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HARRBACH
160 Kreuzfahrer in Harrbach gestrandet
135 Meter lang: Das Kreuzfahrtschiff AmaVerde.
| 135 Meter lang: Das Kreuzfahrtschiff AmaVerde.
Von unserem Redaktionsmitglied Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 16.07.2013 16:43 Uhr

So viele Australier und Neuseeländer sieht Harrbach vielleicht nie mehr. Weil die Schleusenwärter an Main und Donau seit Dienstagmorgen streiken, hängt seit Montag um Mitternacht das 135 Meter lange Flusskreuzfahrtschiff AmaVerde der australischen Reederei APT an der Harrbacher Schleuse fest. An Bord: 160 Australier und Neuseeländer und rund 40 internationale Crew-Mitglieder. Die Touristen sind begeistert, die Crew weniger.

Das erst zwei Jahre alte Schiff befindet sich gerade auf einer zweiwöchigen Kreuzfahrt „Magnificent Europe“ (prächtiges Europa) auf Donau, Main und Rhein. 1800 Kilometer von Budapest nach Amsterdam. Preis für nächsten Sommer laut Katalog: ab 11 000 Australische Dollar, rund 7700 Euro.

Kaum noch Proviant an Bord

Auf dem Schiff schimpft Hotelmanager Dietmar Strütz, ein Österreicher, ein bisschen, warum man nicht früher erfahren habe, dass ein Streik geplant sei, und sagt: „Wir wissen nicht, wie's weitergeht.“ Das Problem: Das Schiff hat kaum noch Proviant an Bord, ein solcher Zwangsstopp war nicht eingeplant. Eigentlich hätte das Schiff in Rüdesheim zuladen sollen. Jetzt habe Strütz von irgendwo Nachschub organisieren müssen.

Neulich erst hat die AmaVerde wegen des Hochwassers drei Wochen lang in Würzburg festgesessen. Die Passagiere mussten damals ihre Reise abbrechen, erzählt der Hotelmanager. Diesmal soll es jedoch weitergehen für die Gäste aus Down Under. Womöglich soll das Schiff am Dienstagabend um 21.30 Uhr wieder Fahrt aufnehmen, hört man von Passagieren.

Doch einstweilen sind die Australier und Neuseeländer äußerst angetan von ihrem Halt bei Harrbach. Kreuzfahrtchefin Sue Obermoser, eine Engländerin mit österreichischem Dialekt, sagt: „Die genießen das.“ Einigen Gästen ruft sie „Ist das nicht großartig?“ zu. Sie würde oft gefragt, ob man nicht mal unterwegs haltmachen könne, aber dafür fehlten sowohl die Anlegestellen als auch die Zeit. Normalerweise fahren Kreuzfahrtschiffe deshalb an kleinen Orten und Städten vorüber, die AmaVerde hält sonst nur in Würzburg und Wertheim. Und jetzt Harrbach.

Gut gelaunt auf Ausflüge

Mit Rädern, die das Schiff an Bord hat, fahren die Passagiere gut gelaunt dorthin, schauen sich Häuser, die Kirche und die Harrbacher an. Manche gehen auch zu Fuß. Verdutzte Harrbacher sahen sich unversehens fröhlich „Hello“ rufenden Besuchern gegenüber. Der kleine Ort scheint es den Passagieren aus der Ferne angetan zu haben.

„Das ist ein wunderschönes Dorf“, sagt Patricia, eine ältere Australierin mit Sonnenhut. Eigentlich spricht sie von „town“, Stadt. Den Ort – „Die Häuser sind so anders als bei uns“ – und die Kirche findet sie umwerfend. „Wenn wir irgendwo hätten anlegen müssen, hätte es keinen besseren Halt als diesen gegeben“, schwärmt sie.

Ob die AmaVerde länger als einen Tag festhängt, ist unklar. Der stellvertretende Landeschef der Gewerkschaft Verdi in Bayern, Norbert Flach, hat laut dpa angekündigt, dass die Arbeitsniederlegungen bis auf Weiteres andauern werden. Die Beschäftigten der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung wehren sich gegen die Reformpläne von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). Wegen der Umstrukturierung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung sieht Verdi 2500 der 12 000 Arbeitsplätze bedroht.

Am Mittag sollten die Passagiere des in Harrbach „gestrandeten“ Schiffs außerplanmäßig von einem Busbetreiber aus Wertheim abgeholt und dorthin gebracht werden. Die Passagiere wollen beschäftigt sein. Auch der Busfahrer hatte von Harrbach noch nie gehört und lässt sich am Telefon vom Reporter den genauen Standort des Schiffes durchgeben.

Vielleicht spricht sich ja herum, wie schön Harrbach ist, und wird künftig häufiger von Australiern, Neuseeländern und Busfahrern aus Wertheim angesteuert.

Kein Weiterkommen: Der Schleusenwärter streikte am Dienstag.
| Kein Weiterkommen: Der Schleusenwärter streikte am Dienstag.
Begeistert von Harrbach: Patricia aus Australien ist wie andere Kreuzfahrtpassagiere angetan vom Zwangsaufenthalt im Nirgendwo.
Foto: Björn Kohlhepp | Begeistert von Harrbach: Patricia aus Australien ist wie andere Kreuzfahrtpassagiere angetan vom Zwangsaufenthalt im Nirgendwo.
 
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