Eigentlich hätte die Main-Streuobst-Bienen Genossenschaft dieses Jahr Grund zur Freude, denn sie feiert 10-jähriges Jubiläum. Derzeit ist die Laune jedoch getrübt, denn die Spätfröste im April verursachten beim Baumobst teilweise einen Totalausfall. Die Ernte dürfte um rund 80 % einbrechen, schätzt der Geschäftsführer Krischan Cords. Vor Allem die Kirschen und Zwetschgen seien abgefroren, und auch bei den Äpfeln und Birnen erwartet der Streuobst-Experte in diesem Jahr keine großen Mengen. "Normalerweise haben wir den Vorteil verschiedener Standorte, aber heuer ist flächendeckend viel erfroren", sagt er. Besonders drastisch seien die Effekte in den Tälern, wo sich die Kälte gesammelt hat. Im Maintal erwartet Cords größtenteils einen Totalausfall beim Obst.
Die 2014 gegründete Main-Streuobst-Bienen eG gehört zu den größten Streuobst-Produzenten in Bayern und bewirtschaftet viele Streuobstwiesen in Main-Spessart, darunter etwa drei Hektar von der Stadt Lohr. Zudem hat die Genossenschaft Flächen in den Landkreisen Würzburg und Kitzingen und bezieht Obst von zertifizierten Mitgliedern; insgesamt verantwortet sie in den drei Landkreisen die ökologische Bewirtschaftung von etwa 120 Hektar Streuobstwiesen.
Hauptsächlich werden Kirschen, Zwetschgen, Äpfel und Birnen geerntet und zu eigenen "MainSchmecker"-Produkten verarbeitet oder an Großabnehmer geliefert. Wegen der dramatischen Einbußen musste die Genossenschaft nun ihre Absatzmärkte einschränken und Liefermengen für große Abnehmer wie Kaufland anpassen oder sogar canceln.
Höhere Lagen stehen besser da als Täler
Bei anderen Streuobst-Bauern in Main-Spessart sieht es teils besser aus. "Wir haben je nach Standort eine Bandbreite von Totalausfall bis okay", berichtet Peter Stenger vom Obsthof Stenger in Halsbach. Er bewirtschaftet rund acht Hektar Obstbäume. Höhere Lagen stünden tendenziell besser da als die Täler und es sehe nicht ganz so schlimm aus, wie man es direkt nach den Frostnächten vermutet hätte. Stenger erwartet eine ordentliche Ernte bei den Zwetschgen und eine durchwachsene bei den Äpfeln, die Kirschen seien ganz erfroren. Der auf die warmen Tage mit starker Blüte folgende Spätfrost sei heuer schon recht heftig gewesen, meint Stenger und ist froh, dass er eine Frostversicherung hat.
Ein ähnliches Bild zeichnet Manfred Linus Franz für seine Kelterei in Unterwittbach bei Kreuzwertheim. Er baut etwa 15-20 Apfelsorten an und erwartet eine durchschnittliche Ernte. Der Ertrag sei in diesem Jahr durchwachsen und sehr sorten- und lageabhängig, meint Franz: "In Altenbuch hängt nichts, in Bischbrunn sind die Äpfel ok". Letztes Jahr sei die Ernte wegen der Trockenheit deutlich schlechter gewesen.
Neu gewähltes Führungsgremium
Auch die Main-Streuobst-Bienen eG hatte 2023 schon mit hohen Ernteeinbußen zu kämpfen. Durch den Klimawandel nehmen sowohl Hitze- und Dürreperioden als auch Starkregen, Stürme und Spätfröste zu. Laut dem EU-Klimadienst Copernicus ist Europa nach dem Nordpol von allen Kontinenten am stärksten vom Klimawandel betroffen: während die durchschnittliche Jahrestemperatur 2023 erstmals global um 1,5 °C gestiegen ist, verzeichnet der europäische Kontinent bereits einen Temperaturanstieg von 2,2 °C. Die Landwirtschaft hat mit den Folgen zu kämpfen.
Mit ihrem neu gewählten Führungsgremium will sich die Streuobst-Genossenschaft fit für die Zukunft machen und Sorten suchen, die mit den veränderten Bedingungen zurechtkommen. Der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Martin Degenbeck forscht an der Veitshöchheimer Landesanstalt für Wein und Gartenbau (LWG) an geeigneten Sorten und erklärt, dass es in den nächsten Jahren klimabedingt sowohl eine Arten- als auch eine Standortverschiebung geben wird. Den Apfel werde man auf Südlagen beispielsweise nicht mehr anbauen können, sagte er.