Wichtige Maschinen abgebaut, die meisten Mitarbeiter weg, bisherige Lieferverträge stark defizitär, neue noch nicht ausgehandelt – Georg Weidner kann dennoch lachen. Der Geschäftsmann ist zuversichtlich, dass aus dem Abenteuer, in das er sich mit der Übernahme der Steinfelder Firma Willy Kreutz gestürzt hat, ein Erfolg wird.
Vor wenigen Tagen war der Gründer und Geschäftsführer der Steinfelder Firma BGW Bohr völlig überraschend bei Kreutz eingesprungen, hat den Maschinenpark des vor allem auf Lampenbestandteile spezialisierten Unternehmens übernommen – und seinen Worten zufolge in dem insolventen Betrieb ein ziemliches Chaos vorgefunden.
Es zu sortieren, sich überhaupt einen Überblick zu verschaffen und vor allem neue, finanziell tragfähige Verträge mit den Großkunden abzuschließen, ist momentan für Weidner die Hauptaufgabe. Ein schwieriges Unterfangen. Doch Weidner sagt: „Sowas mach' ich gern.“ Dass der 59-Jährige Geschäftssinn haben muss, hat er bewiesen. Die 1986 als Ein-Mann-Betrieb gegründete BGW Bohr GmbH hat er zu einem Mittelständler mit Zweigwerk in China entwickelt. Dass die Firma Willy Kreutz zuletzt alles andere als florierend war, wurde Weidner erst in den vergangenen Tagen so richtig deutlich. „Es fehlte jede Geschäftsgrundlage“, sagt er, nachdem er die Ergebnisse der Nachkalkulation gesehen habe. Die Firma Kreutz habe über Jahre nur durch Zuschüsse der Familie Kreutz „in Millionenhöhe“ überlebt. Als Grund sieht Weidner „falsches Management“.
Produkte waren stark defizitär
In den ersten Gesprächen mit Großkunden wie Osram, Philips oder Hella habe er erfahren, dass sich selbst diese gewundert hätten, dass Kreutz über Jahre nie höhere Preise für seine Produkte gefordert habe. Jedem sei klar gewesen, dass die Preise „deutlich defizitär“ gewesen seien, so Weidner. Teile, die drei Euro hätten kosten müssen, seien für 60 Cent verkauft worden, nennt er ein Beispiel. Kreutz habe mit seinen Produkten Millionenverluste gemacht.
Weidner beschreibt seine Verhandlungsstrategie daher so: „Wir brauchen unglaublich mehr Geld.“ Nach den ersten Gesprächen mit Einkäufern der Firmen Osram und Philips habe er den Eindruck, dass diese Verständnis dafür hätten und sich höhere Preise abzeichneten. Dennoch seien die Verhandlungen sehr zäh. Doch die Preisfrage ist nicht das einzige Problem für den Fortbestand der Produktion: „Wir haben für die Produktion nicht mehr die Mitarbeiter da. Das Personal ist ausgeblutet“, sagt Weidner.
Noch zwölf von 60 Mitarbeitern
Etliche Zerspanungsmechaniker seien zu Bosch Rexroth gewechselt, auch viele andere der ehemals rund 60 Mitarbeiter gegangen. Ihm fehle der Überblick, wer überhaupt noch an Bord sei, sagt Weidner. Viele hätten noch wochenlangen Urlaubsanspruch. „Vielleicht sind es noch zwölf. Manche habe ich noch gar nicht gesehen“, sagt er über die verbliebenen Mitarbeiter.
Dem zu niedrigen Personalstand gewinnt Weidner aber auch Positives ab: „Dadurch bin ich für die Großkunden nicht erpressbar“, beschreibt er eine wirtschaftliche Freiheit. Mit den vorhandenen Mitarbeitern ließen sich die Hauptlinien der Großkunden bedienen. Weidner will jedoch neue Aufträge auch aus anderen Sparten hinzugewinnen, beispielsweise aus der Fahrradindustrie. „Wir suchen zehn Dreher“, beschreibt Weidner den deswegen vorhandenen Bedarf, der auf einem „leer gefegten Arbeitsmarkt“ aber nur schwer zu decken sei.
Neben Mitarbeitern fehlt noch etwas: Material. Osram und Hella hätten angesichts der Insolvenz von Kreutz bereits Rohstoffe nach Polen umgeleitet, um dort produzieren zu lassen, schildert Weidner. Dieses Material sei jetzt wieder auf dem Weg nach Steinfeld.
Maschinen in Rumänien
Nächstes Problem: Viele der Produktionsmaschinen sind laut Weidner kaputt. „Sie wurden nicht gewartet. Die müssen wir erst mal wieder flott machen“, sagt Weidner. Er sagt auch: „Wenn ich vorher gewusst hätte, wie groß das Chaos ist, hätte ich es mir vielleicht noch überlegt“.
Nun jedoch, wo er für einen siebenstelligen Betrag die hunderte Maschinen umfassende Ausstattung von Kreutz übernommen habe, blicke er nach vorne.
Zu tun gibt es reichlich. Beispielsweise müssen die noch in einer Kreutz-Niederlassung in Rumänien befindlichen Maschinen nach Steinfeld geschafft werden. Das soll bis Ende 2016 geschehen.
Nicht verstehen kann Weidner, dass aus dem Steinfelder Kreutz-Betrieb bereits vor seiner Übernahme wichtige Kunststoffspritzmaschinen nach Rumänien verkauft wurden. Diese seien „ganz wichtige Bestandteile der Produktion“. Weidner will prüfen lassen, ob dieser Verkauf so zulässig gewesen ist.
Unklar ist, ob er auch das Betriebsgebäude mitsamt -gelände von der Familie Kreutz kaufen wird. Verhandlungen laufen. Bis 31. Dezember sei er noch Mieter. „Wenn der Personalstand so bleibt, ist die Immobilie für mich uninteressant“, sagt Weidner. In diesem Fall könne er die Produktion der Kreutz-Produktpalette auch auf das Areal von BGW Bohr in der Kastanienstraße verlegen. Und was wäre das Schlimmste, was ihm in all dem Durcheinander passieren könnte? „Schlimmstenfalls ist mein Invest kaputt“, sagt Weidner, der jedoch zuversichtlich ist, dass dieser Fall nicht eintreten wird.