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LOHR
Erhard Bernhard brachte Lohr Eis und Pommes
Erhard Bernhard ist 90 Jahre alt. In seinem Eiscafé erzählt er scherzend Anekdoten aus seinem langen Leben.
Foto: Björn Kohlhepp | Erhard Bernhard ist 90 Jahre alt. In seinem Eiscafé erzählt er scherzend Anekdoten aus seinem langen Leben.
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:41 Uhr

Anfangs fuhr Erhard Bernhard noch mit einem Fahrradanhänger Eis aus, später dann mit dem Motorrad. Werktags hatte der „Eismoo“ zwei Sorten dabei, sonntags vier. Seine ersten Sorten waren die Klassiker Vanille, Schokolade, Erdbeere, das Bällchen kostete 10 Pfennige. Der inzwischen 90-Jährige kam weit herum, nach Wiesenfeld etwa oder am 1. Mai auf die Bayrische Schanz. Am 1. Mai, erzählt Bernhard, hat er schon in der Früh mit dem Eismachen angefangen, aber auf der Schanz waren so viele Menschen – „die haben auf mich gewartet“ –, dass er sein ganzes Eis innerhalb einer Viertelstunde loshatte. Später hatte er als erster in Lohr Pommes Frites.

Bernhard sprüht auch mit 90 Jahren noch vor Witz. Beim Blick ins kleine Fotoalbum mit Schwarz-weiß-Bildern zeigt er auf ein Foto, das eine Frau mit Schürze neben seinem Motorrad samt Eisanhänger zeigt und sagt: „Das war meine frühere Freundin.“ Diebisch freut er sich über den verdutzten Blick des Reporters, dem er zuvor noch erzählt hat, dass er mit seiner Olga, einer gebürtigen Urspringerin, seit 70 Jahren zusammen ist. Es stimmt, das Bild zeigt seine frühere Freundin: seine spätere Frau Olga, mit der schon ein paar Jahre vor der Ehe poussierte.

Frau Olga ist nach einem Sturz auf ihn angewiesen

Seine Olga kann beim Gespräch im Eiscafé an der Lohrbrücke bedauerlicherweise nicht dabei sein. Ihr Stammplatz, ihm gegenüber an einem Tisch links von der Theke, ist verwaist. Vor ein paar Wochen ist sie gestürzt und hat sich die Schulter zertrümmert. Bernhard kümmert sich um sie, ist deshalb nicht mehr täglich im Eiscafé. „Jetzt bin ich Krankenpfleger“, sagt der 90-Jährige.

Ab und zu setzt sich sein Enkel Patrick Sand dazu, der vor elf Jahren das Geschäft von ihm übernommen hat und durch einen langen Kinnbart auffällt. Der erzählt, dass seine neue italienische Eismaschine 35 000 Euro gekostet hat und 15 Liter Eis auf einmal produzieren kann. Mit der Ein-Liter-Maschine, die sein Opa früher hatte, ist die nicht mehr zu vergleichen. Aber die Rezepte, zumindest der klassischen Sorten, habe er noch von ihm, sagt der Enkel.

Sein Bäckermeister hat einst zu ihm gesagt: „Mach Eis!“

Zum Eismachen kam Bernhard durch einen Tipp seines Meisters. Als der Jungspund aus dem Krieg zurückgekehrt war, lernte er in Lohr Bäcker und arbeitete dann auch als solcher. Jedoch übernahm irgendwann der inzwischen entnazifizierte Bäckereiinhaber sein Geschäft wieder, wodurch Bernhard und sein Meister ihre Arbeit verloren. Der gab ihm den Tipp: „Mach Eis!“ Im Freundeskreis besorgte sich Bernhard also eine Haushaltsmaschine und probierte und probierte. Seine Großmutter Rosalia war zwar Italienerin, er habe sich das Eismachen aber trotzdem selbst beibringen müssen. Vom Vater bekam er den Fahrradanhänger und seine erste Eismaschine gekauft. Kaum hatte er die Sachen, fand er wieder eine Stelle als Bäcker in der Bäckerei Vogt. Fortan stand er ab morgens um 4 Uhr in der Backstube und verkaufte mittags mit dem Anhänger Eis. Zum Glück hatte er seine Olga, die für ihn schon das Eis angerührt hatte.

„Mir hömm müss schaff von früh bis in die Nacht.“

Bernhard, Jahrgang 1927, kann erzählen und erzählen. Sein Vater, ein Glasmacher, kam aus dem oberbayerischen Wolfratshausen nach Lohr, seine Mutter war aus Augsburg. „Ich bin der einzige Lohrer in der Familie, ein richtiger Mopper“, sagt er. Eigentlich sollte er zur Post, aber dort hatte ein Glasmachersohn keine Chance, weswegen in der Familie die Idee aufkam, dass er Konditor wird. Seine Lehre im Würzburger Stadtteil Grombühl musste er unterbrechen, als er 1944 in den Krieg musste. Kurz vor Kriegsende ging Bernhard mit einem gewitzten Kameraden im sächsischen Meißen stiften, wurde in Abwesenheit zum Tod verurteilt. Er schlug sich mit viel Glück zu Fuß erst bis nach Thüringen durch, wo er die Nachricht erhielt, dass der Krieg zu Ende ist, und lief dann weiter nach Lohr. Die Konditorei in Würzburg war zerstört. Er musste sich etwas anderes suchen.

