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Gemünden
Mit Vorher-Nachher-Bildern: Warum die Gemündener Altstadt heute ausschaut, wie sie ausschaut
Die Altstadt war 1945 flächig zerstört und der Wiederaufbau ging nur schleppend voran. Vieles wurde anders als zuvor, das zeigt unser Foto-Vergleich.
Das Trümmerfeld Gemünden zwischen Marktplatz und Mühlgraben 1945. Noch stand das alte Gefängnis, 'Mouschele' genannt.
Foto: Willi Starz | Das Trümmerfeld Gemünden zwischen Marktplatz und Mühlgraben 1945. Noch stand das alte Gefängnis, "Mouschele" genannt.
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 25.08.2024 02:35 Uhr

Gemündens Bürgermeister Karl Graml war vor 75 Jahren sauer. In einem Main-Post-Artikel vom 5. November 1949 wird über eine Gemündener Stadtratssitzung berichtet, in der es um den Wiederaufbau der im Krieg weitgehend zerstörten Stadt ging. Zwei Drittel der Stadt, darunter viele Fachwerkhäuser, das Gefängnis und auch das Renaissance-Rathaus, waren bei Kriegsende Schutt und Asche. Graml, der erste frei gewählte und nicht von den Amerikanern eingesetzte Nachkriegsbürgermeister Gemündens, berichtete dem Stadtrat von gemeinsamen Vorsprachen mit dem Landrat beim Staaatsministerium. Es ging um die Zuschüsse für den Wiederaufbau.

Diese wurden als nicht ausreichend angesehen. Mehr noch: Andere Städte, die weniger oder überhaupt nicht zerstört seien, hätten bedeutend höhere Zuschüsse erhalten als Gemünden, klagte der Bürgermeister. Unter solchen Voraussetzungen werde es der Stadt niemals wieder möglich sein, die bevorzugt mit Zuschüssen bedachten Städte einzuholen. Die Stadt, so Graml, erwarte deshalb vom Staat Zuschüsse, die dem Ausmaß ihrer Zerstörung entsprechen.

Das Amtsschreiberpförtchen wurde wiederaufgebaut, aber anders

Das wiederaufgebaute Amtsschreiberpförtchen.
Foto: Björn Kohlhepp | Das wiederaufgebaute Amtsschreiberpförtchen.

Darüber stand ein weiterer Artikel über das einst schöne Städtchen "voll mittelalterlicher Romantik". "Manche seiner einst so stattlichen Giebel erstehen wieder in alter Schönheit. Alle Kostbarkeit aber wird sich nicht wiederbeleben lassen", war zu lesen. "So wird auch das Meisterpförtchen, das auch Amtsschreiberpförtchen genannt ward, der Erinnerung angehören", hieß es weiter. Danach gab es einen Abriss über die einstigen Stadttore Gemündens. Beim Amtsschreiberpförtchen irrte der Autor, wenn auch nicht ganz.

Das Renaissance-Rathaus mitten auf dem Markplatz (links) - und so sieht es dort heute aus (rechts): Verschieben Sie den Regler in der Bildmitte, um die Fotos zu vergleichen.

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Denn es wurde tatsächlich wiederaufgebaut. Allerdings war es ursprünglich doppelstöckig und hatte ein schönes Walmdach. Wiederaufgebaut wurde es allerdings nur einstöckig und mit Satteldach. Die Materialbeschaffung war nach dem Krieg sehr schwierig und der einstöckige Wiederaufbau die einfachste Lösung. Einst gab es zwei Pförtchen, die es wohl vor allem den Schiffern und Fischern ermöglichten, auch nach Schließung der Stadttore den Main zu erreichen.

Der zähe Wiederaufbau der Gemündener Altstadt

In der Dokumentationsschrift "40 Jahre Wiederaufbau" aus dem Jahr 1985 ist dargelegt, wie der Wiederaufbau der Stadt generell vonstattenging. Schon in der ersten Nachkriegs-Stadtratssitzung am 28. April 1945, also gute drei Wochen nach der Zerstörung, wurde die Absicht kundgetan, den Wiederaufbau nach neuen Baulinien auszurichten. Die flächenhafte Zerstörung der westlichen Altstadt bot eine gute Chance, den alten Grundriss zu verbessern. In den Folgemonaten ebbte die anfängliche Wiederaufbau-Euphorie jedoch etwas ab.

Skizze des Architekten Spiegel zur Bebauung von Gemünden jenseits des Mühlgrabens vor der Zerstörung. Heute steht dort eine durchgehende Häuserfront.
Foto: Adolf Spiegel jun. | Skizze des Architekten Spiegel zur Bebauung von Gemünden jenseits des Mühlgrabens vor der Zerstörung. Heute steht dort eine durchgehende Häuserfront.

Graml, der im Januar 1946 gewählt wurde, verfolgte den Wiederaufbau jedoch zielstrebig. Zuerst mussten Wohnungen her und der Schutt aus der Altstadt geräumt werden. Eine amtliche Anordnung, wonach aufgrund des extremen Baustoffmangels zuerst landwirtschaftliche Betriebe, dann sonstige "lebenswichtige" Betriebe und zuletzt Wohnungsbauten repariert werden durften, erwies sich als Härte für Gemünden. Viele Privatleute wussten sich immerhin trotzdem irgendwie zu helfen. Ein Problem war die Zersplitterung der zerstörten westlichen Altstadt in über 40 Besitzparzellen.

