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Karlstadt
"Was wir hier machen, ist ein Lichtblick für mich": Christlich-muslimisch-jüdisches Podium diskutiert am JSG in Karlstadt
Der interkulturelle Austausch am Gymnasium stieß auf großes Interesse bei den Schülerinnen und Schülern. Es ging um Glaube, Toleranz und das Zusammenspiel zwischen Religion und Politik.
Am Johann-Schöner-Gymnasium in Karlstadt fand am Donnerstag ein interkultureller Austausch mit Anhängerinnen und Anhängern des jüdischen, muslimischen und christlichen Glaubens statt (von links): Wolfgang Tröster, Luke Reidelbach, Emre Kaya, Maja Hereth, Mia Thorun, Murat Cebi und Rachel Bloch.
Foto: Felix Hüsch | Am Johann-Schöner-Gymnasium in Karlstadt fand am Donnerstag ein interkultureller Austausch mit Anhängerinnen und Anhängern des jüdischen, muslimischen und christlichen Glaubens statt (von links): Wolfgang Tröster, ...
Felix Hüsch
 |  aktualisiert: 15.02.2025 02:33 Uhr

"Behandelt die Menschen einfach so, wie ihr selbst behandelt werden wollt und dann ist alles gut." Mit diesem nachhallenden Satz schloss der Zwölftklässler Luke Reidelbach die Gesprächsrunde, die sich vergangenen Donnerstag in der Aula des Johann-Schöner-Gymnasiums (JSG) in Karlstadt abgespielt hat. Der Integrationsbeirat – rund um Personen wie Sakine Azodanlou, Marc Moser oder Ex-Stadtrat und -JSG-Lehrer Wolfgang Tröster – hatte sich um ein Podium bemüht, in dem Anhängerinnen und Anhänger des Christentums, des Islams und des Judentums vertreten waren.

Denn die verschiedenen Religionen gehörten nun mal zum "Buntsein" dazu, drückte Schulleiter Gerald Mackenrodt es aus, als er sich in seiner Begrüßung an die zehnten und elften Klassen des Gymnasiums sowie Vertreter der Politik und Gäste aus verschiedenen kulturellen Vereinen richtete.

Reidelbach und seine Mitschülerin Mia Thorun, ebenfalls Q12, bildeten den christlichen Teil der Runde. Emre Kaya als stellvertretender Sprecher des Moscheenbündnis Würzburg sowie der Karlstadter und ehemalige JSG-Abiturient Murat Cebi erzählten als praktizierende Moslems von den alltäglichen Gepflogenheiten des Islams. Die Israelin Rachel Bloch vom jüdischen Kulturzentrum "Shalom Europa" in Würzburg repräsentierte mit dem Judentum eine dritte Weltreligion. "Ich bin aber säkular jüdisch, also für mich ist das etwas Inneres, das ich nicht so sehr nach außen trage", erklärt sie im Rahmen der Vorstellungsrunde.

Im Sündenfall Reue zeigen

Die Moderation der drei Themenblöcke übernahm die Studentin und ehemalige JSG-Schülerin Maja Hereth, die im ersten Teil nach Besonderheiten der religiösen Kulturen fragte. Auf besonders großes Schülerinteresse stießen die Ausführungen von Kaya und Cebi zum täglich fünfmal stattfindenden Gebet. Auch in der anschließenden Fragerunde durch das Publikum kamen dazu Fragen auf. Was passiert, wenn ihr es zeitlich nicht schafft, fünfmal zu beten? Was hat der "Sündenfall" bei einem ausgelassenen Gebet für Folgen? "Man kann immer nachbeten. Wenn wir sündigen, können wir nicht beichten wie die Christen, aber Reue zeigen", erkärt Kaya und Cebi ergänzt: "Wenn wir unterwegs sind, können wir die Gebete auch abkürzen."

Der interkulturelle Austausch sollte nicht nur Gemeinsamkeiten zwischen den Religionen aufzeigen, sondern dem überwiegend christlich geprägten Publikum auch darlegen, dass viele Strukturen anderer Religionen weniger festgefahren sind, als manche vielleicht denken. So erzählt Kaya beispielsweise von seinen Familienverhältnissen und, dass er mit einer Christin verheiratet ist. "Für mich war es keine Voraussetzung, dass sie Muslima ist oder wird. Ich möchte nur, dass sie an Gott glaubt – Allah, Jahwe oder wie auch immer wir ihn nennen", erklärt er. Trotz ihres christlichen Hintergrunds sei seine Frau auch Teil der muslimischen Community. 

