Immer mehr Menschen in Deutschland treten aus den Kirchen aus. Viele andere bleiben zwar Mitglied, besuchen aber selten den Gottesdienst. Die Forschungsgruppe Weltanschauung Deutschland (fowid) hat Daten von Zählungen und Befragungen ausgewertet und kommt zu dem Schluss, dass der Anteil der katholischen Gottesdienstbesucher seit den 1950er Jahren bis 2022 kontinuierlich von 50 auf 6 Prozent gesunken ist.
Matthias Wolpert, Pfarrer im Pastoralen Raum Marktheidenfeld, sagt: "An den Werktagen kommt oft nur eine Hand voll". Gleichzeitig nehme die Zahl derer ab, die sich ehrenamtlich einbringen – sei es als Ministrant, Organist oder Küster. Eigentlich solle der Gottesdienst eine Feier zu Ehren Gottes sein. "Von einer Feier kann man aber nicht sprechen, wenn die Musik fehlt, wenn die Gäste fehlen, wenn ich ganz alleine dort vorne stehe", sagt er. Pastoralreferentin Katrin Fuchs ergänzt: "Ich bin keine Alleinunterhalterin" und hofft, dass sich die Menschen wieder mehr einbringen. Selbst die paar Verbliebenen würden sich möglichst weit weg vom Altar in die hinteren Bankreihen verziehen, so Wolpert.
Im Pastoralen Raum Marktheidenfeld gibt es einige Alternativen zum herkömmlichen Gottesdienst, um den Bedürfnissen der Gläubigen entgegenzukommen.
1. Gottesdienste an ungewöhnlichen Orten: Glaubensbildung vertiefen
Wolpert sagt: "Gottesdienst kann man nicht nur in der Kirche feiern". Er hält in der Pfarreiengemeinschaft Erlenbach-Triefenstein im Februar wieder mehrere Stammtisch-Gottesdienste. Er selbst habe, als er in Freiburg lebte, mit anderen gemeinsam einen Hauskreis gepflegt, erzählt er. Man traf sich, betete, sang und las aus der Bibel. Danach wurde gemeinsam gegessen und über die Auslegung der Texte diskutiert. "So wünsche ich mir das auch für die Stammtische."
Seiner Meinung nach müssten sich viele Katholiken wieder mehr für Katechese interessieren, anstatt den Kirchenbesuch lediglich als Tradition anzusehen. Katechese steht für die Vermittlung der christlichen Botschaft. Sie führt in den Glauben ein, vertieft und verfestigt ihn, lässt aber auch intensiver am kirchlichen Leben teilnehmen. Ziel ist es, jemanden nicht nur in Kontakt, sondern in den Austausch mit Gott zu bringen. Das gelinge durch Angebote wie Bibelkreise, Glaubenskurse oder theologische Vorträge.
2. Frauen stärker einbinden: Der Predigerinnentag am 17. Mai
In der katholischen Kirche engagieren sich viele Frauen, zum Beispiel in der Krankenpflege und der Seelsorge. Die gleichen Rechte wie Männer haben sie nicht. Sie dürfen nicht Priesterin oder Diakonin werden. In der Bibel und der Kirchengeschichte kommen Frauen unterschiedliche Rollen zu. Pastoralreferentin Katrin Fuchs wirbt für den Predigerinnentag der katholischen Frauengemeinschaft Deutschland (kfd): Es melden sich Frauen in Gottesdiensten zu Wort und setzen ein Zeichen für eine geschlechtergerechte Kirche, auch im Pastoralen Raum Marktheidenfeld. "Um den 17. Mai sind bundesweit Frauen aufgerufen, ihre Perspektive einzubringen", so Fuchs.
3. Mehr Mitbestimmung: Was wollen die Gläubigen?
Pfarrer Stefan Redelberger setzt auf mehr Mitbestimmung: Für seine Gemeinden der Pfarreiengemeinschaft "Maria – Patronin von Franken" hat er das Projekt "Weiterentwicklung" ausgerufen. "Es geht mir nicht pauschal darum, etwas Neues zu erfinden oder Bestehendes abzuschaffen", erklärt er. Dennoch sei die Kirche kein "Traditions-Bewahrer-Verein". Neben Diskussionsrunden in der weltweiten Bischofskonferenz oder dem Synodalen Weg in Deutschland sei es wichtig, dass auch an der Basis reflektiert werde.
In einer Umfrage können die Menschen unter anderem angeben, was sie an ihrer Kirche vor Ort mögen und was ihrer Meinung nach dort nicht mehr gebraucht wird. Die Abschnitte zum Ausfüllen sind in den Gemeindebriefen abgedruckt und werden Thema in den sonntäglichen Predigten sein. Redelberger sagt: "Es ist wichtig, nicht nur kirchliche Insider zu befragen, sondern alle aus den Gemeinden mitzunehmen." Die Antworten sind dann Basis für eine gemeinsame Klausurtagung der Gemeindeteams und Kirchenverwaltungen Mitte März. Redelberger will Rückmeldungen in die Gemeinden geben und daraus resultierende Projekte umsetzen.
4. Auslegung des Kirchenrechts: Mehr Flexibilität wagen
"Das Kirchenrecht enthält viele Freiheiten, die wir nicht nutzen", sagt Pfarrer Alexander Eckert. Als Beispiel nennt er den Wunsch von Paaren, sich unter freiem Himmel kirchlich trauen zu lassen. "Die Menschen unterscheiden zwischen der Institution Kirche und dem Gebäude." Sie würden sich den Segen der Kirche wünschen, aber dennoch eine Zeremonie nach den eigenen Vorstellungen wollen. "Wenn sie vom Bistum Würzburg eine Absage dafür erhalten, verstehen sie das nicht." Viele von ihnen würden daraufhin der Kirche den Rücken zuwenden.
Dabei könne seiner Meinung nach das Kirchenrecht so ausgelegt werden, dass eine kirchliche Draußen-Hochzeit möglich sei. "Ich wünsche mir, dass die Kirche den Menschen in einer zeitgemäßen Form in deren Bedürfnisse entgegenkommt", so Eckert. Der katholischen Kirche fehle häufig der Mut, etwas zu ändern, um die Menschen in eine Beziehung zu Gott zu bringen.
5. Moderne Kommunikation nutzen
"Wir stellen uns oft die Frage, wie wir die Menschen mit unseren Angeboten überhaupt erreichen", sagt Katrin Fuchs. Die Kirche könne die Nutzung von sozialen Medien und modernen Kommunikationswegen intensivieren, um jüngere Generationen anzusprechen, mit den Mitgliedern in Kontakt zu treten, über Gottesdienste und kirchliche Veranstaltungen zu informieren und das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Allerdings: "Offiziell ist es uns aus Datenschutzgründen verboten, zum Beispiel WhatsApp zu nutzen", sagt sie. Dabei ist das laut Statista der mit rund zwei Milliarden Nutzerinnen und Nutzern pro Monat weltweit der beliebteste Messenger.