Mitten im Haus, gleich nach dem Eingang, ranken sich Pflanzen aneinander in die Höhe, bis in den ersten Stock. Gelbe und lila Blüten leuchten an einigen Stellen hervor, ein Zimmerbrunnen sprudelt vor sich hin. Eine angenehme Kühle strömt durch den Raum, fast ein wenig wie im Wald. "Wenn man hier reinkommt und man hört dieses Plätschern, das ist Urlaub pur", sagt Ulrich Heimberger. Das glaubt man dem Hauseigentümer sofort, wie er barfuß, in kurzer Hose und mit legerem T-Shirt die Haustür öffnet.
"Das war die Idee des Architekten, hier drinnen praktisch einen offenen Garten zu machen", erklärt Heimberger. Ziel war es, ein schönes Raumklima zu erzeugen. Das ist dem Naturfan wichtig: "Wir lieben es, mit offenen Fenster zu schlafen", sagt der 64-Jährige. Im Frühjahr hören er und seine Frau Katrin so die Nachtigall. "Das ist der Wahnsinn", berichtet er ganz begeistert.
Das Konzept, die Natur intensiv in das Wohnen einzubeziehen, findet sich im ganzen Haus wieder. Eine Idee, die dem Eußenheimer Paar vergangenes Jahr den ersten Platz unter den grünen Hausnummern im Landkreis Main-Spessart gesichert hat – mit einer Gesamtpunktzahl von 214 Punkten. Ab 75 Punkten wird die Auszeichnung bereits verliehen.
Punkte gibt es zum Beispiel für die Energieeffizienz. Da wirkt das lichtdurchflutete Haus mit vielen Fenstern auf den ersten Blick nicht als der ideale Kandidat. "Die haben nicht die höchste Wärmedämmung, aber entsprechen circa der Dämmung einer 24-Zentimeter-Außenwand", sagt Heimberger über die vielen Glasflächen. Doch der Ingenieur hat ein System ausgeklügelt. Im ersten Stock lässt ein großer Dachüberstand im Sommer quasi keine Sonne rein; im Winter dagegen fallen durch den flacheren Sonnenstand die wärmenden Strahlen ins Haus. Zusätzlich hilft ein in den Sommermonaten abgedecktes Dachfenster; dadurch sei es im Winter oben "buddelwarm".
Halb Holzhaus, halb klassische Bauweise
Unsicher war sich Heimberger beim Thema Passivhaus und Luftdichtheit; diese Aspekte erfüllt er mit seiner Gesamtkonzeption definitiv nicht. "Ich bin kein klassisches Niedrigenergiehaus – aber unter dem Strich bin ich es trotzdem. Es gibt Alternativen, das will ich damit sagen." Ein Zusammenspiel aus Solartechnik, Sonneneinstrahlung, Isolation – und vielen Details. Die erklärt er Schritt für Schritt beim Hausrundgang.
Weitere Punkte gibt es für die Baustoffe. Im unteren Stockwerk wurde klassisch Beton und Mauerwerk verwendet; der Holzbau im oberen Stockwerk und an der ganzen Fassade ist aus Nordischer Fichte. "Die Nordische Fichte ist viel dichter und fester, so wie Douglasie vielleicht", sagt Heimberger. Alle sichtbaren Holzbauteile haben er und seine Frau selbst mit einer Öl-Lasur gestrichen, dreimal sind sie für mehrere Tage auf eine Alp in Münzingen gefahren. Spezielle Titanoxid-Pigmente in der Lasur verhindern, dass das Holz nachdunkelt. Seit dem Bau im Jahr 1999/2000 habe Heimberger nur einmal die Fenster nachstreichen müssen.
Viel Spaß an der Technik
Im Urlaub, auf der Alp, lernten sie auch den Architekten kennen. Nach nur wenigen Gesprächen und einem Besuch auf dem Grundstück in Eußenheim kam der mit einer Handskizze des Hauses auf sie zu. Bei diesem Entwurf sei es dann auch geblieben. "Sagenhaft", freut sich Heimberger noch heute. In einem Jahr war der Bau fertig. "Wir haben uns den Winter über Zeit gelassen", so habe der Estrich für die Fußbodenheizung trocknen können. Schon damals hat der Bauherr auf diese Heizform gesetzt; klassische Heizkörper gibt es keine.
Den Technik-Mix, der in der Energieerzeugung seines Zuhauses steckt, knobelte Heimberger selbst aus. Kurz vor dem Hausbau wechselte er den Arbeitgeber und wollte bei Bosch-Rexroth anfangen. Aufgrund einer Wettbewerbsklausel musste zwischen den Stellen allerdings ein halbes Jahr vergehen. Viel Zeit, die hauptsächlich in die Planungen des Hauses floss. "Ich hab mir einen riesigen Ordner angelegt mit Informationen und habe mir Skizzen gemacht. Da habe ich wirklich Spaß daran gehabt."
