
In Turnschuhen trat Sabine Sitter ihre erste Sitzung als neue Landrätin des Landkreises Main-Spessart an. Das erinnerte ein wenig an die Vereidigung von Joschka Fischer als grüner Umweltminister von Hessen 1985. Doch gleichzeitig wurden in dieser konstituierenden Sitzung des Kreistags Main-Spessart die Grünen ausgebootet. Obwohl es wieder drei stellvertretende Landräte gibt und die Grünen mit zwölf Kreisräten die zweitstärkste Fraktion bilden, kommt keiner der Stellvertreter aus ihren Reihen.
Spannend gestaltete sich diese Wahl – auch weil vorher schon gemunkelt worden war, dass es eine Absprache zwischen CSU, Freien Wählern und SPD gegeben haben soll. Die Sitzung der 60 Kreisräte fand wegen den Corona-Beschränkungen in der Dreifachturnhalle am Karlstadter Gymnasium statt. Über den ersten Stellvertreter wurde in einer langen Prozedur geheim und einzeln in der Umkleidekabine abgestimmt. Christoph Vogel von den Freien Wählern machte das Rennen mit 46 Ja-Stimmen. Christian Baier von den Grünen unterlag ihm mit 14 Ja-Stimmen.
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Vor der Wahl des zweiten Stellvertreters plädierte Kurt Schreck von der AfD dafür, die Geschäftsordnung zu ändern und es bei nur einem Stellvertreter zu belassen. Zu einer Abstimmung über diesen Antrag kam es allerdings nicht. Denn kurz zuvor hatte der Kreistag die neue Geschäftsordnung erst beschlossen mitsamt der Festlegung auf drei Stellvertreter. Für die SPD wurde Pamela Nembach vorgeschlagen, als Gegenkandidatin Bärbel Imhof von den Grünen. Nembach erhielt 42 Stimmen, Imhof 16. Die AfD stimmte keiner der beiden zu.
Appell: Noch ist die Tür nicht zugeschlagen
Für die Wahl des dritten Stellvertreters wurde Manfred Goldkuhle von der CSU vorgeschlagen – so wie es in den Tagen zuvor bereits kolportiert worden war. Hinzu kam als zweiter Kandidat Robert Herold (Freie Bürger), der Bürgermeister von Burgsinn. Grünen-Kreisrat Armin Beck schlug erneut Christian Baier vor und verband dies mit einem Appell an die Kreistagsmitglieder: "Wie die Kandidatur von Goldkuhle passen soll, erschließt sich mir nicht." Es sei eine Frage des Stils und der Wahlergebnisse, dass auch die Grünen einen Stellvertreter stellen. Es gehe hier vordergründig um Machtpolitik, kritisierte er, die sich gegen die Grünen richte, hintergründig aber auch um eine Politik gegen ein Fünftel der Wähler und eine ökologische Politik. "Treffen Sie keine parteipolitische Entscheidung, noch ist die Tür nicht zugeschlagen."
Da alphabetisch abgestimmt wurde, war zunächst Baier an der Reihe: 17 Stimmen für ihn, 43 dagegen. Manfred Goldkuhle erhielt anschließend 37 Ja- und 23-Nein-Stimmen. Damit sollte die Wahl beendet sein, doch auf die Intervention von Gerhard Kraft (Grüne) hin wurde auch über Robert Herold abgestimmt: 17 pro und 42 contra (ein Kreisrat hatte den Saal verlassen). So blieb es bei Goldkuhle.
"Partnerschaftlicher Führungsstil"
In ihrer Antrittsrede sagte die neue Landrätin Sabine Sitter, sie betrachte es als ihre Aufgabe, den Landkreis strategisch voranzubringen. „Partizipativ und partnerschaftlich ist mein Führungsstil. Ich will unseren Landkreis Main-Spessart mit Ihnen in eine gute Zukunft führen." Mehrmals sagte Sabine Sitter: „Wir müssen den Landkreis neu denken.“ Ein besonderes Anliegen sei ihr die Gesundheitsversorgung. „Und die ist mehr als Krankenhaus.“ Ein weiteres Anliegen sei ihr Bildung. „Alleine Gebäude sind nicht Bildung.“ Und ein Ziel sei es, die Verschuldung des Landkreises gut im Griff zu haben.

Antrag wurde abgelehnt
Zur Änderung der Geschäftsordnung hatte es bereits in der ersten Sitzungshälfte mehrere Anträge der Grünen auf Änderung der Geschäftsordnung gegeben. Jeweils mehr als zwei Drittel der Kreisräte lehnten diese ab. Den Grünen war es beispielsweise darum gegangen, Anträge im zuständigen Ausschuss innerhalb von drei Monaten zu behandeln. Die Verwaltung hält dem entgegen, dass die Beschaffung von Informationen und die Terminfindung von Sachverständigen oft langwierig sind. Zudem trete der Kreistag nur viermal im Jahr zusammen.
Im zweiten Antrag plädierten die Grünen dafür, dass auch künftig 14 Personen den Ausschüssen angehören. Kreisrätin Bärbel Imhof begründete, es gebe keinen Grund, die Ausschüsse zu verkleinern. 14 Mitglieder entspreche 23 Prozent der Kreistagsmitglieder. In Stadträten seien dagegen sogar 35 bis 41 Prozent in einem Ausschuss. Eine Verkleinerung widerspreche dem Geist, auch kleineren Fraktionen die Teilhabe ermöglichen. In Vorgesprächen habe keine Fraktion ein Problem darin gesehen, die bisherige Größe von 14 Mitgliedern beizubehalten.