Die erste Eismaschine musste er noch mit der Hand drehen

Den Fahrradanhänger, in dem vier Büchsen Platz hatten, bastelte ihm ein Arbeitskollege seines Vaters zusammen. Das Eis kühlte er mit Stangeneis von der Brauerei und Viehsalz, isoliert war der Wagen mit Torfmull. „Das hat den ganzen Tag gehalten.“ Anfangs nahm er auch zur Eisherstellung Stangeneis. Er sei nicht der erste gewesen, der in Lohr Speiseeis gemacht hat, zwei Bäckereien seien vor ihm dran gewesen, aber er war der erste, der Eis ausfuhr. Die Erdbeeren fürs Erdbeereis bekam er kiloweise aus dem großen Garten seines Vaters, aber nicht geschenkt. Auch die Eier von den elterlichen Hühnern bezahlte Bernhard. Seine erste Eismaschine musste er noch mit der Hand drehen – manchmal halfen beim Drehen auch Nachbarsbuben, die dafür Eis bekamen.

1950 kaufte Bernhard einen Kiosk an der Lohr, hatte dort Obst, Gemüse, Getränke und Eis im Angebot. Im selben Jahr heiratete er seine Olga, und zwar evangelisch, weil er evangelisch ist und der katholische Pfarrer sie nicht kirchlich trauen wollte. Bald darauf kam Tochter Roswitha zur Welt, später Sohn Egon. Mitte der 50er Jahre stieg Bernhard beim Ausfahren vom Motorrad aufs Auto um. Als 1958 die Lohrbrücke gebaut wurde, wurde die „Bretterbude“ abgerissen und Bernhard baute ein paar Meter weiter in der Jahnstraße einen neuen Kiosk. Auf dem Dach wuchsen Erdbeeren fürs Eis.

Idee für Café-Form aus dem Urlaub

Bei einem Urlaub sah er in Tirol ein Gasthaus, das in einem Bogen über einen Felsen hinaushing. So etwas wollte er auch. Bei der Erweiterung des Kiosks um ein Café 1965/66 erhielt dieses, über die Lohr hängend, ebenfalls einen solchen Überhang. Eigentlich war dieser Anbau als Terrasse gedacht, aber dann war der Sommer so schlecht, dass ein Dach drüber und später noch Fenster reinkamen. Als der Kupsch nebenan aufmachte, gab Bernhard den Verkauf von Obst und Gemüse auf.

Die Bernhards machten Urlaub immer im VW-Bus mit Zelt, immer Anfang September, meistens für zehn Tage. Mehr war nicht drin. Von 1960 bis 1990 arbeitete Bernhard noch nebenbei für Rexroth, fuhr Arbeiter aus dem Umland im Büsschen zur Arbeit. Geflogen ist Bernhard nie. „Meine Frau schon – neulich von der Stufe“, scherzt der 90-Jährige.

Bernhard war der erste, der in Lohr Pommes im Angebot hatte. Eine Schwester einer Bedienung arbeitete in Paris, wo es das schon gab. Mitte der 60er brachte Bernhard die Idee mit nach Lohr. Seine Eltern schälten anfangs am Tag drei bis vier Zentner Kartoffeln, ein Rentner drückte sie durch. Später hatte er eine Schälmaschine.

Der Enkel führt das Eiscafé weiter

Gab es früher in der Theke des Eiscafés acht Sorten, sind es jetzt 24. Die Lage neben Rexroth, Schwimmbad und jetzt Stadthalle sei immer noch hervorragend. Sein Enkel Patrick, 43 und gelernter Konditor, hat kürzlich noch eine Filiale in der Lohrer Innenstadt aufgemacht.

Bernhard, der acht Enkel und zwölf Urenkel hat, sagt, er danke dem Herrgott täglich für das Glück, das er im Leben hatte, etwa im Krieg oder bei einem Beinahezusammenstoß. „Mir hömm müss schaff von früh bis in die Nacht“, erzählt er. Dass seine Frau immer fleißig mithalf, dafür ist er ihr sehr dankbar.

Das Eiscafé mit dem überhängenden Anbau.
Foto: Björn Kohlhepp | Das Eiscafé mit dem überhängenden Anbau.
Bernhard mit Motorrad und Eisanhänger.
Foto: Bernhard | Bernhard mit Motorrad und Eisanhänger.
Das Eiscafé bis Mitte der 60er.
Foto: Bernhard | Das Eiscafé bis Mitte der 60er.
 
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  • H. S.
    Nicht nur das beste Eis..... auch seine Hamburger sind der Hammer..... hier schmeckt man einfach die hervorragende Qualität
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Danke Herr Bernhard
    wenn wir im Sommer nach dem Sportunterricht zurück zum Gymnasium mussten, war immer Zeit für ein wunderbares Eis. Mindestens bis 1965 kostete die Kugel 10 Pfennig. Wir Älteren konnten uns daher schon ein Dreißiger-Eis leisten.
    Dass wir in der Schule dann mindestens 5 Minuten zu spät kamen, war eine nicht unangenehme Nebenwirkung.
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  • A. G.
    Fahre nur wegen dem Eis von Zellingen nach Lohr weil es einfach das Beste ist. Schade das der Bernhard in Zellingen kein Kaffee hat. Wer ein sehr gutes Fruchteis essen will muß es unbedingt probieren.
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