zurück
Main-Spessart
Was hat sich in Main-Spessart für Frauen bei der Polizei geändert?
Vor 30 Jahren war er eine reine Männerdomäne: der Polizeiberuf. Zwei Polizistinnen aus Main-Spessart erzählen, wie normal Frauen in der Branche heutzutage sind.
Fühlen sich nicht als etwas Besonderes: Die Polizistinnen Annette Fröhlich (links), Leiterin der Dienststelle in Gemünden, und Mona Lier, stellvertretende Dienststellenleiterin der Polizei in Karlstadt.
Foto: Lucia Lenzen | Fühlen sich nicht als etwas Besonderes: Die Polizistinnen Annette Fröhlich (links), Leiterin der Dienststelle in Gemünden, und Mona Lier, stellvertretende Dienststellenleiterin der Polizei in Karlstadt.
Dorothea Fischer
 und  Lucia Lenzen
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:39 Uhr

In Unterfranken liegt der Anteil weiblicher Führungskräfte bei der Polizei bei knapp zehn Prozent. In Main-Spessart sind es mit rund 20 Prozent doppelt so viele. Im Interview erzählen Annette Fröhlich, Leiterin der Dienststelle in Gemünden, und Mona Lier, stellvertretende Dienststellenleiterin in Karlstadt, warum sie nichts Besonderes mehr sind.

Frage: Frau Fröhlich, Frau Lier, wie werden Sie als Frauen in Uniform in Main-Spessart wahrgenommen?

Annette Fröhlich: Als Anfang der 1990er Jahre die ersten Frauen in Uniform bei der Polizei arbeiteten, war das außergewöhnlich. Heute ist es unerheblich, ob ein Mann oder eine Frau die Uniform trägt.

Mona Lier: Das sehe ich genauso. Es ist nichts Besonderes mehr, sondern absolut normal. Man darf auch nicht alles auf die Goldwaage legen. Kürzlich wurde ein Kollege von mir während eines Einsatz von einem älteren Herren angesprochen: „Sie haben aber attraktive Kolleginnen dabei!“ Der Kollege klärte ihn auf, dass eine sogar seine Chefin sei und wir haben alle herzlich gelacht. Die Äußerung des Herren war einfach nett gemeint und er wuchs vermutlich in einer Zeit auf, in der es noch keine Frauen bei der Polizei gab.

Was hat sich seit Ihrer Ausbildung für Frauen im Polizeidienst geändert? 

Fröhlich: Als ich 1992 angefangen habe, haben mir die Kolleginnen des ersten Ausbildungsjahrgangs erzählt, dass sie noch mit einer Rose an der Wache begrüßt wurden. Insgesamt hat sich die Polizeiausbildung aber stark verändert. Früher war sie eher militärisch organisiert, heute praxisnah.

Lier: Als ich 2000 in mein erstes Praktikum ging, gab es zum Beispiel in der Dienststelle noch keine Damenumkleide. Die wurde provisorisch für mich eingerichtet. Heute sind alle Polizeidienststellen mit getrennten Umkleiden ausgestattet.

Wie war es damals für die männlichen Kollegen mit Ihnen als eine der ersten Frauen in der Dienststelle?

Fröhlich: Es gab Vorbehalte, aber die konnte ich schnell ausräumen. Ein Kollege wollte mich zunächst nicht Auto fahren lassen, da ich im gleichen Alter wie seine Tochter war. Aber nach ein paar Tagen haben alle gemerkt, dass man mit mir genauso arbeiten kann wie mit einem Mann.

Wie schwer oder einfach ist es, bei der Polizei als Frau Karriere zu machen?

Lier: Es war für mich weder leichter noch schwerer als für einen Mann. Ich hatte immer das Ziel, einmal eine Führungsrolle zu übernehmen. Bei der Auswahl werden Frauen nicht anders behandelt als Männer. Ausgewählt wird rein nach der Qualifikation.

Hatten Sie Frauen als Vorbilder?

Lier: Eine solche Frau gab es für mich nicht. Vor allem in meinen ersten Dienstjahren gab es kaum Kontakt zu weiblichen Vorgesetzten. Ich hatte aber auch nicht das Bedürfnis, jemandem nachzueifern – weder einem Mann noch einer Frau.

Fröhlich: Man erlebt im Laufe seines Dienstlebens viele Vorgesetzte. Es gibt immer Verhaltensweisen, die man gut findet und übernimmt, und andere, die man als negativ empfindet.

Bei der Polizei Karlstadt sind ein Viertel der Beschäftigten weiblich. Unterscheidet sich die Atmosphäre dadurch? 

Lier: Die Stimmung ist deshalb nicht anders, als ich es in anderen Dienststellen erlebt habe. Wir haben im Landkreis überall ein sehr familiäres Klima. Das liegt daran, dass die Dienststellen nicht sehr groß sind.

Führen Sie Ihre Mannschaft anders als es ihre männlichen Kollegen oder Vorgesetzten tun?

