Es kommen immer mehr Menschen aus der Ukraine in den Landkreis Main-Spessart, die Hilfs- und Spendenbereitschaft ist immens. Um hier Fuß zu fassen, bedarf es viel Unterstützung. Viele der Geflüchteten sind traumatisiert, sie brauchen ein Dach über dem Kopf, sprechen kein Deutsch und müssen eine Betreuung für ihre Kinder organisieren. Unklar ist außerdem, wie lange die Menschen in Deutschland bleiben werden. Ein Job steht auf der Prioritätenliste selten ganz oben. Und doch böten sich für Geflüchtete wie für Arbeitgeber Chancen.
Wie schätzen Einrichtungen und Unternehmen aus Main-Spessart dies ein? Paidi Möbel in Hafenlohr plant, aktiv auf Geflüchtete zuzugehen, unter anderem über die Webseite www.jobaidukraine.com. Das Job-Vermittlungsportal sammelt Angebote und stellt sie in englischer und ukrainischer Sprache zur Verfügung.
Die Zahnärzte am Stadtpark in Lohr suchen über diese Seite bereits zahnmedizinisch ausgebildete Mitarbeitende, ebenso das Medizinische Versorgungszentrum CurvaDent in Hafenlohr. Strom-Werner in Steinbach bietet dort eine Stelle als Elektriker an.
Klinikum hofft auf Bewerbungen im Pflegebereich
Das Klinikum Main-Spessart macht seine Stellenangebote über die Agentur für Arbeit und das Jobcenter auf niederschwelliger Ebene den Geflüchteten zugänglich, sagt Franziska Schön von der Zentralverwaltung: "Besonders für den Pflegebereich hoffen wir auf Bewerbungen." Es müsse zwar noch geklärt werden, ob die Berufsabschlüsse hierzulande anerkannt werden, doch "wir für uns sehen die Chance, gut ausgebildete Fachkräfte für unsere Einrichtung zu gewinnen oder angehende Fachkräfte in unserem Bildungszentrum auszubilden".
Beim Obst- und Spargelhof Gold in Karlburg werden ukrainische Geflüchtete zur Erdbeer- und Stachelbeer-Ernte erwartet, teilt Chefin Marion Gold auf Anfrage mit. Sie sei in Kontakt mit einer Arbeitsvermittlung vor Ort. Es stehe bereits fest, dass drei Frauen mit ihren jugendlichen Kindern anreisen werden. Ob mehr kommen werden, müsse noch geklärt werden.
Viele Anfragen bei Gebäudedienstleister
"Von Tag zu Tag gehen bei uns zunehmend mehr Anfragen ein", so Peter Engelbrecht, Gesamtgeschäftsführer der Dorfner Gruppe mit Sitz in Nürnberg, die auch in der Region Main-Spessart Gebäudedienstleistungen anbietet. Die Anfragen kämen zum Teil von Geflüchteten selbst, aber zum großen Teil von deren Verwandten oder Betreuungspersonen. Engelbrecht möchte nach eigenen Angaben 500 Geflüchteten gewerbliche Arbeitsplätze zur Verfügung stellen: "In Marktheidenfeld konnten wir bereits eine Frau einstellen."
Stellenausschreibungen werden über verschiedene Kanäle bekanntgegeben, unter anderem auch über Aushänge in Unterkünften. Zudem habe man den Bewerbungsprozess deutlich verschlankt und für einen Erstkontakt eine Hotline für Menschen aus der Ukraine eingerichtet.
Sabine Wittmann, Leiterin des AWO-Seniorenzentrums in Partenstein, meldet, dass die Einrichtung momentan mit Personal überbesetzt sei, weshalb eine Einstellung von Geflüchteten aktuell nicht in Frage komme.
Vom Klinikum Main-Spessart, Warema in Marktheidenfeld oder Bosch Rexroth in Lohr ist zu hören, dass es noch keine konkreten Anfragen von Geflüchteten aus der Ukraine nach Jobs gebe. "Unsere Stellenangebote richten sich prinzipiell an alle und sind damit auch offen für geflüchtete Menschen aus der Ukraine", heißt es aus der Pressestelle von Bosch Rexroth.
Sprachkenntnisse spielen zentrale Rolle
Auch bei der Agentur für Arbeit in Würzburg lägen derzeit noch keine Vermittlungswünsche oder Meldungen über Arbeitssuche von ukrainischen Staatsangehörigen vor, so Sprecher Wolfgang Albert. Doch mittelfristig dürfte es Möglichkeiten der Beschäftigung für Geflüchtete aus der Ukraine geben. In vielen Bereichen werde zusätzliches Personal gesucht. Er vermutet, dass verstärkt Teilzeitjobs nachgefragt werden, da die Geflüchteten in der Mehrzahl Frauen mit Kindern seien.
Isabel Schauz, Fachkräftereferentin bei der IHK Würzburg-Schweinfurt, konkretisiert: "Grundsätzlich herrscht in Mainfranken branchenübergreifend Fachkräftemangel." Ob die mitgebrachten Qualifikationen mit den offenen Stellen korrespondieren, kann nach Aussage des Sprechers der Arbeitsagentur allerdings noch nicht eingeschätzt werden. Der allgemeine Bildungsstand ukrainischer Menschen sei sehr hoch, so Schauz. Sie sagt: "Darüber hinaus spielt bei einer möglichen Beschäftigung natürlich die Sprache eine zentrale Rolle." Der Spracherwerb sei das A und O für eine erfolgreiche Integration.
Erfahrungen aus der Flüchtlingsbewegung 2015 nutzen
"Die Erfahrungen der Flüchtlingswelle 2015 könnten für uns sehr hilfreich sein", sagt Daniel Röper von der Handwerkskammer Unterfranken (HWK). Sprachkurse oder Konzepte für die Integration müssten nur minimal angepasst werden. Für die Handwerkskammer Unterfranken (HWK) stehe die Frage im Raum, ob eine Angleichung der Geflüchteten an den hiesigen Arbeitsmarkt überhaupt möglich sei, so Röper. Denn es sei wichtig, die deutschen Qualitätsstandards in der Handwerksausbildung zu halten.
Isabel Schauz von der IHK berichtet, dass derzeit vermehrt Netzwerktreffen stattfinden würden, um möglichst frühzeitig Strukturen für Arbeitsvermittlung und Integration in den Arbeitsmarkt vorzubereiten, die bei Bedarf aktiviert werden können. Nach Röpers Aussage hätten beim Zentralverband des deutschen Handwerks mit Sitz in Berlin, bei dem die HWK Mitglied ist, bereits Unternehmen aus der Baubranche, dem Nahrungsmittel- und dem Gebäudehandwerk Bedarf an Fachkräften aus der Ukraine angemeldet.