Bislang war es für die Öffentlichkeit ein Geheimnis, wie sich die Corona-Infizierten der vergangenen Monate in Main-Spessart über den Landkreis verteilen. Nachdem das Landratsamt auf eine entsprechende Anfrage der Redaktion länger eine detaillierte Auskunft verweigerte, gab sie sie nun doch. Nur für die Gemeinden unter 2000 Einwohner (mit Ausnahme von Rieneck) gibt die Behörde die Zahlen lediglich auf Verwaltungsgemeinschaftsebene an, so will sie eine Identifizierbarkeit von Betroffenen erschweren. Die Zahlen des Gesundheitsamts zeigen, dass der Raum Karlstadt mit den Hotspots Zellingen und Arnstein am stärksten betroffen war bzw. noch ist, während im ganzen Raum Lohr nur 15 Fälle aufgetreten sind.
Bislang wurden im Landkreis 157 Menschen positiv auf das neuartige Coronavirus getestet. Die meisten Fälle gab es nach Auskunft des Landratsamts mit je 28 in Marktheidenfeld und Zellingen, gefolgt von Gemünden (22), Arnstein (20) und Karlstadt (13). Auf die Frage, wie sich die Menschen angesteckt haben, sagt das Landratsamt, dass der Hauptübertragungsweg offenbar die Tröpfcheninfektion ist und sich infizierte Personen im Landkreis in der Regel bei Arbeitskollegen, im Bekannten- und Familienkreis und auch bei Auslandsreisen angesteckt haben. Sogenannte Hotspots innerhalb der Bundesrepublik Deutschland spielten im Regelfall dabei keine Rolle.
Diese Einschätzung deckt sich auch mit Informationen aus Marktheidenfeld. Dort war es so, dass gleich zu Beginn wohl einige Leute das Coronavirus aus dem Skiurlaub mitgebracht haben, sagt Inge Albert, Leiterin des Amts für Stadtmarketing, Kultur, Tourismus der Stadt Marktheidenfeld. Das war offenbar auch zumindest ein Grund für die Infektionen in Zellingen.
Zellingens neuer Bürgermeister Stefan Wohlfahrt sagt auf Anfrage, dass das Virus wohl aus Ischgl mitgebracht wurde. Auch ihn selbst habe es erwischt – offenbar am Wahlabend, als er zum Bürgermeister gewählt wurde. Er geht davon aus, dass sich das Virus vor allem an dem Abend in Zellingen verbreitet hat – aus dem Wahllokal heraus. Bei ihm wurde es zehn Tage später festgestellt, bei einem seiner Kinder schon etwas früher.
Interessante Beobachtungen aus dem stark betroffenen Zellingen
Interessant findet Wohlfahrt, dass die beiden weiteren Kinder und auch seine Frau nie positiv getestet wurden, obwohl alle in einem Haushalt leben. Erst hinterher habe ein Antikörpertest ergeben, dass es seine Frau, die zuvor in Marktheidenfeld zweimal getestet worden war, wohl doch auch erwischt hatte. Ähnliche interessante Fälle gebe es auch in anderen Zellinger Familien. Der Bürgermeister glaubt, dass die Zahl der Corona-Infizierten viel höher war als tatsächlich festgestellt. Auch der Zellinger CSU-Ortsvorsitzende Rudi Röder musste in Heimquarantäne, wie er erzählt, allerdings nur vom 26. bis 29. März, dann waren 14 Tage seit dem Wahlsonntag offenbar um.
Für Bürgermeister Jürgen Lippert sind die Zahlen für Gemünden neu, er könne sich nicht erklären, worauf die Häufung zurückzuführen ist. Er erzählt, dass die Feuerwehr bei der Stadt angefragt hat, ob sie Informationen haben könnte, wo im Stadtgebiet es Fälle gibt, damit sie sich bei Einsätzen darauf einstellen könnte. Aber auf Nachfrage beim Gesundheitsamt habe es geheißen, dass solche Informationen aus Datenschutzgründen nicht herausgegeben werden. In Gemünden waren Informationen der Redaktion zufolge vor allem Langenprozelten und Adelsberg betroffen, in Adelsberg gingen die Infektionen angeblich auch auf heimgekehrte Skiurlauber zurück.
Arnsteins Bürgermeister ist etwas sauer, weil er nichts erfuhr
Franz-Josef Sauer, Bürgermeister von Arnstein, sagt auf Anfrage, dass er bislang von keinem einzigen Fall in Arnstein gehört habe. Er habe mehrfach nachgefragt, ob die Gemeinde oder er als Bürgermeister Informationen zu Fällen in seiner Stadt bekommen könnte, um beim Kampf gegen das Coronavirus mitzuhelfen. Aber er habe nichts erfahren. "Wir sind doch eine vertrauenswürdige Stelle", so Sauer. Früh habe die Stadt Arnstein Vorsichtsmaßnahmen getroffen, und die Allgemeinarztpraxis Raab/Dr. Scheuerlein in Arnstein hat zur Behandlung von Erkrankten oder zum Testen von Gefährdeten auf dem Bettendorfplatz sogar ein BRK-Versorgungszelt aufgebaut, was die Stadt unterstützte. "Wir als Stadt haben getan, was wir konnten", so Sauer.
Das Landratsamt hatte ein Auskunftsersuchen dieser Redaktion zu gemeindegenauen Daten der Coronainfizierten im Landkreis, wie sie andere bayerische Landratsämternach Rücksprache mit dem Landesdatenschutzbeauftragten schon veröffentlicht haben, zunächst abgelehnt. Begründung des hiesigen Landratsamts: "Das Wissen, ob in einer Gemeinde einer oder zehn bestätigte Corona-Fälle leben, bietet keine erhöhte Sicherheit für den Einzelnen und spielt nach infektiologischen Gesichtspunkten eher eine untergeordnete Rolle. Zudem könnte in kleineren Gemeinden die Kenntnis über die Anzahl der Infizierten zu einer Stigmatisierung von Betroffenen führen."
Nach einer Rücksprache mit dem Landesdatenschutzbeauftragten hat sich das Landratsamt Main-Spessart dazu entschlossen, unter den genannten Einschränkungen doch gemeindegenaue Daten zu veröffentlichen. Das Landratsamt vertritt nach wie vor die Meinung, dass es für die Beurteilung des Infektionsgeschehens im Landkreis keine hohe Relevanz hat, wo genau Fälle aufgetreten sind. Es obliegt jedoch ausschließlich der Presse selbst zu prüfen und zu bewerten, ob die erbetenen Auskünfte von öffentlichem Interesse sind oder nicht und ob und in welcher Weise berichtet wird.
In der Zwischenzeit hat sich die Frankenpost aus Hof vor Gericht gegen das Landratsamt Tirschenreuth durchgesetzt, das nun aufschlüsseln muss, wie stark die einzelnen Städte und Gemeinden im Landkreis Tirschenreuth von der Pandemie betroffen sind.