Die Schutträumung in Gemünden kam nur langsam voran

Die Forderungen der Bauabteilung der Regierung von Unterfranken für den Wiederaufbau – Anfertigung eines Modells für die Gestaltung des künftigen Ortsbildes, verbindlicher Ortsbebauungsplan im Maßstab 1:1000 sowie architektonische Vorplanung städtebaulicher Einzelfragen – gingen dem Gemündener Rathaus zu weit. Das enge den Spielraum zu sehr ein, fand man in Gemünden. In der Stadtratssitzung vom 1. April 1946 stellte die Stadt mit dem Gemündener Architekten Scholz einen eigenen Stadtbaumeister ein. Eine eigene städtische Aufbaukommission wurde ernannt und erarbeitete unter anderem eine Rangfolge der zunächst anzugehenden Bauten.

Gemünden vor der Zerstörung (links) und in den 70er-Jahren (rechts): Die in vorderster Front an der Bahnlinie stehenden Häuser wurden nach einem Beschluss 1989 entfernt und die Stadtmauer wieder geschlossen.

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Weil die vom Landratsamt zugesagte Hilfe bei der nur schleppende vorangehenden Schutträumung in der Altstadt ausblieb, organisierte Bürgermeister Graml im Juni 1946 einen freiwilligen Dienst zur Schutträumung. Die Räumung sollte aber noch Jahre dauern. Ein vom Architekt Karl Lauer (Thüngen) im Sommer 1946 durch Vermittlung der Regierung aufgestelltes Konzept mit halboffenen "Handwerkerhöfen", die die ursprünglich stark bebaute Altstadt auflockern sollten, nahm der Stadtrat im September ablehnend zur Kenntnis. Mit Änderungen und um den Wiederaufbau nicht zu verzögern, stimmte der Stadtrat im Januar 1947 schließlich zu. Lauer hatte etwa die Idee mit der jetzt durchgehenden Häuserfront am Mühlgraben, dem früher Giebel zugewandt waren und wo niedrigere Nebengebäude standen. Am Hexenturm wurde ein einziger Handwerkerhof realisiert.

Durchgangsverkehr wurde auf die Straße entlang der Bahnlinie verlegt

Ein entscheidender Punkt beim Wiederaufbau: Der Durchgangsverkehr sollte künftig nicht mehr durch die enge Obertorstraße und über die spätmittelalterliche Saalebrücke, sondern durch die parallel zur Eisenbahn verlaufenden Mainstraße/Bahnhofstraße. In Gemünden erhob sich dagegen ein lange währender Sturm der Entrüstung. Die Geschäftswelt fürchtete um Umsätze, die Kleingemündener eine Verschlimmerung der Hochwassergefährdung durch eine neue Brücke und Anlieger der Mainstraße und der Fischergasse (heute Scherenbergstraße) befürchteten einen Wertverlust ihrer gerade neu aufgerichteten Häuser durch eine geplante Rampe zur Umgehungsstraße, die vier bis fünf Meter etwa auf Schienen-Niveau aufgeschüttet werden sollte. Bei der Umsetzung wurde schließlich mehr Rücksicht auf die Anlieger genommen.

Der Blick von der Scherenburg über die Stadt vor der Zerstörung (links) und heute (rechts):

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Die Regierung hatte beschlossen, dass die vom Schutt geräumte Fläche zwischen Wirtsgasse und Plattnersgasse beziehungsweise Mühltor und Fischmarkt nicht mehr aufgebaut werden sollte. Der Wiederaufbau stockte, ein von Kreisbaumeister Jacobi vorgelegter Bebauungsplan für die Altstadt fand im März 1951 zunächst keine Zustimmung im Stadtrat. Die Bundestagsabgeordnete Maria Probst brachte den Wiederaufbau im August 1952 mit einem arrangierten Treffen zwischen Vertretern des Bundes-Wohnungsbauministeriums und der obersten bayerischen Baubehörde schließlich wieder in Gang.

Sie vermittelte eine Einigung zwischen der Stadt und einer "Arbeitsgemeinschaft Wiederaufbau" (GEWOG). GEWOG-Architekt Adolf Spiegel jun. machte sich ans Werk. Am 31. März 1953 erklärten sich alle Grundstückseigentümer der westlichen Altstadt zu einer freiwilligen Grundstücksumlegung bereit. Der Spatenstich für den ersten Wohnhaus-Neubau zwischen Mühlgraben und Fischergasse war am 27. Juni 1953. Den Wiederaufbau des mitten auf dem Marktplatz stehenden Renaissance-Rathauses strebte keiner ernsthaft an. Heute sind auf dem erhöhten Markplatz noch die Umrisse des ehemaligen Rathauses kenntlich gemacht.

Der Mühltorturm früher (links) und heute (rechts):

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Bürgermeister Josef Büchner, seit 1952 im Amt, sah gegen Ende des Jahres 1954 den eigentlichen Wiederaufbau weitgehend bewältigt. Am 14. April 1956 wurde das neue Rathaus offiziell übergeben. Aufwendigstes Einzelprojekt beim Wiederaufbau war die spätgotische Stadtpfarrkirche St. Peter und Paul. Der Wiederaufbau des Turms zog sich bis Dezember 1957 hin. Entlang der nicht wiederaufgebauten Plattnersgasse befinden sich heute Parkplätze.

Die Häuserfront von 'Klein-Venedig' am Mühlgraben in Gemünden nach dem Wiederaufbau in den 1960er Jahren.
Foto: Willi Starz/Postkarte | Die Häuserfront von "Klein-Venedig" am Mühlgraben in Gemünden nach dem Wiederaufbau in den 1960er Jahren.
 
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