Sucht man ein Bild, das dem Entsetzen über den Tod des Lohrer Künstlers Roland Schaller gerecht wird, ist es Edvard Munchs "Der Schrei". Schaller ist am Dienstagnachmittag zwischen Rechtenbach und Lohr laut Polizeibericht bei Regen mit seinem Auto auf die Gegenfahrbahn geraten und später an den Folgen des Zusammenstoßes mit einem entgegenkommenden Wagen gestorben. Was bleibt, ist sein umfangreiches und vielseitiges Werk und die Erinnerung an einen Menschen, der nicht nur Kunst schuf, sondern sie auch ins Bewusstsein der Menschen bringen wollte.
Roland Schaller hinterlässt dank seines Fleißes und seiner Inspiration ein umfangreiches Werk: Zeichnungen, darunter viele Karikaturen, Kollagen, Gemälde und Plastiken. Erst vor zwei Wochen beschenkte er die Stadt Lohr mit zwei Möpsen aus Bronze in Ergänzung zu seiner Mopper-und-Schnüdel-Gruppe vor dem Rathaus am Schlossplatz. Sein Werk "Die Offenbarung" hängt in der Kirche St. Michael. An diesen Beispielen zeigt sich, wie wichtig es dem Künstler war, in seiner Heimatstadt Spuren zu hinterlassen. Dabei ging es ihm um weit mehr als das Sichtbarmachen seiner eigenen Werke.
Als Vermittler verstanden
Kunst sollte nach seinem Verständnis öffentlich wahrnehmbar sein, Teil des Lebens und der Lebendigkeit. So stellte er sich der Diskussionsrunde "Kunst des Lebens" in der Lohrer Kulturnacht vor drei Jahren. Wolfgang Weismantel, Mitglied der Lohrer Kulturinitiative und Lehrerkollege des Kunsterziehers am Lohrer Gymnasium, bestätigt, dass Schaller den Austausch gesucht habe. "Er war eine wichtige Stimme der Kunst in der Stadt, offen und unabhängig." Ob in der Schule oder bei Führungen: Der Künstler habe sich als Vermittler verstanden, habe an Kunst herangeführt, damit sie wahrgenommen wird.
Dabei sei ihm alles Oberlehrerhafte abgegangen, sagt der Lohrer Pfarrer Sven Johannsen. Für ihn war Schaller ein wertvoller und kompetenter Berater bei der Renovierung von St. Michael. Zueinander fanden sie bei Projekten wie Ausstellungen und der "Ökumenischen Nacht der offenen Kirchen". "Wir waren uns nicht immer einig", so Johannsen im Telefonat mit der Redaktion. "Aber es war immer auf Augenhöhe." Nach Johannsens Worten konnte Schaller hartnäckig sein, wenn er eine Idee hatte. Er erinnert sich an ihn als Fürsprecher der Kunst. Unter Schallers Fürsprache fiel auch Peter Wittstadts Schneewittchen-Plastik.
Ohne Hochmut
Andi Schmitt, Vorsitzender der Vereinigung Kunstschaffender Unterfrankens (VKU), deren Mitglied der Lohrer Künstler war, beschreibt Schaller als sehr freundlichen und kooperativen Menschen, ohne Hochmut und Überheblichkeit. Diszipliniert und ernsthaft sei er in seiner Arbeit gewesen. Interessiert habe Schaller das Schaffen junger Künstlerinnen und Künstler verfolgt und sei immer am Ball geblieben, erzählt Andi Schmitt. Für das kontaktfreudige Wesen des Lohrers spreche seine Mitgliedschaft in der VKU wie im Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler Unterfranken trotz unterschiedlicher Philosophien der Vereinigungen. Wie Schmitt mitteilt, hatte Schaller im Nachgang zu seinem 80. Geburtstag, den er nun nicht mehr erlebt, für Februar 2023 eine Ausstellung im Würzburger Spitäle geplant. Wenn es nach Schmitt geht, bleibt die Ausstellung im Programm. Er beschreibt den Künstler als virtuosen Zeichner, ohne ihn als Maler diskreditieren zu wollen. Figurative Züge seien in Fantasieformen abgedriftet. "So entstand seine eigene Bildwelt."
Zentrales Thema seiner Werke, da sind sich die Weggefährten, mit denen die Redaktion gesprochen hat, einig, sind der Mensch und das Menschsein. Ihn habe er in seiner Komplexität und Widersprüchlichkeit gezeigt. Für den Künstlerkollegen Udo Breitenbach aus Partenstein hat Schaller die Innerlichkeit des Menschen nach außen gekehrt. Bei den Eindrücken, die dieser von seinen Reisen draußen in der Welt mitgebracht habe, sei es umgekehrt gewesen.
Von Lohr bis Mailand
Roland Schaller gehörte mit dem 2018 gestorbenen Künstler Jan Peter Kranig und Cornelia Krug-Stührenberg zu den Gründungsmitgliedern der Lohrer Künstlergruppe Spess-Art. Breitenbach, eines der Mitglieder, nennt Schaller das Rückgrat der Gruppe, das 20 Jahre lang für Kontinuität gestanden habe. Krug-Stührenberg beschreibt ihn als tragende Säule. Sie beide gehörten auch der Gruppe Transform an, die im Austausch mit ausländischen Künstlerinnen und Künstlern Ausstellungen bestreitet. Zu Schallers Eigenschaften hätten hintergründiger Humor und scharfe Beobachtungsgabe gehört. Was die Spess-Art betrifft, sagt Krug-Stührenberg: "Im Moment halten wir den Atem an."
Schaller bewegte sich nicht nur bei seinen Werken im Innen wie im Außen. Mit Kindern der St.-Nikolaus-Schule in Lohr malte er und organisierte mit ihnen und ihren Werken eine Ausstellung. Dann schritt er wieder über die Grenzen der Stadt und bisweilen des Kontinents zumindest mit seinen Arbeiten. Er beteiligte sich an internationalen Wettbewerben, in Cadaqués in Spanien wurde er mit dem internationalen Grafikpreis 2006 ausgezeichnet. Er stellte aus von Lohr bis Mailand und schickte dem mittlerweile verstorbenen Gemahl der englischen Königin, Prinz Philipp, eine Karikatur, weil er sich im Humor mit ihm verbunden fühlte. Zum 81. Geburtstag des Papstes hatte es einen Wettbewerb und eine Ausstellung in Buenos Aires mit dem Titel "Papa Tango" gegeben. Schaller reichte eine Karikatur ein, die einen lachenden Papst zeigt, der mit einer Friedenstaube auf dem Petersplatz Tango tanzt. Sie wurde aufgenommen.