"Für mich war es keine Voraussetzung, dass sie Muslima ist oder wird."
Moslem Emre Kaya über seine christliche Ehefrau

Rachel Bloch, deren säkulare Glaubensweise bedeutet, sich ethnisch, kulturell und politisch als Jüdin zu sehen – sich dabei aber selbst nicht als streng religiös zu identifizieren – erklärte: "Es gibt nicht umsonst den Spruch: 'Es gibt 15 Millionen Juden auf der Welt und 15 Millionen Wege, jüdisch zu sein'." Auch wenn sie nicht praktiziere, sehe sie ihre Gemeinde als zweites Zuhause, das Judentum als ihren Anker. 

Rachel Bloch (rechts) ist säkular lebende Jüdin und arbeitet im jüdischen Museum in Würzburg. Neben ihr sitzt der praktizierende Moslem Murat Cebi.
Foto: Felix Hüsch | Rachel Bloch (rechts) ist säkular lebende Jüdin und arbeitet im jüdischen Museum in Würzburg. Neben ihr sitzt der praktizierende Moslem Murat Cebi.

Aufgrund der kulturellen Hintergründe der Beteiligten, gerade von Bloch, Kaya und Cebi, gab es im Vorfeld des Austauschs in der Aula des JSG eine Vorbesprechung, die sich vor allem um die jeweiligen Positionen zum Nahostkonflikt drehte. Einladungen zu Veranstaltungen dieser Art blieben im persönlichen Umfeld nie ohne Vorwarnungen, wie Cebi erzählt: "Ich wurde von Freunden gewarnt, dass man schnell etwas Falsches sagen kann, das gegen einen verwendet wird. Sie meinten, es wäre Vorsicht geboten." Beruhigend für alle Beteiligten sei gewesen, dass das Vorgespräch innerhalb der Runde eine einheitliche Meinung zum Nahostkonflikt zeigte, sagt Kaya.

Schwieriger politischer Umgang mit Religion

Moderatorin Hereth fragte, ob die Teilnehmenden durch die aktuelle bundespolitische Situation einen raueren Ton im Alltag wahrnehmen würden. "Man merkt schon, dass sich das politische Thema verschärft. Wir sehen, dass immer mehr gegen den Islam, aber auch gegen das Judentum gehetzt wird. Ich empfinde meine Religion als schön und friedlich und das macht mich dann traurig", fasst es Cebi zusammen. 

Kaya schlägt in seiner Antwort einen kritischen Bogen zur Politik. Seiner Ansicht nach werde der Islam gerade nach Anschlägen oft als Tatmotiv hingestellt. "Habt ihr nach solchen Vorfällen jemals von einem Moslem gehört, der psychisch krank ist? Der ist immer gleich Terrorist. Da kapselt man sich als Moslem natürlich schnell ab und traut sich nicht mehr, mit anderen Menschen zu sprechen", folgert Kaya. Es tue ihm daher weh, dass Politik die schönen Seiten einer Religion nehme und daraus etwas Schlimmes mache. "Auch dass der Islam mit dem Islamismus gleichgesetzt wird, passiert noch zu häufig", schließt sich die Moderatorin an.  

"Die Hervorhebung des Menschlichen fehlt mir oft in der Politik."
Die säkular lebende Jüdin Rachel Bloch

Bloch wird nicht müde zu betonen, dass man öfter mit den Menschen sprechen müsse und nicht nur über sie. "Die Hervorhebung des Menschlichen fehlt mir oft in der Politik. Was wir hier gerade machen, ist daher ein Lichtblick für mich", sagt sie mit Blick auf die Veranstaltung des Karlstadter Integrationsbeirats. Auch Schülerin Mia Thorun hebt in ihrem Schlusswort hervor, wie gut die Runde sich trotz der vielen verschiedenen Religionen und Kulturen verstehe und spricht die Gemeinsamkeiten an. "Außerdem kann man in solchen Runden Vorurteile abbauen", so die Zwölftklässlerin.

 
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