Heiligabend um 11 Uhr ist Bernd Koller mit seinem Großmotorschiff "Fairplay" samt Besatzung vor der Schleuse in Himmelstadt gelandet. "Das war so mehr oder minder das Ziel für Weihnachten, dass man da einen halbwegs vernünftigen Liegeplatz hat", sagt der 54-Jährige. In das ruhigere Wasser oberhalb der Schleuse hat er es nicht mehr geschafft, weil dort schon zwei Schiffe lagen – und auch bis ins 40 Autominuten entfernte Schwarzach, seinen Wohnort und "Heimathafen", hat es nicht mehr gereicht. Dann kam wegen des Hochwassers die Schifffahrt auf dem Main zum Stillstand.
Ein Auto hatte Koller auf der Fahrt von Wesel (Nordrhein-Westfalen) nach Nürnberg auch gar nicht dabei, es steckte in der Werkstatt in Schwarzach fest. Allein ist der Kapitän allerdings nicht vor der Schleuse gestrandet. Mit an Bord ist seine Frau Ingrid als Steuermann, Hund Sancho und ein weiterer Steuermann. Bei der Schiffsgröße mit bis zu 1650 Tonnen Ladung auf Maintiefgang und 110 Metern Länge sei diese Besatzung mindestens nötig, erklärt Koller.
Der Kapitän macht sich wegen der Hochwasserlage keinen Kopf
Angespannt wirkt der erfahrene Kapitän durch die Hochwasserlage nicht. Seit 40 Jahren sei er in der Schifffahrt. Entspannt zündet er sich an Deck eine Zigarette an – und wartet. In jenem Moment darauf, dass seine Frau mit dem Mittagessen zurück aufs Schiff kommt. Recht viel mehr als zu warten blieb ihm die vergangenen Tage allerdings auch nicht übrig. Vorn an der Schleuse leuchten zwei rote Lichter übereinander. "Einfahrt verboten, Schleuse außer Betrieb" bedeutet das im Schiffsverkehr.
Heiligabend auf dem Schiff ist bei Kollers mehr Standard als Ausnahme, erklärt der Kapitän: "Landmenschen in dem Sinn sind wir jetzt erstmal nicht." In seinem Elternhaus in Schwarzach sei er im Grunde nur zum Postholen. Und ein Weihnachtsfan sei er sowieso nicht: "Das war früher mal wichtig, als die Kinder noch klein waren", sagt der 54-Jährige. Das Schiff liegt in Himmelstadt zwar direkt neben den Buden des Weihnachtsmarkts – aber der war schon zu. "Das Christkindle war über sämtliche Wolken davon", sagt Koller. Sie hätten es sich dann einfach so ein wenig gemütlich gemacht.
"Ein paar ruhige Tage, die kamen schon recht genehm, das muss ich zugeben. Unverhofft zwar, aber das nimmt man dann, wenn es vorbeikommt", sagt Koller. Besonders Hund Sancho genießt die Nähe zum Ufer. Auf dem Schiff renne er zwar gern hin und her, doch nun gebe es dreimal am Tag eine ausführliche Gassirunde. "Jetzt muss er es ausnützen. Das kann gar nicht lange genug dauern, wenn man ihn fragt", sagt Koller. Zum Wohnen und Kochen ist das Schiff eingerichtet, auch Hund Sancho hat sein eigenes Kinderzimmer als Rückzugsort.
Der Steuermann und seine Frau holten das Auto schließlich doch noch, um zumindest die Einkäufe zu erledigen. Das Schiff alleine lassen wollte Koller auf keinen Fall. Direkt gefährlich hätte es seiner Einschätzung nach nicht werden können, aber es könne immer einmal der Strom oder die Heizung ausfallen. Unterhalb der Schleuse kann das Wasser zudem anschwellen, auf den Liegeplätzen oberhalb wäre es ruhiger gewesen.
Die Ladung, 1500 Tonnen Streusalz, kommt nun wohl etwas später an
Dass er mit längerer Liegezeit irgendwo feststeckt, sei schon länger nicht mehr passiert. Er erinnert sich, dass es das früher öfter gegeben habe. "Da sind wir mal zehn, 14 Tage an einem Platz gelegen." In letzter Zeit seien die Hochwässer nicht so langanhaltend gewesen – es komme aber auch darauf an, wo man gerade unterwegs ist.
Seine Ladung, 1500 Tonnen Streusalz, hätte am 2. Januar in Nürnberg ankommen sollen. Ob er das schafft, weiß Koller noch nicht. "Dann müsste es ziemlich zügig weitergehen. Danach sieht es im Moment ja noch nicht aus." Der Stillstand wegen Hochwasser sei höhere Gewalt und eine verspätete Lieferung werde ihm nicht vorgeworfen. "Aber so richtig freudig sind sie bei der Ankunft auch nicht", sagt er über seine Auftraggeber.
Im Extremfall muss Sand weggebaggert werden
Einen Plan für Silvester gebe es noch nicht, den 30. Dezember eingeschlossen werde das Schiff wohl noch feststecken. Per Schleusenfunk erhält Koller Informationen zum aktuellen Stand. Ab einem Pegel von 3,40 Meter am Alten Kranen wird die Schifffahrt in Würzburg wieder freigegeben. Dann könnte auch die "Fairplay" weiterfahren. Seit Mittwochnacht falle der Wasserstand in Himmelstadt, beobachtet der Kapitän. Bei den Schleusen muss er nachhören, ob es an anderer Stelle Probleme gibt. Und im Unterwasser, wo sein Schiff liegt, kann es passieren, dass im Extremfall angeschwemmter Sand weggebaggert werden müsste.
Ob es nach dem Hochwasser auf dem Main chaotisch wird? "Es will ja jeder weiter, weil jeder sein Ziel hat", sagt Koller. Da könne es durchaus Stau geben. Für Koller und seine Besatzung soll es von Nürnberg aus die Mosel hoch nach Trier gehen, eine dauerhaft feste Route befahren sie nicht. "Wenn ich davon ausgehe, dass das alles so funktioniert", sagt er. Richtig festlegen auf genaue Prognosen lässt er sich nicht, vielleicht liegt das an den vielen Jahren der Erfahrung in der Schifffahrt: "Es ist immer das Einfachste, wenn du nicht nach Plan handelst", sagt der Kapitän.