Fröhlich: Nein. Mein Stellvertreter und ich haben unterschiedliche Stärken und wir ergänzen uns sehr gut. Er ist zum Beispiel derjenige, der die Dienstpläne macht, weil er das viel strukturierter angeht als ich.

Lier: Ich denke auch, es gibt keinen typisch weiblichen oder typisch männlichen Führungsstil. Das ist immer etwas sehr individuelles.

Fällt es Frauen schwerer, sich im Privatleben von dem zu distanzieren, was sie im Dienst erlebt haben?

Lier: Das würde ich nicht so sagen. Es kommt darauf an, wie sensibel jemand ist und welche Strategie er entwickelt hat, mit Belastungen umzugehen. Entscheidend ist auch, ob man bei der Bewältigung Hilfe hat. Seit einigen Jahren gibt es bei der Polizei Unterstützung durch Gesprächsangebote oder Supervisionen. So wie man sich um Opfer kümmert, werden auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreut.

Wie haben Ihre Familien auf ihren Berufswunsch reagiert? 

Lier: Meine Eltern waren nicht begeistert, als ich nach dem Abitur sagte, dass ich zur Polizei will. Sie waren in Sorge wegen der Gefahren, die der Beruf mit sich bringt. Heute ist meine Mutter sehr stolz auf mich und unterstützt mich zum Beispiel mit der Kinderbetreuung, wenn ich arbeiten muss.

Fröhlich: Ich habe schon als kleines Kind gesagt, dass ich Polizistin werde, obwohl es damals noch gar keine Frauen bei der Polizei gab. Meine Eltern akzeptierten das und unterstützen mich bis heute.

Ist Ihr Beruf familienfreundlich?

Lier: Ja, das ist er. Ich liebe meinen Beruf, habe drei Kinder und arbeite seit Jahren in Teilzeit. Führungsaufgaben kann man in Teilzeit ausüben. Man muss jedoch flexibel und auch 24/7 erreichbar sein. Ich denke, dass die Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine Frage ist, die sowohl Männer als auch Frauen betrifft. Ich habe viele Kollegen, die die Versorgung der Kinder übernehmen, kranke Angehörige pflegen oder Enkel betreuen. An unserer Dienststelle halten wir uns gegenseitig den Rücken für Privates frei, wenn es notwendig ist.

Fröhlich: Für mich ist die Polizei ein familienfreundlicher Beruf durch die unterschiedlichen Bereiche und die Möglichkeiten der Teilzeit. Von Seiten der Familie ist vor allem Verständnis für den Job wichtig.

Wofür müssen Sie noch kämpfen? Worüber noch diskutieren?

Fröhlich: Mir fällt nichts ein, um das ich kämpfen müsste, damit es sich verändert. Anders als in anderen Berufen werden Männer und Frauen bei der Polizei auch gleich bezahlt.

Lier:  Ich habe nicht das Gefühl, dass ich etwas durchboxen müsste, nur weil ich eine Frau bin. Nach 30 Jahren sind Frauen bei der Polizei Normalität - auch in Führungsfunktionen. Ich muss das als Frau jedoch auch wollen!

Zur Person

Hauptkommissarin Annette Fröhlich (46 Jahre) leitet seit April 2020 die Polizeistation in Gemünden. Zuvor war sie im Präsidium Unterfranken in Würzburg in verschiedenen Sachgebieten. Von 2005 bis 2011 leitete sie eine Dienstgruppe in Karlstadt. Sie ist in Wiesenfeld aufgewachsen und lebt dort.
Hauptkommissarin Mona Lier (43 Jahre) ist seit April 2021 Einsatzleiterin und stellvertretende Dienststellenleiterin bei der Polizeiinspektion in Karlstadt. Sie arbeitete seit 2015 für sechs Jahre beim Präsidium Unterfranken als Beauftragte für Kriminalitätsopfer. Zuvor war sie bei der Verkehrspolizei Würzburg und beim Bayerischen Landeskriminalamt. Die gebürtige Frammersbacherin wohnt mit ihrer Familie im Landkreis Würzburg.
Frauen im Polizeidienst: Seit dem 1. März 1990 gibt es bei der Bayerischen Polizei Frauen in Uniform. In Main-Spessart gibt es aktuell 138 Polizistinnen und Polizisten, die Uniform tragen und den Vollzugsdienst ausüben. Die Frauenquote beträgt etwa 25 Prozent (35 Frauen). Der Anteil der Frauen in Führungspositionen beträgt 20 Prozent. Unterfrankenweit liegt der Anteil  bei knapp zehn Prozent.
Quelle: dfi/Polizeipräsidium Unterfranken
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Karlstadt
Gemünden
Dorothea Fischer
Lucia Lenzen
Betreuung von Kindern
Frauen in Führungspositionen
Mütter
Polizei
Polizei Bayern
Polizeidienst
Uniformen
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • W. M.
    Na ja, mit Auswahl rein nach Qualifaktion, ob Mann oder Frau, das ist so eine Sache.......
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten