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Lengfurt
Spatenstich für zukunftsweisende Technologie: CCU-Anlage soll 70.000 Tonnen CO2 jährlich abscheiden
Bei Heidelberg Materials in Lengfurt soll erstmals in Deutschland das bei der Zementproduktion entstehende CO2 aufgefangen und weiterverwendet werden.
Am Mittwoch fand im Zementwerk Lengfurt der offizielle Spatenstich für den Bau einer Großanlage statt, die aus den Abgasen der Zementherstellung Kohlendioxid abscheidet, um das Gas anderweitig nutzen zu können.
Foto: Dorothea Fischer | Am Mittwoch fand im Zementwerk Lengfurt der offizielle Spatenstich für den Bau einer Großanlage statt, die aus den Abgasen der Zementherstellung Kohlendioxid abscheidet, um das Gas anderweitig nutzen zu können.
Dorothea Fischer
 |  aktualisiert: 26.06.2024 02:53 Uhr

Ein abgestandenes Bier schmecke niemandem, so führte Thomas Tork, in seinen Vortrag anlässlich des Spatenstichs für den Bau einer Cabon-Capture-and-Utilisation-Anlage (CCU-Anlage) in Lengfurt ein. Tork ist einer der Geschäftsführer des zu diesem Zweck gegründeten Unternehmens Cap2U. Aus den Abgasen, die bei der Zementherstellung im Werk von Heidelberg Materials anfallen, soll Kohlenstoffdioxid (CO2) abgeschieden, gereinigt und so aufbereitet werden, dass es zum Beispiel in der Getränkeindustrie als Kohlensäure verwendet werden kann.

Im Herbst 2025 soll die weltweit zweite CCU-Anlage dieser Art in Betrieb gehen und 70.000 Tonnen CO2 pro Jahr abscheiden. Das Flüssiggas wird nicht nur in der Getränkeindustrie benötigt, sondern beispielsweise auch dann, wenn Lebensmittel schonend tiefgekühlt werden müssen, Abwasser behandelt wird oder synthetische Treibstoffe hergestellt werden sollen. In den Niederlanden unterstützt CO2 die Photosynthese beim Gemüseanbau unter Vlies, was dazu führt, dass Früchte schneller reifen.

Linde-Anlagen haben bisher sechs Millionen Tonnen CO2 abgeschieden

Andreas Müller, Geschäftsleiter von Linde Gas, sagte: "Wir planen nicht mehr nur auf dem Papier, sondern Cap2U wird jetzt endlich realisiert." Auch wenn dies das erste Projekt seiner Art in Deutschland sei, habe die Unternehmenssparte Linde Engineering viel Erfahrung in anderen Branchen. Es sei bisher gelungen, sechs Millionen Tonnen CO2 abzuscheiden.

"Die Zementindustrie steht vor großen Herausforderungen", so Christian Knell, Geschäftsleiter bei Heidelberg Materials. Etwa zwei Drittel der Emissionen, die bei der Zementherstellung anfallen, seien nicht zu vermeiden. Dennoch will Heidelberg Materials seinen CO2-Fußabdruck verringern und bis 2050 Netto-Null-Emissionen erreichen. Dies soll gelingen, indem das anfallende CO2 anderweitig genutzt wird.

Derzeit entstehen die Fundamente für die Kohlendioxid-Abscheide-Anlage bei Heidelberg Materials in Lengfurt.
Foto: Dorothea Fischer | Derzeit entstehen die Fundamente für die Kohlendioxid-Abscheide-Anlage bei Heidelberg Materials in Lengfurt.

CCU-Anlage soll nach sechs Jahren in Betrieb gehen

2019 haben Heidelberg Materials und Linde Gas damit begonnen, das CCU-Projekt zu planen, skizzierte Knell den zeitlichen Verlauf. Im Folgejahr habe man den Bau und den Betrieb der Anlage beim Bundesumweltministerium beantragt. Ziel sei es gewesen, sie 2022 in Betrieb zu nehmen. Doch weil das Projekt zusätzlich auf Ebene der Europäischen Union geprüft werden sollte und weil die Zuständigkeit vom Umwelt- zum Wirtschaftsministerium wechselte, verzögerte es sich um zwei Jahre. Im März hat das Landratsamt Main-Spessart als zuständige Behörde den Bau genehmigt. Neues Ziel ist es nun, im Herbst 2025 in Betrieb zu gehen.

Unternehmen kritisieren Politik und Behörden

"Aus Sicht der Wirtschaft sind solche langen Planungszeiträume problematisch", mahnte Knell und forderte, dass Politik und Behörden in Deutschland schneller werden müssten, damit man wettbewerbsfähig sei. Andreas Müller ergänzte, dass man klare Rahmenbedingungen brauche. Landrätin Sabine Sitter sagte, bei der Genehmigung müsse man alle Dimensionen der Nachhaltigkeit gegeneinander abwägen. Es dauere seine Zeit, bis alle wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Aspekte berücksichtigt seien.

Deutschland müsse gegenüber europäischen Nachbarländern, etwa Dänemark, aufholen, was technische Neuerungen in puncto Nachhaltigkeit angehe, sagte Beate Baron vom Bundeswirtschaftsministerium. Sie leitet die Abteilung Dekarbonisierung, Klima- und Umweltschutz in der Industrie. Eine entsprechende Gesetzgebung zur Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (Carbon Capture and Storage, CCS) sei in Arbeit. Für Zement-, Kalk- und Stahlherstellung oder Abfallverbrennung braucht es eine CO2-Pipeline-Infrastruktur, um das Kohlenstoffdioxid in großen Mengen zu transportieren.

Kirchner: Entbürokratisierung geht voran

Sandro Kirchner, Staatssekretär im Bayerischen Innenministerium, sagte: "Es ist wichtig, dass sich Unternehmen, die global agieren, für diesen Standort entschieden haben." Das sei ein Beleg dafür, dass die bayerische Politik und Wirtschaft gemeinsame Impulse setzen. Er betonte, dass die Entbürokratisierung in Bayern sehr gut vorangehe und dass Gelder für Investition und Transformation an bayerische Unternehmen bereitgestellt werden.

Als starkes Zeichen für Umweltschutz und Nachhaltigkeit wertet Triefensteins Bürgermeisterin Kerstin Deckenbrock die CCU-Anlage. Die Rolle des Zementwerks als Motor für die wirtschaftliche Entwicklung und als Arbeitgeber ist für ihre Marktgemeinde bedeutsam. Ihr sei es besonders wichtig, dass ein Konsens herrscht, der sowohl das Allgemeinwohl als auch den Schutz der Bürgerinnen und Bürger im Blick habe. Betriebsratsvorsitzender Markus Oleynik bedankte sich im Namen der Mitarbeitenden bei den Joint-Venture-Partnern dafür, dass die CCU-Anlage im Werk Lengfurt entsteht. Dort werde der Ofen zuverlässig am Laufen gehalten, es entstehe viel Rauch, sodass zukünftig auch viel CO2 abgeschieden werden könne.

 
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