. Heute ist meine Mutter sehr stolz auf mich und unterstützt mich zum Beispiel mit der Kinderbetreuung, wenn ich arbeiten muss.
Fröhlich: Ich habe schon als kleines Kind gesagt, dass ich Polizistin werde, obwohl es damals noch gar keine Frauen bei der Polizei gab. Meine Eltern akzeptierten das und unterstützen mich bis heute.
Lier: Ja, das ist er. Ich liebe meinen Beruf, habe drei Kinder und arbeite seit Jahren in Teilzeit. Führungsaufgaben kann man in Teilzeit ausüben. Man muss jedoch flexibel und auch 24/7 erreichbar sein. Ich denke, dass die Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine Frage ist, die sowohl Männer als auch Frauen betrifft. Ich habe viele Kollegen, die die Versorgung der Kinder übernehmen, kranke Angehörige pflegen oder Enkel betreuen. An unserer Dienststelle halten wir uns gegenseitig den Rücken für Privates frei, wenn es notwendig ist.
Fröhlich: Für mich ist die Polizei ein familienfreundlicher Beruf durch die unterschiedlichen Bereiche und die Möglichkeiten der Teilzeit. Von Seiten der Familie ist vor allem Verständnis für den Job wichtig.
Fröhlich: Mir fällt nichts ein, um das ich kämpfen müsste, damit es sich verändert. Anders als in anderen Berufen werden Männer und Frauen bei der Polizei auch gleich bezahlt.
Lier: Ich habe nicht das Gefühl, dass ich etwas durchboxen müsste, nur weil ich eine Frau bin. Nach 30 Jahren sind Frauen bei der Polizei Normalität - auch in Führungsfunktionen. Ich muss das als Frau jedoch auch wollen!