Im Erdgeschoss steht eine Batterie mit sieben Kilowattstunden Speicher, auf dem Dach liegt eine entsprechend starke PV-Anlage. Außerdem steht dort ein großer Brauchwasserspeicher, der durch Solarthermie aufgeheizt wird. Fehlt die Sonne, springt zunächst die Batterie ein – und erst ganz am Ende eine Gasheizung. "Es gibt mehrere Regelkreise", sagt Heimberger. Der Energieträger Gas habe zur Zeit des Baus zur "sauberen Energie" gezählt; eine Pelletheizung kam für ihn wegen der Größe des Lagerraums nicht infrage.
Doch auch im vergangenen Jahr entschied er sich erneut für eine Gasheizung. Seither verbrauche das Gebäude noch einmal 30 Prozent weniger Energie. Das liege an der angepassten Temperaturregelung, schätzt Heimberger. Die Regelungstechnik sei noch viel genauer geworden: "Sie fährt langsamer hoch und kann die Umgebungstemperaturen mehr einbeziehen."
Um möglichst mit den erneuerbaren Energien auszukommen, richten die Heimbergers die Nutzung elektrischer Geräte nach der Sonne aus. Zudem überwacht der Ingenieur die energetischen Anlagen per Handy-App. So kann er die Heizung sogar vom Urlaub aus steuern. Sich schlau machen und einlesen, das ist seine Strategie. Aus seiner Erfahrung heraus rät er jedem: "Wer Ideen hat, soll sich Zeit lassen und nicht zu früh bauen. Erst einmal Ideen sammeln."
Bleibt noch eine Kategorie, in der Heimberger aus dem Vollen schöpfen konnte: Der Garten. Über den kam er erst auf die Auszeichnungen. Zunächst habe er sich ohne Mühe für die Naturgartenzertifizierung qualifiziert, dann folgte die grüne Hausnummer. Und wieder hält Heimberger eine Überraschung bereit, wenn es um Naturnähe und Umwelt geht: In seinem Garten liegen mehr als 20 Tonnen Split und Steine. Schubkarrenweise hat er die selbst verteilt.
Der Muschelkalk-Boden sei im gesamten Umfeld karg und müsse abgedeckt werden, um Verdunstung zu verhindern. Inzwischen sind die ganzen Steinflächen zugewachsen. Wie ein Urwald wirkt die Gartenlandschaft aus kleinen bewachsenen Hügeln unter dem Blätterdach mehrerer Bäume. Einen großen Vorteil sieht Heimberger in der Steinschicht: "Wenn da ein Unkraut ist, ziehe ich einfach nur dran."
Wie Teich und Sauna möglichst umweltfreundlich werden
Eigenen Dünger produziert er ebenfalls: "Gartenarbeit ist für mich überhaupt keine Arbeit. Das ist für mich pure Lebensfreude und Genuss", sagt der 64-Jährige. Außerdem sei es Sport, wenn er den ganzen Samstag draußen werkelt; so benötigt er eine Trainingseinheit weniger.
Mit 15 Kubikmetern Zisternenwasser lassen sich alle Pflanzen im Haus und die Kübel im Garten bewässern. Mehr gieße Heimberger gar nicht; der Rest muss selbst überleben. Allerdings gibt es einen anderen Wasserfresser auf dem Grundstück. Ein Teich, so groß, dass darin Schwimmen möglich ist. Allerdings ist das auch Ersatz für den Urlaub: "Im Sommer sind wir immer hier."
Ein Energiefresser versteckt sich ebenfalls im Garten: die Sauna. Wenn die laufe, sei danach die Batterie halb leer. "Da haben wir manchmal ein schlechtes Gewissen", gibt Heimberger zu. Eine möglichst umweltverträgliche Lösung fand er auch dafür: "Um die gespeicherte Energie zu nutzen, gehen wir dann in die Sauna, wenn die Batterie voll ist. Oder nachmittags, wenn noch die Sonne scheint. Man muss ein bisschen umdenken, dann geht das alles."
vielen Dank für Ihre Frage! Um die Grüne Hausnummer zu erhalten, müssen insgesamt mindestens 75 Punkte in den vier Kategorien Garten, Baustoffe, Energieeffizienz und Energieerzeugung erreicht werden. Sie haben recht: Für eine erste Wertung dürfen nur jeweils 25 Punkte eingebracht werden, um zu verhindern, dass beispielsweise die 75 Punkte auf eine Kategorie allein fallen und die anderen Kategorien alle mit 0 Punkten abschneiden würden. Sind die 75 bis 100 Punkte auf diese Weise erreicht, werden die Gesamtpunkte (also auch alles über 25 Punkten pro Kategorie) hergenommen, um eine Platzierung innerhalb der Trägerinnen und Träger der Grünen Hausnummer zu ermöglichen. So kamen in diesem Fall mehr als 200 Punkte zusammen.
Herzliche Grüße
Tabea Goppelt
Reporterin in der Redaktion Karlstadt
Wie kommen also 214 Punkte zustande?