
Über Jahrzehnte war es eine Institution in der Stadt: das Eiscafé und Schnellrestaurant Bernhard an der Jahnstraße. Generationen holten sich dort ein hausgemachtes Eis oder ein Hähnchen. Für beides war "der Bernhard" weithin bekannt. Vorbei. Seit Montag sind die Türen geschlossen. Auf Zetteln am Gebäude ist von einer "Winterpause" die Rede. Doch vieles deutet auf eine dauerhafte Schließung hin.
"Der Zettel ist eigentlich falsch", sagt Patrick Sand über den Aushang an der Tür des Eiscafés, das er 2006 von seinem Großvater Erhard Bernhard übernommen und seither zusammen mit seiner Frau Ina betrieben hat. Beide lassen im Gespräch mit der Redaktion durchblicken, dass es im Frühjahr aller Wahrscheinlichkeit nach keine Wiedereröffnung geben wird, schon gar nicht in der bisherigen Form.

Die Entscheidung, die Türen dauerhaft zuzusperren, sei im Sommer über Wochen gereift, sagt Patrick Sand. Als Hauptgrund nennt er die Wirtschaftlichkeit: "Es ist nichts mehr übrig geblieben." Bezogen auf die Arbeitsstunden im Betrieb habe sein Verdienst unter dem Mindestlohn gelegen. Als Ursache nennt er sprunghaft gestiegene Einkaufspreise. Sie hätten sich teilweise verdoppelt oder gar verdreifacht, so der 50-Jährige. In der Folge habe er die Verkaufspreise anheben müssen. Dass beispielsweise die Kugel Eis dann 1,70 Euro und das halbe Hähnchen 6,50 Euro kosteten, habe zu immer häufigeren Diskussionen mit Kunden geführt. Das habe ihn zermürbt, gibt Sand Einblick in die Gastronomen-Seele. "Beim Essen wird gespart, wenn das Geld knapper wird", ergänzt Ina Sand. Die Folge: Die sonst an sonnigen Sonntagen nicht seltene Warteschlange vor der Eistheke habe es irgendwann nicht mehr gegeben.
Abwärtstrend seit Jahren
Nach Aussage ihres Mannes hat der Abwärtstrend schon vor Jahren eingesetzt. Früher seien Mitarbeiter der direkt benachbarten Bosch Rexroth AG in den Pausen häufig gekommen. Doch das sei irgendwann abgerissen. Mit den Preisen der Firmenkantine könne er nicht konkurrieren, erklärt sich Sand die Entwicklung. Auch die Corona-Pandemie sei eine "hundsmiserable" Zeit für die Gastronomie gewesen. 2020 haben die Sands daher bereits ihre 2008 eröffnete Filiale in der Fußgängerzone, "Das kleine Bernhard", geschlossen.
"Irgendwann sagen es dir die Zahlen", sagt Sand über den weiteren Weg, der nun zur Entscheidung geführt hat, auch das Stammgeschäft zu schließen. Tränen seien dabei geflossen, beschreibt Ina Sand den Prozess. "Ich bin hier aufgewachsen", erklärt Patrick Sand beim Blick in das Halbrund des Cafés. Dessen Umgebung sei als Kind sein Spielplatz gewesen. "Es gibt kein Haus, in dem ich so viel Zeit zugebracht habe wie hier", schaut der Mann mit dem üppigen Bart mit Wehmut auf seinen Anteil an der 70-jährigen Geschichte des Familienbetriebs.
Personalsituation schwierig
Natürlich haben neben der Wirtschaftlichkeit auch die in der Gastronomie allgegenwärtigen Personalprobleme eine Rolle gespielt, sagen die Sands. In den richtig guten Jahren habe man in den zwei Filialen neben zwei Festangestellten bis zu 30 Aushilfskräfte beschäftigt. Doch zuletzt sei es immer schwieriger geworden, Mitarbeiter zu finden. "Wir sind gerade so zurechtgekommen, es durfte niemand ausfallen", sagt Patrick Sand. Zeitweise habe man wegen des Personalmangels Sitzplätze reduzieren müssen. Ein Faktor sei auch gewesen, dass der 18-jährige Sohn nicht die Absicht gehabt habe, den Betrieb zu übernehmen, sagt Ina Sand. "Nach uns wäre also sowieso Schluss gewesen."
Doch wie geht es nun weiter mit dem bisherigen Eiscafé und Schnellrestaurant Bernhard? Ursprünglich, so sagen Ina und Patrick Sand, hätten sie mit dem Gedanken gespielt, im kommenden Jahr nur noch mit dem Eisverkauf wieder zu starten und nur die Küche geschlossen zu lassen. Doch mittlerweile, das wird aus den Aussagen der beiden deutlich, sieht alles danach aus, dass es nach der "Winterpause" keine Wiedereröffnung geben wird. Stattdessen können sich Ina und Patrick Sand die Verpachtung der ihnen gehörenden Immobilie gut vorstellen. Es gebe bereits mehrere vage Anfragen, daneben aber auch einen Gastronomen mit konkretem und starkem Interesse.
Erst einmal Abstand gewinnen
Die kommenden Monate werden nach Aussage der Sands zeigen, wohin die Reise geht. Auch ihre eigene. Sein Gewerbe abmelden wird Patrick Sand jedenfalls nicht. Vielleicht werde man an anderer Stelle "was Neues, nur mit Eis, aufziehen", sagt er. Doch noch ist die Zeit nicht reif für eine Entscheidung: "Dazu sind wir emotional jetzt noch zu sehr aufgekratzt."
Die gesamte zurückliegende Woche hindurch waren er, seine Frau und die beiden festangestellten Mitarbeiter mit Aufräumen und Putzen im Eiscafé beschäftigt. Ab 1. Oktober wollen Ina und Patrick Sand dann Abstand gewinnen. "Ich hatte noch nie sonntags frei", blickt der 50-Jährige den kommenden Wochen auch freudig entgegen. Bis zum Jahreswechsel, so hoffen, Ina und Patrick Sand, ist ihre Zukunft und die des bisherigen Eiscafés und Schnellrestaurants geklärt.