Auch Kurt Schreck von der AfD sagte, er halte die Reduzierung von 14 auf zwölf Ausschussmitglieder und die von sieben auf sechs Ausschüsse für falsch. "Wo die meiste Arbeit anfällt, verkleinert man. Aber der repräsentative Bereich mit den Landratsstellvertretern soll personell ausgeweitet werden. Das ist ein schlechtes Signal für die Öffentlichkeit." Die Verwaltung hingegen argumentierte, man sollte sich bei der Ausschussgröße an der Effizienz und Praktikabilität orientieren. Bei einem Verhältnis von 1:5 mit zwölf Mitgliedern sei der Kreistag sehr gut abgebildet.

"Energie gehört zur Umwelt"
Weiterhin hatten die Grünen vorgeschlagen, beim „Ausschuss für Bauen, Energie, Bildung und Kultur“ den Begriff „Energie“ zu streichen. Konzeptionelle Entscheidungen hinsichtlich Energie – die sich also nicht auf ein Bauprojekt beschränken – gehörten in den Ausschuss für Umwelt, Klima und Nachhaltigkeit.
Zu den Aufgaben des Ausschusses für Landkreisentwicklung, Mobilität und Digitalisierung gehöre nicht nur der ÖPNV. Das hatte die Verwaltung unter „Aufgaben“ aufgelistet. Vielmehr schlugen die Grünen vor, generell regionale Verkehrskonzepte mit einzubeziehen. Imhof: „Die Reduzierung auf ÖPNV schnürt uns selbst ab.“ Weiterhin ging es den Grünen darum, dass sich „Inklusion“ nicht nur auf gesundheitlich und gesundheitlich benachteiligte Menschen beziehen soll. Es gehe um die soziale Teilhabe aller in der Gesellschaft.
wer hat die Partei gewechselt? Ich glaube, Sie verwechseln da etwas. Lesen Sie sich gerne in die rechtlichen Grundlagen ein.
Aber was ändert das daran, dass Herr Baier etwa 50% mehr Stimmen erhalten hatte als Frau Nembach? Was ändert das daran, dass die Grünen eine starke Kraft im Kreistag wurden? Mich frustriert, dass da "Denkwerkstätten" eine Offenheit und Gemeinschaftssinn suggerieren, den es gar nicht gibt. Mal sehen, ob dieses Format auch nach der Wahl erhalten bleibt. Aber es verschwindet vermutlich genauso in der Versenkung wie die Wahlplakate: die werden wir auch erst zur nächsten Wahl wieder sehen.
Und FW und SPD spielen brav mit. Was haben die denn als Gegenleistung bekommen? Nur die Pöstchen?
Die Grünen sind nicht umsonst zweitstärkste Fraktion geworden. Und ein aktives Einbinden wäre allemal geschickter gewesen als Ausgrenzung von ersten Tag an. Aber auch da ist die CSU ja geschickt: Sie können ja die Anträge der Grünen immer erstmal abschmettern und dann drei Monate später als eigene einbringen. Klappt ja in München auch schon seit über 50 Jahren. Fragen Sie mal Papa, der weiß wie's geht.
Auf Facebook mein Redebeitrag im Kreistag
https://www.facebook.com/armin.beck.31
Von der Berichterstattung jedenfalls nichts.
Sind zumindest in dem Artikel nicht erwähnt, dass sie auch irgendwas drehen wollten. Sehr traurige Veranstaltung und Frau Sitter als Marionette. Ganz, ganz schlechter Start.
CSU, FW und SPD haben Die Grünen als zweitstärkste Fraktion im Kreistag Main Spessart ausgebootet.
Christoph Vogel (FW) zum stellvertretenden Landrat von Main-Spessart zu wählen, das kann ich noch nachvollziehen, weil Christoph Vogel kam mit Sabine Sitter (CSU) in die Stichwahl. Es ist aber nicht zu vermitteln und auch nicht nachvollziehbar, dass als weiteren Stellvertreter der Posten an die Wahlverlierer Partei SPD ging und nicht an Die Grünen! Auch ist es nicht nachvollziehbar, dass auch noch Manfred Goldkuhle (CSU) zum Stellvertreter gewählt wurde, obwohl doch die CSU die Landrätin stellt.
Bei der Landratswahl am 15.03.2020 hatte Christian Baier (Grüne) ein Ergebnis von 11.581 Stimmen (17,09 %) und Pamela Nembach (SPD) nur 7.300 Stimmen (10,77 %)
Es ist unverständlich, dass nicht Die Grünen als zweitstärkste Fraktion sonden die SPD als viertstärkste Fraktion bevorzugt wurde. Es gab offensichtlich vorher klare Absprachen zwischen CSU, FW und SPD, Die Grünen auszubooten!
Auch wurde die Zahl der Ausschussmitglieder verringert um Die Grünen zu schaden.
Künftig haben die Kreistagsausschüsse maximal zwölf statt wie bisher 14 Mitlieder. Wie die Fraktion von Bündnis 90/die Grünen im Main-Spessart-Kreistag argumentiert, haben die Grünen aufgrund dieser Neuregelung bezogen auf alle Ausschusssitze einen Sitz verloren. Nach dem bisherigen System hätte Die Grünen ein zusätzlicher Ausschusssitz zugestanden. Die Grünen-Fraktion im Kreistag fühlt sich nun, ohne Landratsstellvertreter und um einen Ausschuss-Sitz weniger, ausgebootet. Gerhard Kraft, Kreisvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen. verstehen sich aber als Wahlgewinner, weil sie bei der Kreistagswahl 2020 im Gegensatz zu SPD, Freien Wählern und CSU zwei Mandate hinzugewonnen hatten.
Was mir missfällt ist, von Seiten der CSU an konstruktive Mitarbeit zu apellieren, und bei den Weichenstellungen diese gleich wieder über Bord zu werfen.
So agiert die CSU aber nicht nur im Kreistag. Wir erleben dies auch in den Gemeinden!