zurück
Lohr
Vortrag über Sterbehilfe in Lohr: Freitodbegleitung am Schweizer Beispiel
Die Präsidentin der Schweizer Sterbehilfeorganisation Exit gibt in Lohr Einblicke in die Praxis. Fast 70 Zuhörerinnen und Zuhörer kamen. Warum Demenz bei dem Thema ein Dilemma ist.
Marion Schafroth, Präsidentin der Schweizer Sterbehilfeorganisation Exit, und Organisator Roland Pleier bei einem Vortrag über Freitodbegleitung in der Alten Turnhalle in Lohr.
Foto: Marion Schafroth | Marion Schafroth, Präsidentin der Schweizer Sterbehilfeorganisation Exit, und Organisator Roland Pleier bei einem Vortrag über Freitodbegleitung in der Alten Turnhalle in Lohr.
Bearbeitet von Lena Schwaiger
 |  aktualisiert: 05.12.2024 02:37 Uhr

Freitodbegleitung beschäftigt viele Menschen. Das zeigt sich in der steigenden Zahl von Anfragen bei der Würzburger Suizidberatungsstelle zu diesem Thema sowie im großen Interesse an einem VHS-Vortrag am Montagabend in der Alten Turnhalle in Lohr. Fast 70 Zuhörerinnen und Zuhörer waren gekommen, um von Marion Schafroth, der Präsidentin der Schweizer Sterbehilfeorganisation Exit, zu erfahren, wie man in der Alpenrepublik damit umgeht.

Rund zwei Prozent der jährlichen Todesfälle in der Schweiz entfallen auf begleitete Suizide, erläuterte Schafroth. Seit etwa 15 Jahren steigen die Zahlen deutlich an. "Wir sehen, dass Menschen älter werden, die an Selbstbestimmung gewöhnt sind", begründet Schafroth diese Entwicklung.

Rund fünf Prozent begleitete Suizide in den Benelux-Staaten

In den Benelux-Staaten, die sich eine weitergehende Gesetzgebung zur Sterbehilfe gegeben haben, liege der Anteil bei rund fünf Prozent. Schafroth geht davon aus, dass sich der Wert auch in der Schweiz auf diesem Level einpendeln wird. Für Deutschland, wo Sterbehilfe in dieser Form erst seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2020 möglich ist, gibt es derartige Statistiken bislang nicht. Die FAZ nennt in einem Bericht eine Schätzung von 1000 Freitodbegleitungen für 2023, auch hier mit einem deutlichen Trend nach oben im Verhältnis zum Vorjahr.

In der Schweiz sind mehrere Sterbehilfeorganisationen aktiv. Manche, wie Exit, arbeiten nur mit Menschen, die einen Wohnsitz in der Schweiz haben. Andere akzeptieren auch "Sterbetouristen", die zum assistierten Suizid in die Schweiz kommen, so Schafroth. Eine Option, die auch manche Zuhörer im Publikum für sich sehen, wie die Debatte im Anschluss zeigte.

Ergebnisoffene Gespräche

Das Durchschnittsalter der Menschen, die sich mit einem Wunsch nach Sterbebegleitung an Exit wenden, liege inzwischen bei rund 80 Jahren. Nicht jeder, der Kontakt mit Exit für einen assistierten Suizid aufnimmt, sterbe auch. "Ein Teil der Menschen verzichtet, weil er weiß, dass der Notausgang bereit ist." Es gehe nie darum, möglichst viele Menschen in den Tod zu begleiten, sondern mit Menschen ergebnisoffen zu sprechen, betont Schafroth.

Das Betäubungsmittel Natrium-Pentobarbital und ein Glas Wasser stehen in einem Zimmer von Dignitas in Zürich.
Foto: Gaetan Bally/dpa (Archivbild) | Das Betäubungsmittel Natrium-Pentobarbital und ein Glas Wasser stehen in einem Zimmer von Dignitas in Zürich.

Bei Exit übernehmen ausgebildete, nicht-medizinische Begleitpersonen die Abklärung der Voraussetzungen, sprechen mit dem Betroffenen und der Familie und dem Arzt. Sie prüfen, dass der Sterbewunsch wohlbewogen und autonom ist und auch dauerhaft bleibt. Dann bekommen sie von einem Arzt das Rezept für das Sterbemittel. "Die Medikamente gehen nie in die Hände der Patienten", so Schafroth.

Narkosemittel Pentobarbital kommt in der Schweiz zum Einsatz

In der Schweiz werde das Narkosemittel Pentobarbital verwendet, in einer "exorbitant hohen Dosis", erklärt Schafroth, selbst ausgebildete Anästhesistin. "In zwei bis zehn Minuten schläft man ein. Dann setzt die Atmung aus." Die Begleitperson prüfe, wann kein Puls mehr zu spüren ist und rufe dann die Polizei – schließlich handele es sich um einen außergewöhnlichen Todesfall. Meist stürben die Menschen zu Hause, in Anwesenheit ihrer Angehörigen.

Die Begleitpersonen bildet der Verein selbst aus. Man wähle "reife Persönlichkeiten über 50, die im Umgang mit Menschen Erfahrung haben", erklärt Marion Schafroth. "Wir wollen keine Menschen mit krankhafter Neigung zum Tod bei uns haben."

Bestimmte Voraussetzungen für Sterbebegleitung

Voraussetzung für eine Unterstützung durch Exit ist, dass die Patienten an einer tödlichen Krankheit leiden, eine subjektiv unzumutbare Behinderung oder subjektiv unzumutbare Beschwerden haben. Dazu kommen hochbetagte Menschen, die an mehreren Altersgebrechen leiden. "Jedes davon ist gar nicht so schwer, aber in der Summe sehr schwierig", erläutert die Präsidentin.

Etwa ein Drittel der Sterbebegleitungen entfalle auf Krebspatienten, ein weiteres Drittel auf Altersgebrechen. Weitere Bedingungen seien, dass die Betroffenen volljährig und urteilsfähig sind und in der Lage, das Medikament selbst zu nehmen. Auch Menschen mit psychischen Krankheiten können bei Exit Unterstützung finden. Das sei sehr umstritten, sagt Schafroth und zwischenzeitlich auch ausgesetzt worden.

Ein schmaler Grat

Ein Dilemma ist der Sterbewunsch bei Demenzkranken und Menschen, die fürchten, eines Tages an Demenz zu erkranken. Eine Zuhörerin würde gerne in gesundem Zustand festlegen, dass sie das Sterbemittel bekommt, wenn sie eines Tages dement und bettlägerig werden sollte. Doch das sei kein assistierter Suizid, sondern Tötung auf Verlangen und in der Schweiz verboten, erklärte Schafroth. "Sie müssen den assistierten Suizid machen, wenn Sie noch wissen, wer Sie sind und warum Sie sterben wollen."

Den Abend moderierte Roland Pleier, der die Veranstaltung dank persönlicher Kontakte zu Marion Schafroth möglich gemacht hatte. Pleier informierte, dass in Deutschland beispielsweise die Gesellschaft für humanes Sterben und der Verein Dignitas Ansprechpartner für begleitete Suizide seien.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Lohr
Demenzkranke
Polizei
Tötung auf Verlangen
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top